"Rust"-drama
Todesschüsse: Neue Vorwürfe belasten Alec Baldwin schwer
Am 10. Juli soll Alec Baldwin der Prozess gemacht werden. Auf 32 Seiten rechnet die Staatsanwaltschaft vorab mit dem Hollywoodstar ab. Das steht im Schreiben.
Der Todesschuss fällt am 21. Oktober 2021. Auf der Bonanza Creek Rach bei Santa Fe in New Mexico, wird zu diesem Zeitpunkt der Actionfilm "Rust" gedreht. Hauptdarsteller und wichtigster Produzent ist Alec Baldwin. Aber die historische Waffe, die er in einer Szene benutzen soll, hat irrtümlich scharfe Munition geladen. Eine Kugel trifft Kamerafrau Halyna Hutchins, sie stirbt später im Spital, Regisseur Joel Souza wird schwer verletzt.
Alec Baldwin sieht zu Beginn wie ein Opfer der Umstände aus, aber es finden sich immer mehr Zweifel. Ein Chef-Beleuchter und eine Skript-Aufseherin belasten den Schauspieler schwer. Im Jänner 2023 kündigt die Staatsanwaltschaft dann an, Klage gegen Baldwin erheben zu wollen, das Vorhaben wird drei Monate später abgeblasen.
Am 7. März 2024 wird Waffenmeisterin Hannah Gutierrez-Reed (27) schuldig gesprochen. Das Strafmaß wird erst verkündet, ihr drohen bis zu 18 Monate Gefängnis. Das könnte auch Alec Baldwin blühen, sollte er verurteilt werden.
Denn im Jänner 2024 erhob die Staatsanwaltschaft die im April 2023 fallengelassene Anklage gegen den Schauspieler erneut. Inzwischen hatten zwei Waffenexperten ausgesagt, dass Baldwin den Abzug des Revolvers gedrückt haben muss, der 66-Jährige bestreitet das weiterhin. Er fühlt sich "nicht schuldig".
Baldwins insgesamt acht Anwälte versuchen, den Prozess am 10. Juli im letzten Moment abzuwenden. Im Februar hatten sie entsprechende Dokumente bei Gericht in Santa Fe eingereicht. Nun kontert die Staatsanwaltschaft, und die 36 Seiten, die öffentlich gemacht wurden, haben es in sich. Die wichtigsten Passagen:
Bei "Rust" hatte nur Baldwin das Sagen
Es war sein Projekt, sagt die Staatsanwaltschaft. Er beauftragte Joel Souza mit dem Schreiben des Drehbuchs. Er verkaufte die Rechte an die "Rust Productions". Er war der Hauptproduzent. Er war der Hauptdarsteller. "Rust" war Baldwin, alle Interviews mit Crewmitgliedern würden das belegen.
Waffenmeisterin war eine Fehlbesetzung
"Rust Productions" engagierte mit Hannah Gutierrez eine erst 24-jährige Waffenmeisterin ohne viel Erfahrung. Sie sollte sämtliche Waffen am Set dieses von Waffen strotzenden Films managen und daneben noch als Assistentin in der Requisite arbeiten. Die Staatsanwaltschaft unterstellt Vetternwirtschaft. Gutierrez habe den Job nur bekommen, weil ihr Vater ein bekannter Waffenhändler und Waffentrainer war. Ihr Inkompetenz sei am Set allen schnell klar geworden, sagt Strafverfolgerin Kari Morrissey, Gutierrez sei vor allem durch Faulheit und Prahlerei aufgefallen.
Baldwin erschien zu spät zu Dreharbeiten
Er traf am 12. Oktober 2021, eine Woche nach Drehbeginn, am Set von "Rust" ein. Das führte dazu, dass er das von Hannah angesetzte erste Schusswaffen-Training für Schauspieler verpasste. Er musste eine separate Übungseinheit absolvieren, sei dabei aber "unaufmerksam" gewesen und habe mit seiner Familie telefoniert. Und: Er machte Videos von sich selbst für seine Familie, auf denen er zum Spaß mit der Waffe schießt.
Baldwin war am Set ein Ekel
Er trieb das Team an, schneller zu arbeiten, das habe die Sicherheit gefährdet, so die Staatsanwaltschaft, "Rust" sei schließlich keine Komödie, sondern ein Actionfilm. Er habe häufig geflucht und herumgeschrien, entweder mit sich selbst, Mitgliedern des Filmteams oder mit niemandem konkret, und das ohne bestimmten Anlass. Die Beteiligten wurden Zeugen des Verhaltens eines Mannes, der "absolut keine Kontrolle über seine eigenen Gefühle hat und den es nicht kümmert, welche Auswirkungen sein Verhalten auf seine Umgebung hat", steht im Schreiben an das Gericht. Zeugen hätten ausgesagt, dass genau diese Art die Sicherheit am Set beeinträchtigt hätte.
Als Schuss fiel, wurde gar nicht gedreht
Eine unerfahrene Waffenmeisterin, dazu ein verhaltensauffälliger Hauptdarsteller – diese Kombinaten sei laut Strafverfolgerin Kari Morrissey der Grund dafür gewesen, warum Kamerafrau Halyna Hutchins ihr Leben lassen musste. Der tragische Höhepunkt: Als Baldwin den alten Armeerevolver hob, die Waffe auf Hutchins richtete, den Revolver spannte und abdrückte wurde nicht einmal gedreht, es liefen keine Kameras.
Was der Schuss anrichtete
Die Kugel drang in der Nähe der rechten Achselhöhle von Halyna Hutchins in den Körper ein, durchschlug eine Rippe, durchbohrte die Lunge, verletzte die Wirbelsäule und trat über das linkes Schulterblatt aus dem Körper aus. Danach durchstieß sie die vordere Schulter von Regisseurs Joel Souza und blieb in seinem Rücken unter der Haut stecken.
Szene war ganz anders geplant
Als die Todesschüsse fielen, sollte eigentlich für eine Filmszene geprobt werden – die war aber anders vorgesehen. Baldwin sollte lediglich den Revolver aus dem Holster ziehen und fertig. Er entschied anders, entgegen der Anweisungen von Regisseur Joel Souza, das kam offenbar häufig vor.
Was Baldwin nach dem Todesschuss machte
Der medizinische Dienst war schnell vor Ort, Joel Souza wurde versorgt. Halyna Hutchins wurde in ein Trauma -Zentrum geflogen, sie starb noch am selben Tag. Baldwin habe, laut Staatsanwaltschaft, die Zeit vor allem damit verbracht sich zu verteidigen.
Baldwin plant mit Familie Mexiko-Urlaub
Einige Zeit nach dem Todesschuss wird Baldwin ins Sheriff-Departement gebracht und in einen Video-Verhörraum geführt. Ehe die Befragung beginnt, ruft er seine Frau an, Halyna Hutchins kämpft zu diesem Zeitpunkt noch um ihr Leben. Mit Ehefrau Hillaria, 26 Jahre jünger als er, bespricht Baldwin einen geplanten Familienurlaub in Mexiko. Er will ihn nicht absagen. "Ich habe nichts zu arbeiten, wir können uns vergnügen", sagt er, "außerdem werden sie uns das Geld nicht zurückgeben."
Erstes Verhör und die erste Tatversion
Baldwin behauptet in dem Sheriff-Interview mehrfach, dass ihm Hannah Gutierrez die Waffe übergeben hätte und nicht Regieassistent David Halls. Zweimal sagt er, dass er die Waffe abgefeuert habe und Regisseur Souza ihm gesagt habe, wohin er zielen solle. Dass sich Halyna Hutchins zur Seite gedreht habe und er sie deshalb in die Achsel getroffen habe. Dass er denn Abzug nicht betätigt haben will, wie er später behaupten sollte, erwähnte er mit keinem Wort.
TV-Interview, nächste Version
Am 3. Dezember 2021 tritt Baldwin im Fernsehen auf und erzählt nun eine komplett andere Geschichte. Nun gibt er Hannah Gutierrez-Reed die Schuld. Sie habe ihm gesagt, wohin er die Waffe richten soll – auf die Achselhöhle von Halyna Hutchins. Deshalb sei sie da getroffen worden. Und: Erstmals behauptet er, den Abzug nicht gedrückt zu haben.
Nächstes TV-Interview, nächste Version
Am 8. Dezember wird ein aufgezeichnetes Gespräch ausgestrahlt. Baldwin sagt nun, Regieassistent David Halls habe ihm die Waffe übergeben. Er behauptet einmal viel, dann wieder wenig Erfahrung mit Waffen zu haben, den Hahn habe er gespannt, aber nicht abgedrückt.
Im August 2023 werden die Gutachten von zwei Schusswaffenexperten veröffentlicht und sie belasten den Schauspieler neu. "Obwohl Alec Baldwin wiederholt bestreitet, den Abzug betätigt zu haben, musste der Abzug angesichts von Tests, Befunden und Beobachtungen ausreichend betätigt oder niedergedrückt werden, um den vollständig gespannten oder eingezogenen Hahn des Revolvers zu lösen", steht in den Expertisen.
Der Prozess – sollte er stattfinden – verspricht spannend zu werden.