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Toni, ungepolstert: "Ich sage Frankreich wird Europameister"
Rekord-Torschütze Toni Polster über den Höhenflug des Rot-Weiß-Roten Teams, unsere Gegner, seinen Eindruck von der EURO 2024. Und wer sie am Ende gewinnen wird.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 315 Tore in 556 Profi-Spielen (= 0,57 Tore pro Spiel, ein Weltklasse-Wert). Dazu mit 44 Toren in der Nationalmannschaft bis heute Rekordtorschütze für Rot-Weiß-Rot, wobei ein Streit mit dem ÖFB um die Anerkennung von drei weiteren Toren aus sogenannten "inoffiziellen Länderspielen" inzwischen gerichtsanhängig ist. Aber ganz gleich, wie das ausgeht: Toni Polster gehört zu den erfolgreichsten österreichischen Fußballern aller Zeiten.
Rekordtorschütze und Kultfigur Der gebürtige Wiener, der im März seinen 60. Geburtstag feierte, spielte in Österreich (Simmering, Austria Wien, Austria Salzburg), Italien (FC Turin), Spanien (Sevilla, Logroñés, Rayo Vallecano) und Deutschland (Köln, Mönchengladbach). Und überall wurde er zur Kultfigur – zum einen wegen seines ebenso sparsamen wie effizienten Spielstils. Und zum anderen wegen seiner lockeren Sprüche. Polster lässt keinen Schmäh ungenutzt – und hat gleichzeitig das Auge des jahrzehntelangen Fußballexperten.
Toni Polster über Österreichs EM-Chancen Heute ist Polster als Trainer beim Regionalliga-Ost-Verein Wiener Viktoria erfolgreich (Platz 5 in der abgelaufenen Saison) und analysiert als Experte das internationale Spielgeschehen – so auch die derzeit in Deutschland laufende Europameisterschaft EURO 2024. Für Newsflix schätzt Polster die Chancen unserer Nationalmannschaft, die Stärken und Schwächen unseres nächsten Gegners, der Niederlande, sowie den Verlauf der EURO generell ein. Toni Polster über:
Was er sich von der entscheidenden Partie gegen die Niederlande erwartet
"Ich erwarte mir, dass wir unser Minimalziel erreichen und einen Punkt machen, um sicher ins Achtelfinale aufzusteigen. Es steigen ja vier von sechs Drittplatzierten auf, das müsste eigentlich zu machen sein. Und dann muss man schauen, wer im Achtelfinale kommt – mögliche Gegner wären Spanien, England, Belgien oder Rumänien. Wir könnten mit ein bisschen Zittern auch mit drei Punkten aufsteigen – wenn wir gegen die Niederlande nicht hoch verlieren, dann haben wir es eigentlich eh schon geschafft. Aber es hätte natürlich einen schlechten Beigeschmack, mit zwei Niederlagen aufzusteigen. Das wäre kein Ruhmesblatt. Und deshalb bin ich überzeugt, dass wir gegen Holland einen Punkt machen werden."
Wer in der Nationalmannschaft den Unterschied ausmachen kann
"Wir haben einige torgefährliche Spieler: Marcel Sabitzer, Marko Arnautovic, Michael Gregoritsch, Christoph Baumgartner, der Patrick Wimmer ist auch nicht so ungefährlich vor dem Tor. Grundsätzlich zeichnet uns aus, dass wir nicht einen einzigen Torjäger haben, sondern sich viele Spieler die Tore aufteilen."
Was sich seit seiner eigenen Zeit als Torjäger geändert hat
"Ich habe immer die meisten Tore geschossen, jetzt teilt man es sich halt auf. Das ist auch okay, wenn es die Mannschaft so auffängt, werden wir auch erfolgreich sein."
Wie er die Arbeit von Teamchef Ralf Rangnick einschätzt
"Er harmoniert so gut mit der Mannschaft, weil man sieht, dass das erfolgversprechend ist, was er trainiert und vorgibt. Deshalb folgen ihm die Spieler auch. Ich persönlich messe einen Trainer gerne an dem, was ich von seiner Arbeit sehe. Und ich muss sagen, ich gehe sehr oft konform mit ihm, weil er den Fußball offenbar ähnlich sieht wie ich."
Was er vom Fußball der Niederländer, Österreichs nächstem Gegner, hält
"Ich habe den holländischen Fußball immer sehr geschätzt, weil es immer Angriffsfußball war, weil sie immer mit drei Stürmern spielen, das ist dort Tradition. Ich habe in Italien gegen Ruud Gullit, Marco van Basten und Frank Rijkard gespielt, das war die große Zeit des AC Milan. In Spanien habe ich gegen Ronald Koeman gespielt. Ich habe das holländische Spiel immer sehr gemocht. Man muss die Holländer einfach lieben, alleine wenn man die Bilder gesehen hat von den feiernden Fans, das ist schon phantastisch und zeichnet den Fußball aus."
Wie gut das aktuelle Team der Niederländer ist
"Sie stehen in der FIFA-Weltrangliste auf Platz 7 und sind damit natürlich weit über uns (Österreich ist aktuell auf Platz 25, Anm.). Also Optimismus in allen Ehren, aber wir sollten schon auf dem Boden bleiben, das ist schon ein sehr starkes Team."
Welche niederländischen Spieler er besonders hoch einschätzt
"Es wäre ungerecht, da jetzt jemanden hervorzuheben, man braucht sich nur anzuschauen, wo die alle spielen, dann weiß man schon, was das für eine Weltklassemannschaft ist. Es ist ein risikofreudiger Fußball, sehr offensiv ausgerichtet. Aber gerade darin sehe ich auch unsere Chance. Wenn wir unser Spiel auf den Platz bringen, schnell umschalten und nach vorne spielen, dann können wir ihnen schon auch Schmerzen bereiten, weil sie eben so sehr auf Angriffsfußball gepolt sind."
Wie er das Niveau der EURO 2024 generell sieht
"Das Niveau ist gut, die Mannschaften greifen an und wollen Tore schießen, es wird auch kaum mehr gemauert. Die Spanier sind ganz toll, vor allem die jungen – Pedri, Lamine Yamal, Nico Williams, das sind alles ganz phantastische Fußballer."
Italiens bisheriges Abschneiden bei der EM "Sehr enttäuschend, vor allem der Auftritt gegen Spanien. Dass sie gegen die Spanier so chancenlos sind, hätte wahrscheinlich niemand gedacht."
Wer für ihn der Spieler des Turniers wird "Ich bleibe dabei, was ich schon vor der EM gesagt habe: Kylian Mbappé ist der Beste, er muss sich jetzt nur an die Maske gewöhnen, die er wegen seiner Verletzung tragen muss. Aber er ist nach wie vor der beste Stürmer der Welt, gemeinsam mit Erling Haaland, der ja leider nicht mitspielt."
Wer Europameister wird "Ich sage Frankreich, obwohl es jetzt wahrscheinlich normal wäre, Spanien zu sagen, von den bisherigen Leistungen her."
Wo er die EM schaut?
"Bis jetzt habe ich alles zu Hause geschaut, aber seit Montag ist wieder Training bei der Wiener Viktoria und da werde ich mir die Spiele erst danach in der Zusammenfassung anschauen können. Unser Spiel gegen die Niederlande werde ich allerdings beim Public Viewing einer Firma anschauen, wo ich als Gast eingeladen worden bin."
Wie es ihm gesundheitlich nach seinem Magendurchbruch im letzten Dezember geht
"Es ist alles wieder okay, mir geht es sehr gut!"
Wie seine Pläne mit der Wiener Viktoria aussehen
"Der Aufstieg in die 2. Bundesliga ist nicht unser Ziel, aber wir sind keine Angsthasen und würden die Herausforderung selbstverständlich annehmen, wenn es sich ergibt."