Stopp für china
Wie die USA jetzt ihre Auto-Industrie beschützen
Die Regierung von Joe Biden fürchtet, dass Autofahrer ausspioniert werden. Deshalb darf in Fahrzeuge keine chinesische Software mehr eingebaut werden. Was wirklich dahinter steckt und was das für Europa bedeutet.
Nur ein Schlaglicht, aber es illustriert die Entwicklung. Mitte September gab der chinesische Autohersteller BYD bekannt, die Zahl seiner Mitarbeiter deutlich erhöhen zu wollen. 900.000 Menschen arbeiten mittlerweile für den Konzern. Ein paar Tage später wurde bekannt, dass Volkswagen bis zu 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor die Tür setzen will.
China steuert mit seiner Autoindustrie immer aggressiver den Weltmarkt an. An zumindest einem Land aber beißt sich das Reich der Mitte vorerst die Zähne aus. Die USA sperren chinesische Autos aus. Was Sie über die neue Entwicklung wissen müssen:
Was ist genau passiert?
Das US-Handelsministerium verkündete am Montag Pläne, chinesische Software und Hardware für Fahrzeuge mit eingebautem Internetanschluss komplett verbieten zu wollen. Damit würden chinesische Fahrzeuge faktisch vom US-Markt verbannt. Das berichtet die "Financial Times".
Was steckt dahinter?
Die Regierung von Joe Biden sorgt sich, dass China indirekt die Kontrolle über den Straßenverkehr übernehmen könnte. Chinesische Unternehmen wären in der Lage, Daten über amerikanische Autofahrer und die Infrastruktur zu sammeln und vernetzte Autos auf US-Straßen aus der Ferne zu manipulieren. Der US-Präsident hatte im Februar eine Untersuchung angeordnet, um herauszufinden, ob chinesische Fahrzeuge ein Sicherheitsrisiko für die Amerikaner darstellen.
Was hat die Untersuchung ergeben?
Sie dauerte sieben Monate und erbrachte vor allem eine Bedrohungslage für die kritische Infrastruktur. Genannt werden Ladestationen und "intelligente Straßen".
An welche Art von Manipulation wird dabei gedacht?
Es könnten Daten ausgelesen werden, die etwa ausweisen, wo Autofahrer wohnen, ihre Kinder zur Schule schicken oder wo sie zum Arzt gehen. Im schlimmsten Fall könnten alle in den USA im Einsatz befindlichen und vernetzten Fahrzeuge lahmgelegt werden. Eine ausländische Macht könnte die Kontrolle über sie übernehmen und so Unfälle verursachen und Straßen blockieren.
Ist das der einzige Grund?
Danach schaut es nicht aus. In den USA sind derzeit noch sehr wenige Autos von chinesischen Herstellern unterwegs. Es geht also auch darum, den amerikanischen Fahrzeugmarkt zu schützen und sich nicht von billigen Angeboten aus Fernost buchstäblich überrollen zu lassen. Die USA verwiesen nachdrücklich auf Europa als "warnendes Beispiel", wo chinesische Autos den Markt schnell überschwemmt hätten.
Besteht diese Gefahr?
2023 verkauften chinesischen Marken weltweit insgesamt 13,4 Millionen Pkw, während es die US-amerikanischen Konzerne im selben Zeitraum lediglich auf 11,9 Millionen Einheiten schafften. Das berichtete der US-Sender CNBC unter Berufung auf eine Studie von Jato Dynamics.
Ist nur China vom "Verbot" betroffen?
Nein, grundsätzlich nicht. Die Regelung verbietet etwa auch russische Software und Hardware. Aber China marschiert mit seiner staatlich hochsubventionierten Autoindustrie Richtung Ausbau der Weltmarkt-Führerschaft, Russland hegt keine derartigen Pläne.
Wie argumentieren die USA die Sperre?
Der China-Vorstoß wird als "neue Bedrohung der nationalen Sicherheit" eingestuft. Die neuen Regeln sollen erlassen werden, "bevor Zulieferer, Autohersteller und Autokomponenten mit Verbindungen zu China oder Russland in der US-Automobilbranche alltäglich und weit verbreitet werden", sagte Handelsministerin Gina Raimondo.
Wie geht es nun weiter?
Momentan handelt es sich um eine Ankündigung der Biden-Regierung. Sie hat nun 30 Tage Zeit, um neue Regeln zu erlassen und zu publizieren, sonst geht sich das in dieser Präsidentschaft nicht mehr aus.
Wann soll das "Verbot" in Kraft treten?
Laut "Financial Times" sollen die Softwareverbote ab dem Modelljahr 2027 gelten, die Hardwareverbote sollen frühestens ab Januar 2029 in Kraft treten.
Was bedeuten die US-Pläne für Europa?
China wird noch mehr Druck auf den europäischen Markt ausüben, weil die USA schwerer zu knacken sind.
Haben die USA nicht auch die Zölle erhöht?
Ja, die Vereinigten Staaten haben am 14. Mai verlautbart, ihre Sonderzölle auf chinesische E-Autos von zuvor 25 auf 102,5 Prozent anzuheben. 100 Prozent Sonderzoll auf Fahrzeuge aus China, zuzüglich 2,5 Prozent für alle in die USA importieren Wagen. Im Vergleich dazu nehmen sich die Pläne der EU durchaus maßvoll aus. Aber eine endgültige Regelung steht immer noch aus.
Warum ist die Regelung "vorläufig"?
Bei den Verhandlungen mit China gab es bisher keine Einigung, aber die Hoffnung lebt. Deshalb gelten die Einfuhrzölle einmal zeitlich befristet bis höchstens November.
Wie viel Sonderzölle sollen die Hersteller nun zahlen?
Es gab ein langes Gefeilsche zwischen der EU und China. Nun zeichnet sich eine Lösung ab, die mit Ende Oktober in Kraft treten soll. Für Autos aus China wird dann ein Sonderzoll von bis zu 35,3 Prozent eingehoben, zusätzlich zu den jetzt schon üblichen zehn Prozent für Autoimporte. Die Zölle sollen gestaffelt einkassiert werden.
Welche Marken betrifft das?
Klassische chinesische Erzeugnisse, aber auch Lizenzprodukte. Zum chinesischen Automobilkonzern SAIC etwa gehört auch die altehrwürdige Marke MG, der MG 4 ist das momentan meistverkaufte chinesische E-Auto in Europa.
Die meistverkaufen E-Autos in der EU (1. Halbjahr 2024)
- Tesla Modell Y 100.006 Stück
- Tesla Modell 3 53.239 Stück
- Volvo EX30 37.749 Stück
- Audi Q4 e-tron 34.338 Stück
- VW ID.4/ID.5 33.448 Stück
- MG 4 electric 31.479 Stück
- Volvo EX40/EC40 31.304 Stück
- VW ID.3 28.391 Stück
- Skoda Enyaq 27.000 Stück
- Peugeot 208 EV 24.344 Stück
Welche Auswirkungen sind durch die Steuer zu erwarten?
Das haben das "Kiel Institut für Weltwirtschaft" (IfW Kiel), das "Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung" (WIFO) und das "Supply Chain Intelligence Institute Austria" (ASCII) ausgerechnet (hier zum Nachlesen). Demnach sollen die Einfuhren von Kraftfahrzeugen aus China um 42 Prozent zurückgehen.
Woher kommen die Fahrzeuge stattdessen?
Laut den Forschern werden die China-Autos "größtenteils durch höhere Verkäufe europäischer Produzenten in der EU und teilweise durch höhere Einfuhren aus Drittländern ausgeglichen. 86 Prozent der "Ersatzautos" sollen aus der EU kommen, 4 Prozent aus Japan.
Was heißt das für den Preis von E-Autos?
Kurzfristig könnten sie in die Höhe schnellen. "Die Fahrzeugpreise werden durch die Ausgleichszölle langfristig aber nur geringfügig beeinflusst. So könnten in der EU die Preise für Elektroautos um durchschnittlich 0,3 Prozent bis 0,9 Prozent steigen", heißt es in der Studie. Ein E-Auto, das bisher 50.000 Euro kostete, wird um maximal um 450 Euro teurer.
Betreffen die Sonderzölle auch Tesla?
Ja, klingt seltsam, ist aber so. Tesla ist zwar ein US-Autobauer und fertigt auch in Deutschland, das Modell 3 für Europa kommt aber aus der Gigafactory in Shanghai, die in Europa erfolgreichste Serie Y zum Teil ebenfalls.
Und wie schaut das mit europäischen Herstellern aus?
Nur ein Beispiel: Der deutsche Autobauer BMW lässt das E-Modell iX3 sowie den elektrischen Mini-Cooper in China für den EU-Markt produzieren. Auch dafür wird der Sonderzoll fällig.
Womit hat China der EU eigentlich "gedroht"?
Mit Schweinen. Die EU-Länder exportierten 2022 rund 1,5 Millionen Tonnen Schweinefleisch nach China. Peking hat nun angekündigt, "Antidumpingzölle in Höhe von 50 Prozent auf Schweinefleischlieferungen aus der EU zu untersuchen". Das beträfe vor allem Bauern in Dänemark, Spanien und Deutschland. Der Schweine-Export nach China ist allerdings stark rückläufig, 2022 brach er um 40,1 Prozent ein.
Was ist das Risiko für Europa?
Auf die Lieferketten für E-Autos hat China die Hand drauf. Mehr als drei Viertel der weltweiten Batterieproduktion kommen aus dem Reich der Mitte. Und über die Hälfte der globalen Produktion an Lithium, Kobalt und Graphit werden in China verarbeitet. Das Land hat also einen mehr als großen Hebel, um zurückzuschlagen.