Benzinbrüder

Ladenhüter: Wieso Verbrenner E-Autos den Stecker ziehen

Die Verkaufszahlen für Elektroautos gehen in Europa zurück, auch in Österreich. Wieso plötzlich wieder Verbrenner-Motoren Gas geben, was E-Autos bremst und wo wir auf Platz 4 liegen.

Die E-Mobilität hat momentan keinen Rückenwind, auch nicht von vorne
Die E-Mobilität hat momentan keinen Rückenwind, auch nicht von vorne
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Martin Kubesch
Akt. Uhr
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Dynamik sieht anders aus. Noch vor wenigen Monaten galt der möglichst rasche und flächendeckende weltweite Umstieg von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf E-Autos als alternativlos und Gebot der Stunde, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Die Politik (vor allem der EU) gab das Tempo vor mit markigen Ansagen und rigorosen Zeitplänen. Und die Wirtschaft versuchte Schritt zu halten und bündelte ihre Kräfte für den Ausbau ihrer Kapazitäten im Bereich der E-Mobilität. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren? Überkommene Relikte, technologische Dinosaurier und damit ebenso tot wie die Urzeit-Echsen – das war der allgemeine Tenor.

Autofahrer stehen auf der Bremse Doch jene, die das alles letztlich umsetzen und finanzieren sollen, nämlich die Autofahrer, stehen inzwischen massiv auf der Bremse. Zuletzt stagnierten die Absatzzahlen von E-Autos. In vielen Ländern – darunter auch Österreich – gingen die Verkaufszahlen teils merklich zurück. Viele Autobauer haben mittlerweile riesige Halden nicht verkaufter Stromer herumstehen, in vielen Werken wurden die Sommerferien verlängert, um die Produktion erst später wieder hochzufahren. Laut einem Bericht der Schweizer "NZZ" hätten in Deutschland bereits 16 Prozent der Betriebe in der Autoindustrie Kurzarbeit verordnet, einige Standorte könnten aufgrund der schlechten Verkaufssituation sogar geschlossen werden, etwa das Audi-Werk in Brüssel.

Gerade einmal 177.000 Autos von insgesamt 5,2 Millionen zugelassenen Pkw in Österreich sind elektrisch unterwegs, drei Viertel davon aus Firmenwagen
Gerade einmal 177.000 Autos von insgesamt 5,2 Millionen zugelassenen Pkw in Österreich sind elektrisch unterwegs, drei Viertel davon aus Firmenwagen
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E-Autos – darum geht momentan kaum etwas weiter

Verantwortlich für diese Situation sind verschiedene Faktoren – einige davon sind hausgemacht, andere ein globales Problem. Doch die gute Nachricht: Nichts davon ist unlösbar. Was Sie über die aktuelle Flaute bei der E-Mobilität wissen müssen, wo wir aktuell stehen, was die Zukunft bringt – der Überblick:

Wie viele E-Autos sind aktuell in Österreich unterwegs?
Ende 2023 – von da stammen die letzten erhältlichen Zahlen – waren etwa 177.000 rein elektrisch angetriebene Pkw in Österreich zugelassen. Das sind etwa 3,5 Prozent der insgesamt 5,2 Millionen Personenkraftwagen auf Österreichs Straßen.

Und wie viele kommen jedes Monat neu dazu?
Zwischen Jänner und Juli 2024 wurden insgesamt 154.000 Pkw neu in Österreich zugelassen. Davon waren etwa 25.000 E-Autos. Das ist ein Anteil von rund 16 Prozent.

Gehen die Zulassungszahlen für E-Autos zurück?
Ja. Im selben Zeitraum 2023 wurden 26.700 E-Autos neu zugelassen. Damit wurden heuer bisher um knapp 6 Prozent weniger E-Autos neu in den Verkehr gebracht als im Jahr davor. Zum Vergleich: Die Zahl der neu zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor (also Diesel und Benziner) stiegt im selben Zeitraum um 6,4 Prozent, jene der Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieb, wo also ein Verbrennungsmotor und ein E-Motor kombiniert verbaut sind, stieg sogar um 16 Prozent.

Die Zahl der neu zugelassenen E-Autos sinkt momentan in ganz Europa: Österreich minus 5,9 Prozent, Schweiz minus 8 Prozent, Deutschland minus 16 Prozent
Die Zahl der neu zugelassenen E-Autos sinkt momentan in ganz Europa: Österreich minus 5,9 Prozent, Schweiz minus 8 Prozent, Deutschland minus 16 Prozent
Frank Hoermann / dpa Picture Alliance / picturedesk.com

Wie ist die Lage international?
In Deutschland brach der Absatz von E-Autos um 16 Prozent ein, nachdem die Regierung die Fördermittel für den Kauf gestrichen hatte. In der Schweiz ist der E-Pkw-Absatz zuletzt um 8 Prozent gesunken. In der gesamten EU liegt der Anteil von E-Autos bei den Neuzulassungen bei 13 Prozent, in den USA gar nur bei 8 Prozent, wie die "NZZ" vorrechnet. Zum Vergleich: In China war 2023 jeder vierte zugelassene Neuwagen rein elektrisch, insgesamt 58 Prozent der Neuwagenzulassungen im Reich der Mitte fielen im vergangenen Jahr auf Pkw mit <elektro- oder Hybridantrieb.

Wer kauft in Österreich E-Autos?
Vornehmlich gewerbliche Unternehmen. 75 Prozent aller E-Autos sind auf Firmen zugelassen, nur 25 Prozent auf Privatpersonen. Und von den privaten E-Autos ist ein Drittel als Zweitauto im Betrieb. Für gerade einmal 35.000 Privatpersonen ist somit ihr E-Auto ihr primäres Fahrzeug, wie der heimische Interessensverband "eFuel Alliance" jüngst hat ausrechnen lassen.

E-Mobilität für Privatleute: Österreich fördert den Kauf eines neuen E-Mobilen mit bis zu 5.000 Euro an Prämien
E-Mobilität für Privatleute: Österreich fördert den Kauf eines neuen E-Mobilen mit bis zu 5.000 Euro an Prämien
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Gibt es Förderungen für private E-Auto-Käufer?
Ja, gibt es, aber dabei gilt es einiges zu beachten, erklärt ÖAMTC-Experte Merker: "Private bekommen beim Ankauf eines neuen E-Pkw bis zu 5.000 Euro Förderung. 2.000 Euro trägt der Händler bzw. der Importeur, die restlichen 3.000 Euro kommen vom Bund. Die 2.000 Euro werden direkt beim Kauf abgezogen, das ist der sogenannte E-Mobilitätsbonus, der sich auch auf der Rechnung wiederfinden muss. Mit dieser Rechnung kann man dann um die Förderung durch den Bund ansuchen. Das muss der Käufer selbst machen. Aber es ist wichtig, dass der E-Mobilitätsbonus auf der Rechnung ausgewiesen wird, sonst fällt man um die Bundes-Förderung um. Wer etwa sein Auto im Ausland kauft und keinen Mobilitätsbonus auf seiner Rechnung stehen hat, schaut durch die Finger."

In welchen Bereichen gehen die Verkäufe derzeit zurück?
Laut ÖAMTC ist es hauptsächlich der gewerbliche Bereich, der hier auslässt. Die – bescheidenen – Absätze im Privatbereich blieben demgegenüber einigermaßen stabil, erläutert Florian Merker, Experte für Elektromobilität beim Autofahrerclub.

Wie steht es um die Ladestationen-Infrastruktur?
Aktuell gibt es etwa 27.500 öffentliche Ladestationen im ganzen Land. Damit gibt es im Schnitt 255 Ladepunkte pro 100.000 Einwohner. EU-weit liegt Österreich damit auf Platz 4, weit vorne in dieser Statistik sind die Niederlande mit 940 Ladepunkten pro 100.000 Einwohnern, wie der "Standard" berechnet hat. Der EU-Schnitt liegt bei 171 Ladepunkten, EU-Schlusslichter sind Malta und Rumänien mit je 20 Ladepunkten pro 100.000 Einwohnern. Allerdings: Bei weitem nicht alle Ladesäulen im Land sind state of the art und bieten den schnellstmöglichen Ladevorgang. Zudem ist die Verteilung der Ladestationen regional recht unterschiedlich – nicht überall gibt es die gleiche Versorgungsdichte.

EU-weit steht Österreich in Sachen Ladestations-Infrastruktur verhältnismäßig gut da – aktuell gibt es 27.500 öffentliche Ladesäulen
EU-weit steht Österreich in Sachen Ladestations-Infrastruktur verhältnismäßig gut da – aktuell gibt es 27.500 öffentliche Ladesäulen
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Warum stottert der E-Mobilitäts-Motor so sehr?

  • Dafür gibt es primär drei Gründe:
  • Firmen kaufen derzeit keine E-Autos Drei von vier Stromern in Österreich sind als Firmenwagen unterwegs. Doch bei den heimischen Unternehmen scheint der Bedarf an E-Mobilität vorerst gedeckt zu sein. "Aus Sicht des ÖAMTC ist es so, dass viele Unternehmen bereits E-Fahrzeuge angeschafft haben und derzeit keinen weiteren Bedarf sehen", sagt E-Mobilitätsexperte Florian Merker. "Dazu kommt, dass es im gewerblichen Bereich mittlerweile fast keine Förderung mehr für den Ankauf von E-Autos gibt. Konkret werden neue E-Pkws nur mehr beim Ankauf durch soziale Einrichtungen, Fahrschulen, E-Car-Sharing-Unternehmen und E-Taxi-Unternehmen gefördert. Alle anderen Betriebe bekommen nichts mehr." Das scheint die Investitionslaune der Unternehmen nicht gerade zu fördern.
  • E-Autos sind grundsätzlich zu teuer Laut ÖAMTC kostet ein Pkw mit Elektroantrieb im Schnitt zwischen 5.000 und 6.000 Euro mehr als ein vergleichbarer Wagen mit Verbrennungsmotor. ÖAMTC-Experte Florian Merker: "Hier müsste man ansetzen. E-Autos sollten billiger werden und es sollte auch mehr kleinere Modelle geben. Es gibt heute zwar sehr viele E-Autos im hochpreisigen Segment, aber im günstigeren Segment gibt es zu wenige. Gäbe es hier mehr Modelle und wären diese preislich dort, wo vergleichbare Verbrenner sind, dann würden auch mehr Menschen auf E-Fahrzeuge umsteigen."
  • Der E-Gebrauchtwagenmarkt ist faktisch tot Nicht nur, aber auch aufgrund der wirtschaftlich angespannten Situation, bedienen sich immer mehr Österreicher am Gebrauchtwagenmarkt, wenn sie auf der Suche nach einem neuen Wagen sind. Doch obwohl hier längst unzählige E-Autos zu haben wären, stehen diese meist wie Blei auf den Schotterplätzen des Landes. "Die meisten Kunden zögern, ein gebrauchtes E-Auto zu kaufen, weil sie fürchten, dass die Batterie in keinem guten Zustand mehr ist, denn die Batterie ist das teuerste an jedem E-Auto", so ÖAMTC-Mann Merker. "Dabei ist bei vielen Gebrauchten die Batterie nach wie vor in einem guten Zustand." Der Club bietet deshalb spezielle Ankaufstests für E-Autos, bei denen auch die Batterie auf Herz und Nieren geprüft wird. Florian Merker: "Hat man hier ein gutes Ergebnis, spricht nichts dagegen, auch ein gebrauchtes E-Auto zu kaufen."
Wirtschaftsmetropole Shenzen: In China ist mittlerweile bereits jedes vierte neue Auto rein elektrisch, zählt man E-Autos und Hybride zusammen, kommt man gar auf knapp 60 Prozent
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Wie geht es in Sachen E-Mobilität weiter?
Das ist schwer vorherzusagen. Nach einer Einschätzung von Analysten von "S&P Global", aus der die "NZZ" zitiert, wird die Zahl der in China verkauften Personenwägen bis 2031 nur mehr um 1,8 Prozent pro Jahr zunehmen. Für Europa liegt diese Wachstumsprognose nur mehr bei 0,8 Prozent, für die USA gar nur mehr bei 0,3 Prozent. Noch vor zwei Jahren waren die prognostizierten Wachstumszahlen wesentlich zuversichtlicher.

Nicht umsonst geht man mittlerweile davon aus, dass von den gut 140 chinesischen Herstellern von E-Autos viele die kommenden Jahre nicht überleben werden, trotz teilweise sehr großzügiger staatlicher Förderungen. Laut dem Wirtschaftsmagazin "Economist" haben alleine in den letzten eineinhalb Jahren mindestens 8 große chinesische Hersteller ihre Fertigung gestoppt oder den Betrieb gänzlich eingestellt.

Und in Europa?
Hier beobachten die Hersteller noch mit vor Schreck geweiteten Augen die jüngsten Entwicklungen auf den Absatzmärkten. Es ist aber davon auszugehen, dass zwischen München, Stuttgart, Wolfsburg und Paris längst drüber nachgedacht wird, den Verbrennungsmotor doch nicht sofort ins Ausgedinge zu schicken, wie es noch vor kurzem den Anschein hatte. Gut möglich, dass uns diese Technik noch ein wenig länger erhalten bleibt, als von der EU ursprünglich avisiert.

Und in den USA ist man auch diesbezüglich bereits wieder weiter. Hier wird schon mit Hochdruck daran gearbeitet, die Verbrennungs-Technologie weiter zu entwickeln. Aber richtiger wäre wahrscheinlich zu sagen: es wurde damit niemals aufgehört. Nur jetzt ist es auf einmal wieder en vogue.

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