Biographie
"Wie ich 'Magnum' wurde (und das mit dem Ferrari wirklich war)"
1,93 Meter groß, Frauenschwarm, eigentlich sollte er "Indiana Jones" spielen. Das steht in der neuen Autobiographie von Tom Selleck.
Republikaner? Waffennarr? Heimlich homosexuell? Wer sich von der neuen, soeben erschienenen Autobiographie von Hollywood-Star Tom Selleck pikante Details oder allzu intime Einblicke ins Privatleben erhofft, wird wohl enttäuscht. Der 79-jährige erzählt in "Man kann nie wissen" hauptsächlich sein Berufsleben ganz geradlinig nach, von den ersten filmischen "Gehversuchen" am College in den frühen 1960er-Jahren bis in die Gegenwart. Aus seinem Privatleben gibt es nur ganz wenige, ausgesuchte Anekdoten, die vor allem das Bild eines perfekten Familienmenschen zeichnen, eines dankbaren Sohnes und verlässlichen Ehemannes, der seit mehr als 50 Jahren seine Arbeit zuverlässig und skandalfrei abliefert und zwischendurch seine riesige Avocadofarm in Kalifornien bewirtschaftet.
Zu viel Information! Die mit Abstand intimste Passage in der gemeinsam mit dem Autor Ellis Henican verfassten Autobiographie passierte in den Sechzigern und erzählt davon, dass der junge Tom beim Baseball einmal einen Ball so unglücklich in die Weichteile bekam, dass eines seiner Testikel auf Magnum-Größe anschwoll und sein Bruder für ihn das Date, das er an diesem Abend gehabt hätte, telefonisch absagen musste – so genau wollten wir es eigentlich auch nicht wissen.
Fast 60 Jahre Hollywood Dass "Man kann nie wissen" dennoch lesenswert ist, liegt einerseits daran, dass Selleck absolut unprätentiös erzählt und man bei der Lektüre öfters das Gefühl hat, als würde man mit einem netten Nachbarn bei einem Bier zusammensitzen und sich seine Lebensgeschichte anhören. Egal ob er von seinem Collegeprofessor erzählt oder von Begegnungen mit Steven Spielberg und Lady Diana, es klingt immer gleichermaßen nachvollziehbar sympathisch und uneitel. Und dann erzählt da einer, der seit fast 60 Jahren in Hollywood "dazu gehört" und in dieser Zeit viele Protagonisten der Traumfabrik getroffen hat, die heute längst als Legenden gelten.
"Zeitzeuge" Tom Selleck "Man kann nie wissen" ist daher auch ein Zeitdokument über den Wandel Hollywoods. Gleichsam en passant plaudert Selleck über Begegnungen, Beziehungen und Freundschaften mit Menschen, deren Namen jeder kennt, der ein bisschen Interesse am Film- und TV-Geschehen der letzten Jahrzehnte hat. Hier die wichtigsten Passagen aus Tom Sellecks Autobiographie:
Wie Tom Selleck "entdeckt wurde"
Der gerade einmal 21-jährige war an der University of South California USC inskribiert und studierte Wirtschaftswissenschaften, doch der Funke mochte nicht so recht überspringen und die Noten des jungen Mannes sackten immer weiter ab. Um seinen Notenschnitt aufzupolieren, belegte er einen Kurs über die "Geschichte des amerikanischen Theaters". Der Kursleiter erkannte, dass Sellecks bereits damals erkennbare Attraktivität ein Türöffner sein könnte und empfahl ihm einen Agenten, der ihn für Werbesports vermitteln sollte.
"Todesangst" bei den ersten Jobs
Seine ersten TV-Spots hatte Tom Selleck für die Air Force sowie Pepsi Cola, außerdem wurde er für eine TV-Dating-Show engagiert, die ähnlich wie das später bei uns etablierte "Herzblatt" funktionierte. Doch der fesche Lulatsch war damals noch ziemlich auf den Mund gefallen – und rasselte bei der Partnerwahl durch: "Ich gab schwache Antworten und verlor. Ich war nicht lustig. Es machte mir keinen Spaß. Während der ganzen Zeit, die ich da oben war, stand ich Todesangst aus."
Wie Hollywood gegen seinen Willen auf ihn aufmerksam wurde
Von Sellecks "Todesangst" war vor dem Bildschirm offenbar nichts zu spüren: "Ungefähr eine Woche nach meinem Auftritt erhielt ich einen Anruf von meinem Agenten Don Schwartz. Er sagte, ein Besetzungschef von 20th Century Fox namens David Graham habe mich in 'The Dating Game' gesehen und würde mich gern kennenlernen, da ich für ein 'Fox New Talent'-Programm infrage käme. Nicht, dass ich darauf brannte, Karriere als Schauspieler zu machen. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht."
Vorsprechen gleich beim Studioboss
Gleich der erste Besuch Sellecks in Hollywood wird zur Nagelprobe. Er wird kurzerhand zu Studioboss Richard D. Zanuck, Sohn von Produzenten-Legende Daryll F. Zanuck vorgelassen. Richard D. Zanuck wurde später drei Mal für den Oscar nominiert, einmal gewann er ihn für "Miss Daisy und ihr Chauffeur" im Jahr 1990. An jenem Tag findet er Gefallen an dem jungen Mann und nimmt ihn ins Nachwuchsprogramm des Studios auf. "Ich hatte nie das geringste Interesse an Schauspielerei. Niemals. Mir war aber auf meine eigene Art, ohne zu planen, tatsächlich etwas gelungen: Ich hatte eine Chance erhalten, für die andere töten würden. So entwickelte ich einen gesunden Respekt vor glücklichen Zufällen."
Wie er den Soldaten in sich entdeckte
in den späten 1960ern mussten alle männlichen Amerikaner ihren Wehrdienst absolvieren, das Land hatte großen Bedarf an Soldaten, stand es doch im Krieg in Vietnam. Auch Tom Selleck rückte ein, und zwar bei der Nationalgarde in Kalifornien – und erkannte rasch sein Talent für das Soldatenleben: "Die ehrliche Wahrheit lautet: Ich war beim Militär überragend. Nach der Grundausbildung wurde ich zum Spitzenrekruten gekürt. Mit dem Abschluss erhielt man automatisch den Rang eines Gefreiten (Private); ich bekam den nächsthöheren Rang des Hauptgefreiten (Private First Class). Es war die erste Beförderung dieser Art in der Geschichte meiner Grundausbildungskompanie. Nicht, dass ich prahlen möchte, aber ich bin stolz darauf."
Was sein erster TV-Auftritt war
Eine kleine Rolle in einer Folge der Westernserie "Lancer": "Die Folge wurde am 14. Januar 1969 ausgestrahlt, zwei Wochen vor meinem 24. Geburtstag. Ich habe mich wirklich ins Zeug gelegt. Ich schaute mir meinen ersten Job als professioneller Schauspieler mit meinem Bruder Bob im Fernsehen an. Als der Teaser zu Ende war, herrschte kurz Stille, ehe Bob sagte: 'Das war gut.' Dann riefen unsere Eltern an: 'Gut gemacht', sagte mein Vater und fügte schnell hinzu: 'Ich gebe dir deine Mutter.' Sie sagte etwas zu mir, das ich im Laufe der Jahre immer wieder hören und schätzen sollte: 'Du warst großartig, Tom.'"
Wie er Hollywood-Legende Mae West traf
"Mae West hatte seit 26 Jahren keinen Film mehr gedreht; das waren zwei Jahre mehr, als ich lebte." Über das erste Zusammentreffen: "Alles war weiß: die Wände, der Teppich, die Möbel, ja sogar der Flügel. Und in einem edlen weißen Sessel saß Miss West. Sie war wie für einen Abend auf der Piste gekleidet, ganz in Weiß." Selleck spielte schließlich in der Hollywood-Satire "Myra Breckenridge" einen von Mae Wests "Hengsten", also ihren Lustknaben. Danach äußerte sich die Diva in einem Magazininterview angetan über den Jungspund: "Sie sprach davon, wie sie Cary Grant entdeckt hatte, ihre letzten Worte lauteten: 'Cary Grant hatte einen Look. Tom Selleck hat auch einen Look.'"
Wie Selleck mit gebrochenem Bein spielte
Die erste größere Rolle sollte Tom Selleck in dem TV-Krimi "Jagd auf den Kinomörder" spielen, doch nur einen Tag vor dem Vorsprechen brach er sich beim Wasserskifahren das Bein. Er ging trotzdem hin, bekam die Rolle und ließ danach kurzerhand einen Arzt den Gips abnehmen, um – mit Schmerzen, aber ohne Gips – spielen zu können. "Ich erklärte dem Arzt meine Situation, und er war so freundlich, sich darauf einzulassen. Er sagte: 'Ich stelle Ihnen ein Rezept für einen Schuh mit einem Stahlschaft aus.' (…) Jagd auf den Kinomörder lief am 2. Februar 1970 als 'Film der Woche' auf NBC und mein Fuß brauchte drei Monate zum Heilen."
Erste Hauptrolle in einem C-Movie
"Dann bekam ich endlich eine Hauptrolle in einem Spielfilm. Er sollte exklusiv für United Artists auf den Philippinen gedreht werden. (…) Es handelte sich um 'Die Töchter Satans'. Ich fand heraus, dass United Artists eine Menge philippinischer Pesos aus einem anderen Film übrig hatten. Da sie keinen Verlust erleiden wollten, indem sie diese Pesos in Dollar umtauschten, kamen sie auf die Idee, das Geld auf den Philippinen für zwei Low-Budget-Filme auszugeben, die nacheinander gedreht werden sollten."
Einmal Fernsehen rauf und runter
Es folgten unzählige Auftritte in TV-Serien: "Drei Engel für Charlie" – Hauptdarstellerin Farrah Fawcett hatte Selleck bereits zehn Jahre davor bei einem Werbespot für einen Weinbrand kennen gelernt – , "Die Straßen von San Francisco", "Detektiv Rockford" – mit James Garner sollte Tom Selleck danach ein Leben lang befreundet bleiben. Dazu kamen zahlreiche TV-Filme in unterschiedlichsten Genres.
Warum "Magnum" anfangs Harry hieß
Schließlich sollte Selleck einen Pilotfilm für eine neue Serie drehen: "Magnum". Doch der Plot missfiel dem Schauspieler vollkommen: "Ich sollte Harry Magnum spielen. In Hinblick auf den Namen und den Titel konnte man das auf Clint Eastwoods 'Dirty Harry Calahan' zurückführen. Das stimmte aber nicht, es war eher James Bond-mäßig. Es zu erklären fällt schwer, aber die ganze Geschichte schien sich auf sich selbst zu beziehen. Harry Magnum besaß einen Ferrari und hatte eine Stewardess an jedem Arm. Es gab zwei Dobermänner und viele Explosionen, aber keinen einzigen Makel an der Hauptfigur."
Ein neuer Drehbuchschreiber für "Magnum"
Schließlich wurde Donald P. Bellisario engagiert, um das Drehbuch von "Magnum" umzuarbeiten: "Und da war er: Don hatte einen brillanten Film geschrieben, und es war auch tatsächlich ein Film. Keine fröhliche Szene am Ende, in der die Hauptfiguren zeigen, wie sehr sie sich mögen und warum man nächste Woche wieder einschalten sollte. Es war die Geschichte eines Absolventen der Marineakademie, der als Navy SEAL in Vietnam gedient und beschlossen hatte, auf die Bremse zu treten. Nein, nicht weil er enttäuscht war oder unter aufgeschobenem Stress litt, sondern aus einem Grund, den er so umschrieb: 'Eines Tages wachte ich auf, da war ich 33 und merkte, dass ich nie 23 war.' Sein Name war Thomas Magnum."
Warum Selleck immer "oben ohne" im Ferrari fuhr
"Ich hatte bis zum Dreh der betreffenden Szene noch nie in einem Ferrari gesessen. Als ich einstieg, stieß ich mir den Kopf am Dach. Die einfache Lösung bestand darin, ihn in dem engen Raum einzuziehen; ich meine, das Dach musste ja drauf sein, sonst hätte ich das Türschloss des Wagens nicht knacken müssen. Allerdings wollte man nicht, dass ich die ganze Zeit über da kauerte. Schließlich fanden wir die Lösung: Beim Verlassen des Anwesens halte ich an und tue so, als würde ich das Dach öffnen und zurückschieben. Tatsächlich nahmen es zwei Requisiteure entgegen, die an den Seiten des Wagens standen; Dann schaue ich in die Kamera, lächle, gebe Gas, lasse die Räder durchdrehen und fahre los. (…) Diese Aufnahme ist im Vorspann aller 163 Folgen zu sehen."
Weshalb Selleck nicht "Indiana Jones" wurde
Kurz vor dem Start der Dreharbeiten zu "Magnum", rief Sellecks Agentin Bettye an: "Du hast einen Termin mit Steven Spielberg und George Lucas wegen eines Films mit dem Titel 'Jäger des verlorenen Schatzes'." (…) "Als ich den Raum zum Vorsprechen betrat, erwartete ich einen Haufen wichtiger Leute. Es waren aber nur die beiden Vögel, Steven Spielberg und George Lucas." Die beiden finden Gefallen an Selleck, laden ihn zum Vorsprechen ein. "Steven Spielberg übernahm bei dem Test die Regie. Ich schätze, das hätte mich in Panik versetzen können. Steven war aber so gelassen, intuitiv und beruhigend, dass mich der Umstand in meinem Tun bestärkte. Ich übertreibe nicht; ob Wirklichkeit oder Einbildung, sein Tonfall vermittelte eine Zuversicht, die ansteckend war."
Spielberg und Lucas wollen Selleck, doch dieser hatte ja bereits für "Magnum" unterschrieben, und das Studio wollte ihn nicht aus seinem Vertrag lassen, und sie wollten auch nicht, dass er beides macht. Also musste er "Indiana Jones" sausen lassen. Für Selleck kein Grund zu trauern: "Steven Spielberg und George Lucas hatten im Grunde begeistert gesagt: 'Tom, du bist gut genug.' Und das war nicht nur eine Geste; ich war ihre Wahl. Darauf konnte ich mir bis in alle Ewigkeit etwas einbilden."
Wie der Dreh mit Frank Sinatra lief
"Magnum" war ein riesiger Erfolg und zahlreiche Stars rissen sich darum, in der Serie aufzutreten. Auch Musiklegende Frank Sinatra wollte mitspielen. Sein Vorschlag: "Ich verlange keine Gage, bezahlt nur meine Unkosten." Und so wurde eine Drehwoche mit dem Superstar eingeplant – der dabei allerdings mit einem gesundheitlichen Handicap zu kämpfen hatte. Selleck: "Frank war kurz davor mit einer schweren Dickdarmentzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden und um das Krankenhaus verlassen zu können, hatte er einen künstlichen Darmausgang gelegt bekommen und wollte nicht, dass jemand davon erfuhr. Wäre Frank noch am Leben, würde ich Ihnen das nicht erzählen, doch was wir damals vor uns hatten, war ein Ausbund an Tapferkeit."
Tom Selleck über seine Begegnung mit Lady Di
Prinz Charles und Lady Diana, damals noch seine Ehefrau, waren im Weißen Haus bei Ronald und Nancy Reagan zu Gast und Selleck und seine zweite Ehefrau Jillie gehörten zu den wenigen geladenen Gästen. "Nach dem Essen gingen alle in den East Room, wo zu Musik getanzt wurde. Präsident Reagan und Lady Di bildeten ein Paar, Charles und Nancy ebenfalls. John Travolta tanzte ebenfalls mit Diana. Clint Eastwood und ich wechselten einen Blick, weil wir ahnten, was auf uns zukam. So zogen wir uns unauffällig von den Tanzenden zurück hinter eine Ecke. Inzwischen zappelten John und Lady Di zu einer schnelleren Nummer. Alle anderen hörten zu tanzen auf, bildeten einen Kreis um die beiden und klatschten in die Hände. Clint und ich rührten uns nicht von der Stelle. Plötzlich sagte jemand: 'Entschuldigen Sie, darf ich kurz stören?' Es war eine Frau mit stark abgehacktem britischem Akzent, die sehr schnell sprach. 'Mr. Travolta und die Prinzessin tanzen zum zweiten Mal zusammen. Das geht nicht. Wir wollen doch keine Gerüchte in die Welt setzen, nicht wahr?' Clint und ich sagten nichts. 'Mr. Selleck, Sie müssen ihn ablösen.' Ich antwortete: 'Ich werde John Travolta nicht dazwischenfunken.' Das passte ihr nicht. 'Na gut. Beim nächsten Tanz folgen Sie mir.' Als sie mich wegzog, lächelte Clint nur schief.
Die Rolle in "Blue Bloods"
"Wir sind bei 'Blue Bloods' eine Familie, nicht bloß ein Haufen Darsteller, die Familienmitglieder spielen, sondern ein Haufen Darsteller, die selbst zu einer Familie zusammengewachsen sind. Und die Zeit hat uns allen die Möglichkeit geschenkt, dies auszukosten. Voller Dankbarkeit wird 'Blue Bloods' seine 14. Staffel begehen. Und die Serie bringt es immer noch. Sie gehört weiterhin zu den drei erfolgreichsten Sendungen nach Drehbuch im gesamten Fernsehbetrieb. Und sie bleibt seit ihrer Premiere 2010 die Nummer 1 im Programm. In den frühen Tagen von 'Blue Bloods' sagte eine leise Stimme in meinem Kopf: So viel Glück kann ich nicht zweimal haben. Wie sich herausstellte, hatten wir es sehr wohl. Die einfache Tatsache ist, dass 'Magnum' auf 163 Folgen kam. 'Blue Bloods' ist schon weit über 250 hinaus."
Weshalb er nicht aufhören will zu arbeiten
"In Gedanken blickte ich zurück auf ein halbes Jahrhundert Arbeit. Mehr als dreißig Jahre seit 'Magnum', mehr als fünfzig seit meinen frühsten Schauspieljobs. Viele Meilen vom Basketballfeld der USC nach ... entfernt, wohin, das weiß ich nicht genau. Es war ein langer, holpriger Weg. Viele Meilen, auch ein paar ziemlich gute. Und das Beste: Wenn ich weiter nach vorn schaue, kann ich kein Ende sehen."
"Mann kann nie wissen. Tom Selleck – die Autobiographie", Hannibal Verlag, 368 Seiten, 31 Euro