Monika Rosen

Wieso der September Angstgegner der Börsianer ist

Von der Lehman-Pleite bis zum 11. September: die Auslöser für große Abstürze passierten sehr oft zu Herbstbeginn. Aber warum ist das so? Hat das handfeste Gründe oder ist das Karma? Börsen-Expertin Monika Rosen analysiert.

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Auch wenn heuer kein Crash ins Haus stand, so lief die erste Septemberwoche doch alles andere als rund. Demnächst fallen große Notenbank-Entscheidungen, und der Himmelssturm der KI Aktien gerät auch zusehends ins Stocken. Was heißt das für den Marktausblick und wie machen Sie ihr Portfolio fit für die kalte Jahreszeit?

Warum hat der September bei den Börsianern einen so schlechten Ruf?
Wenn man die monatliche Performance des US-Leitindex S&P 500 seit dem Zweiten Weltkrieg heranzieht, so ergibt sich im September mit einem durchschnittlichen Minus von 1,2 Prozent das schwächste Monatsergebnis. Davon abgesehen, spielten sich viele dramatische (Börsen-) Ereignisse im September ab, von der Lehman-Pleite am 15. September 2008 bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001.

börsenexpertin monika rosen bei einem fototermin in den räumlichkeiten der tageszeitung heute, heute premium, 20231214 foto: helmut graf/tageszeitung heute
börsenexpertin monika rosen bei einem fototermin in den räumlichkeiten der tageszeitung heute, heute premium, 20231214 foto: helmut graf/tageszeitung heute
Helmut Graf

Heuer standen uns bisher keine Katastrophen ins Haus. Dennoch startete der September mit Kursrückgängen - warum?
Die erste Septemberwoche brachte für den S&P 500 den stärksten Rückgang seit eineinhalb Jahren. Einerseits kommen immer stärkere Befürchtungen auf, wonach die US-Konjunktur in schlechterer Verfassung sein könnte als bisher angenommen. Sorgen bereitet vor allem der Arbeitsmarkt, die Daten blieben in den letzten Monaten unter den Erwartungen.

Aber in den USA wurden doch neue Jobs geschaffen, oder?
Ja, das schon. Die Zahlen wurden am vergangenen Freitag veröffentlicht. Demnach gab es im August einen Stellenzuwachs von 142.000 Jobs, gerechnet wurde aber mit 165.000 zusätzlichen Stellen.

Joe Biden startet die finale Phase seiner Präsidentschaft in einem wirtschaftlich wackligen Umfeld
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Dem sollte die US-Notenbank Fed doch mit einer Zinssenkung begegnen, oder?
An sich ja, und eine Zinssenkung bei der Sitzung am 18. September gilt ja auch als so gut wie fix. Allerdings hat der schwächelnde US-Arbeitsmarkt zuletzt zu Befürchtungen geführt, die Fed habe sich diesmal mit ihrer ersten Zinssenkung zu viel Zeit gelassen. In der Fachsprache nennt man das, sie sei "hinter die Kurve" geraten.

Was ist damit gemeint?
Die Notenbank muss nach einer Reihe von Zinsanhebungen um eine "sanfte Landung" bemüht sein. Die gestiegenen Zinsen sind notwendig, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig bremsen sie aber auch das Wachstum. Es geht nun darum, das Bremsmanöver so zu gestalten, dass die Wirtschaft nicht in eine Rezession stürzt, sondern eben die sprichwörtliche "sanfte Landung" hinlegt.

Zitter-September: Ein Aktienhändler an der New Yorker Börse
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Was ist dabei entscheidend?
Bei der ersten Zinssenkung der richtige Wendepunkt. Nicht zu früh, damit die Inflation nicht zurückkommt. Aber eben auch nicht zu spät, damit der Bremseffekt nicht so stark wird, dass er eine Rezession auslöst. Und eine Rezession steht derzeit zumindest ansatzweise im Raum.

Was könnte bei der Fed-Sitzung am 18. September also passieren?
So gut wie alle Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Fed bei ihrer nächsten Sitzung eine Zinssenkung um 25 Basispunkte (0,25 Prozent) beschließen wird. Immerhin fast 50 Prozent der Befragten sind aber aktuell schon der Meinung, dass es eine Senkung um 50 Basispunkte (0,50 Prozent) sein wird. Der Anteil jener, die an die 50 Basispunkte glauben, ist zuletzt gestiegen.

Was beschäftigt die Börsen derzeit noch, jenseits der Geldpolitik der Notenbank?
Für Verunsicherung sorgten zuletzt die KI-Aktien. Sie sind zwar die Zugpferde der aktuellen Rallye, konnten zuletzt aber nicht mehr ganz überzeugen. Ende August legte das Aushängeschild der Branche, Nvidia, seine Quartalszahlen vor. Obwohl das Unternehmen die Erwartungen der Analysten übertroffen hat, reagierte die Wall Street angesichts eines nicht ganz so rosigen Ausblicks verschnupft.

Nvidia-CEO Jensen Huang trägt das Firmenlogo als Tattoo am Oberarm
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Was ist der Grund für den Schnupfen?
In dem Segment ist eben kein Platz für Enttäuschungen, dafür waren die Kursanstiege in der Vergangenheit zu astronomisch. Und die Börsianer fragen sich auch zunehmend, wie lange die Unternehmen noch so ungebremst in eine Technologie investieren werden, die bis dato noch keine Gewinne abwirft.

Das dritte Quartal ist bald vorbei. Was erwartet man denn für die Quartalsergebnisse, sowohl im Bereich Technologie, als auch im breiten US-Markt?
Für das dritte Quartal erwarten die Analysten im S&P 500 ein Gewinnwachstum von 3,9 Prozent. Noch Anfang Juli lag die Schätzung bei 6,9 Prozent. Im nun schon vollständig vorliegenden zweiten Quartal verbuchten die Unternehmen noch einen Gewinnanstieg von 8,9 Prozent. Im Vergleich dazu liefert die Technologie immer noch ein deutlich besseres Ergebnis ab. Dort sollen die Gewinne im dritten Quartal um 10,9 Prozent steigen. Das wäre dann das fünfte Quartal in Folge mit zweistelligem Gewinnwachstum.

Für die Branchenriesen, wie hier Mark Zuckerberg, CEO von Meta, läuft es gut, aber es war schon einmal besser
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Wie geht es den berühmten "Magnificent 7"?
Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google), Facebook (Meta), Tesla und Nvidia sollen im dritten Quartal einen Gewinnanstieg von 17 Prozent verbuchen. Das ist zwar nochmals deutlich besser als der Rest der Technologie, aber auch hier nimmt das Tempo ab. Im zweiten Quartal hatten die 7 Superstars noch ein Gewinnwachstum von 35,2 Prozent vorzuweisen.

Abschließend noch einen Blick nach Europa. Wie sieht es hier mit Zinsen und Gewinnwachstum aus?
Über 80 Prozent der Marktteilnehmer erwarten bei der EZB-Sitzung am 12. September eine Zinssenkung um 25 Basispunkte. Damit hätte die Eurozone dann schon zwei Senkungen erlebt, bevor die US-Notenbank überhaupt zur Tat schreitet. Beim Gewinnwachstum konnte Europa im zweiten Quartal erstmals seit eineinhalb Jahren einen Anstieg verbuchen, und zwar im Ausmaß von 4,3 Prozent.

Wie verhalten sich derzeit die Anleger?
Sie bevorzugen eher defensive Sektoren, wie Versorger oder Gesundheit. Die konjunktursensitiven Branchen, wie etwa die Autohersteller, kamen zuletzt heftig unter die Räder. Auch das Luxussegment leidet, angesichts eines schwachen Konsums in China. Die in Europa stark vertretenen Banken laufen recht gut. Im zweiten Quartal brachten sie es auf einen Gewinnanstieg von immerhin 15 Prozent, die Kurse stiegen im Juli auf ein Neun-Jahres-Hoch. Zuletzt gab es leichte Gewinnmitnahmen.

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre bei einer heimischen Großbank tätig, ist Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und gefragte Spezialistin rund um alle Geldthemen

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