Bis 7.000 Euro Strafe
Wieso Sie in Italien keine Fake-Taschen kaufen sollten
Taschen, Hüte, Gürtel, Schirme: Italiens Polizia macht diesen Sommer in 60 Gemeinden Jagd auf Fälscher-Banden. Bestraft werden auch Käufer. Die ersten Touristen kostete das 600 Euro.
Strandverkäufer gibt es in Italien schon seit Ewigkeiten, sie müssen gekommen sein, kurz nachdem das Meer befüllt worden war. Ebenso lange verbieten eigentlich Gesetze den Verkauf von gefälschter Ramschware und eigentlich weiß das jeder, aber eigentlich kümmerte das bisher niemanden. Aus seltsamen Gründen kauften Touristen immer schon am Strand Ware, von der sie wussten, dass sie gefälscht ist, um daheim damit zu protzen, obwohl jeder wusste, dass der Pradagürtel nicht von Prada, die Hermès-Tasche nicht von Hermès und die Ray-Ban nicht von Ray-Ban ist. Urlaub halt!
Das polizeiliche dolce far niente, das süße Nichtstun also, bekam im Vorjahr ein Ablaufdatum verpasst. Da wurde das "Projekt für sichere Strände" ins Leben gerufen, auf Italienisch klingt das als "Progetto di spiagge sicure" natürlich viel geschmeidiger. Das Innenministerium stellte zwei Millionen Euro zur Verfügung, 60 Küstengemeinden übers gesamte Land wurden ausgewählt, sie sollten in den Kampf gegen die allgegenwärtigen Straßenhändler ziehen. Im Sommer 2024 bekommt das Programm nun einen richtigen Schub.
Die 60 ausgewählten Gemeinden (die Liste gibt es hier) durften keine Provinzhauptstädte sein, nicht mehr als 50.000 Einwohner haben und nicht für ähnliche Projekte schon einmal Geld kassiert haben. Jede erhielt auf Antrag exakt 33.333,33 Euro, in einer Anlage mussten die geplanten Maßnahmen erläutert werden und wie man das Geld zu investieren gedenke. Vorgeschlagen wurde die Einstellung befristeter örtlicher Polizeikräfte, die Leistung von Überstunden durch örtliche Exekutivorgane, der Kauf von Fahrzeugen und Ausrüstung sowie die Förderung von Informationskampagnen zur Sensibilisierung der Verbraucher.
Ein bisschen erinnert das Vorhaben ja an Louis de Funès in "Der Gendarm von St. Tropez". Denn nun werden Razzien durchgeführt. Am 12. Juni etwa koordinierte das Staatspolizeikommissariat von Forte dei Marmi bei Pisa einen Einsatz, der mit Unterstützung der Kriminalpräventionsabteilung von Florenz und vier Beamten der Stadtpolizei durchgeführt wurde.
Neun Autos und ein Bus wurden kontrolliert, dazu 92 Personen, 23 davon waren schon einschlägig vorbelastet. Zwei wurden nach der Amtshandlung aus der Gemeinde zwangsverwiesen. In einem Bus wurden vier Taschen beschlagnahmt, dazu insgesamt 73 gefälschte Stücke der Marken Prada, Gucci, Maison Goyard, Louis Vuitton, Chanel und Hermès.
Das machte Appetit auf mehr und am 30. Juni bot sich um 13.30 Uhr in Forte dei Marmi die einmalige Gelegenheit, den anströmenden Sommerurlaubern zu vermitteln: Mit uns nicht. Eine 45-jähriger Touristin aus Prato wurde dabei ertappt, wie sie einem Strandverkäufer für 20 Euro eine Tasche von Maison Goyard abkaufte. Der Verdacht lag nahe: Die ist nicht echt. Zwei Beamte nahmen der Urlauberin die Tasche ab und brummten ihr eine Strafe von 600 Euro auf, ein Schnäppchen und das noch dazu ein echtes, denn bis zu 7.000 Euro Strafe sind gesetzlich möglich.
Der Verkäufer nutzte den Polizeieinsatz im Strandstaub, um sich aus dem Staub zu machen. Die Beamten betrübte das nicht weiter, bei den Händlern handelt es sich sowieso nur um die kleinen Fische, die Mafia dahinter bekommt man selten zu Gesicht. Die Touristin wurde nicht die einzige Kundin der Polizei. Insgesamt wurden 50 Stück Fälscherware beschlagnahmt, Taschen, Mützen, Brieftaschen, Staubbeutel, Anhänger, Etiketten, sogar 20 Regenschirme. Vertreten waren Marken wie Prada, Céline, Fendi, Dior und Chanel. Für einige Fälschungen konnte man Echtheitszertifikate extra dazu kaufen.
Die Fakes stammen großteils aus China, es gibt längst nicht mehr nur die Ramschware an den Stränden, sondern auch hochwertigere Erzeugnisse in der Preisklasse um die 600 Euro. Die Lieferketten, bei denen das EU-Lieferkettengesetz mutmaßlich nicht vollinhaltlich greifen wird, werden immer professioneller. Verpackung und Logos werden getrennt voneinander verschickt und erst vor Ort miteinander verknüpft, berichtet der "Stern".
Original und Fälschung werden einander immer ähnlicher. Das italienische TV-Satiremagazin "Le lene" machte vor einigen Jahren schon den Test. Eine Reporterin kaufte auf einem Markt eine täuschend echte Chanel Tasche und brachte sie zur Reparatur in ein Chanel-Geschäft (das Video gibt es hier). Die Tasche wurde ohne Wimpernzucken angenommen. "In vier bis sechs Wochen können Sie sie wieder abholen."