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Amerikas Superhelden wird der Marsch geblasen

Superhelden als Konzern-Produkte, die dem Machterhalt der Industrie dienen – das ist der Ausgangspunkt der Anti-Superhelden-Serie "The Boys". Staffel 4 startet ab 13. Juni auf Amazon Prime.

Noch blutiger, noch brutaler, noch besser: Die 4. Staffel der Anti-Superhelden-Serie "The Boys" mit Billy Butcher (Karl Urban), Frenchie (Tomer Kapon) und Mother's Milk (Laz Alonso, v.l.) startet am 13. Juni mit den ersten drei von insgesamt 8 Folgen auf Amazon Prime
Noch blutiger, noch brutaler, noch besser: Die 4. Staffel der Anti-Superhelden-Serie "The Boys" mit Billy Butcher (Karl Urban), Frenchie (Tomer Kapon) und Mother's Milk (Laz Alonso, v.l.) startet am 13. Juni mit den ersten drei von insgesamt 8 Folgen auf Amazon Prime
Jan Thijs/Prime Video
Newsflix Redaktion
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Superhelden sind  d a s  amerikanische Thema schlechthin, der Ur-Mythos der Nation. Nur Western können da noch einigermaßen mithalten. Aber der Superheld, der Gott gleiche Übermensch, der die Gemeinschaft mit seinen Superkräften vor dem Bösen beschützt, ist so amerikanisch wie Coca-Cola, Hotdogs und Baseball. Es ist der bedingungslose Glaube an die eigene Größe und Deutungshoheit, der Superhelden zu den wichtigsten Aushängeschildern Amerikas gemacht hat. Und dann das …

Superhelden als Superschurken Im Sommer 2019 startete auf Amazon Prime die Serie "The Boys", basierend auf einer Comic-Serie des gebürtigen Nordiren Garth Ennis. Seine These: Superhelden sind nichts weiter als faschistoide Psychopathen in Strumpfhosen, die den Menschen mehr schaden als nützen und die es deshalb auszurotten gilt. Und "The Boys", eine Gruppe ebenso entschlossener wie brutaler Superhelden-Gegner (die übrigens nicht nur aus Männern besteht), ist angetreten, um den Plan in die Tat umzusetzen.

Homelander (Anthony Starr) ist der oberste und wichtigste Kämpfer einer  Superheldentruppe namens "The Seven". Er ist eine Mischung aus Superman und Captain America, seine blonde Tolle erinnert nicht zufällig an einen früheren US-Präsidenten. Homelander ist ein Psychopath und Faschist, der buchstäblich über Leichen geht, wenn es seinen Zwecken dienlich ist. Sein Sohn Ryan (Cameron Crovetti) ist entstanden, als Homelander seinerzeit die Ehefrau von Billy Butcher vergewaltigte. Seither sind Butcher und er Todfeinde.
Homelander (Anthony Starr) ist der oberste und wichtigste Kämpfer einer  Superheldentruppe namens "The Seven". Er ist eine Mischung aus Superman und Captain America, seine blonde Tolle erinnert nicht zufällig an einen früheren US-Präsidenten. Homelander ist ein Psychopath und Faschist, der buchstäblich über Leichen geht, wenn es seinen Zwecken dienlich ist. Sein Sohn Ryan (Cameron Crovetti) ist entstanden, als Homelander seinerzeit die Ehefrau von Billy Butcher vergewaltigte. Seither sind Butcher und er Todfeinde.
Jasper Savage/Prime Video

Knallhart, blutig – und sehr witzig Das Konzept ging auf, "The Boys" wurde binnen kürzester Zeit zu einer der am meisten gestreamten und am besten bewerteten Serien auf Amazon Prime. Dabei ist vor allem die visuelle Machart der Serie eigentlich meilenweit weg von dem, was im Streaming-Kosmos breitenwirksam ist. Brutalste Gewaltszenen mit Splatter-Elementen wechseln sich ab mit sexuellen Darstellungen, die weit weg von allem sind, was sich sonst in dersrtigen Prestige-Serien findet. Das ganze wird gekrönt von einem Zynismus, der seinesgleichen sucht.

Und trotzdem gehört "The Boys" mit zum Besten, was derzeit im Serien-Kosmos zu finden ist. Das liegt – auch – am (derben) Humor und den feinsinnigen politischen Betrachtungen und Anspielungen, mit denen die Serie die amerikanische Gegenwart aufs Korn nehmen. Nun startet Staffel 4 von "The Boys" – und es ist zu erwarten, dass die Serien-Macher nochmals eines drauf setzen.

Worum geht es in "The Boys"? Ohne zu viel verraten und entscheidende Twists spoilern zu wollen, lassen sich die ersten drei Staffeln von The Boys" so zusammenfassen: Die USA werden beherrscht von einem weltumspannenden Super-Konzern namens Vought, der nicht nur Waffen herstellt und das größte Medienkonglomerat des Landes führt, sondern der auch Superhelden "herstellt". Denn diese stammen in "The Boys" nicht etwa von fremden Planeten oder wurden von radioaktiven Spinnen gebissen, sondern sind das Resultat eines regelrechten Zuchtprogramms, das der Konzern seit Jahrzehnten betreibt.

Superhelden-Zuchtprogramm Babys wird dabei ein Serum verabreicht, das in ihnen Superkräfte ausbildet. Welche das sind, ist allerdings im Vorhinein nicht klar und erschließt sich erst langsam. Die Bandbreite der so "erzeugten" Superhelden ist riesig und deckt das gesamte Spektrum der herkömmlichen Superhelden-Comics ab. Diese Superhelden werden von Vaught auf einer eigenen Universität ausgebildet und gemäß ihren Fähigkeiten eingeteilt. Die weniger tauglichen werden gegen Bares an diverse Städte zur Verbrechensbekämpfung vermietet, die (auch medial) fähigeren werden für größere Aufgaben herangezogen.

Black Noir (Nathan Mitchell) und The Deep (Chace Crawford) sind zwei der sieben Super-Superhelden von "The Seven", die die oberste Liga im Superhelden-Business bilden
Black Noir (Nathan Mitchell) und The Deep (Chace Crawford) sind zwei der sieben Super-Superhelden von "The Seven", die die oberste Liga im Superhelden-Business bilden
Jasper Savage/Prime Video

Champions League In der obersten Liga der Superhelden dienen die sogenannten "Seven", die in der gleichnamigen Gruppe vereint sind. Uneingeschränkter Herrscher dieser "Seven" ist Homelander, ein Psychopath und Faschist, der im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht, wenn es seinen Zielen dienlich ist. Er ist optisch und von seinen Kräften her eine Mischung aus Superman und Captain America, seine Co-Helden fürchten ihn und seine gelbblonde Haartolle erinnert nicht zufällig an einen früheren US-Präsidenten.

Das sind "The Boys" Angeführt werden "Die Jungs" von Billy Butcher. Seine Ehefrau wurde vor Jahren von Homelander vergewaltigt und verschwand daraufhin spurlos. Aus diesem Grund hat es sich Butcher zur Lebensaufgabe gemacht, alle Superhelden zu vernichten. Dabei erhält er Unterstützung von einer bunten Truppe aus Männern und Frauen, die alle ihre eigenen schmerzvollen Erfahrungen mit dem Superhelden-Regime in de USA gemacht haben. Da aber "The Boys" – bis auf zwei Ausnahmen – keine Superhelden mit Superkräften sind, müssen sie Mittel und Wege finden, wie sie sich gegen die getunten Helden durchsetzen können.

Superheldin außer Dienst, aber noch bei Kräften: Starlight (Erin Moriarty) war zunächst Mitglied der "Seven", schloss sich dann aber den "Boys" an
Superheldin außer Dienst, aber noch bei Kräften: Starlight (Erin Moriarty) war zunächst Mitglied der "Seven", schloss sich dann aber den "Boys" an
Jan Thijs/Prime Video

Darum geht es in Staffel 4 (Achtung, Spoiler!) Wer die ersten Staffeln noch nicht gesehen haben sollte, lässt die nächsten beiden Absätze besser aus. In Staffel 4 wird Butcher bewusst, dass er durch den Konsum des temporären Superhelden-Serums "V" nur noch wenige Monate zu leben hat. Gleichzeitig findet sich endlich eine Möglichkeit, wie die "Boys" den Superhelden beikommen könnten – nämlich mittels eines Virus, das Superhelden zu töten vermag (hier knüpft Staffel 4 an die neue Serie "Generation V" an, die das "The Boys"-Universum seit 2023 ergänzt und eine Parallelgeschichte zur Handlung erzählt).

Keiner bleibt ungeschoren Gleichzeitig geraten die Dinge im Land immer mehr außer Kontrolle, im Zuge der Präsidentenwahl kommt eine (unerkannte) Superheldin ins Weiße Haus, womit der Konzern Vaught noch mehr Macht bekommt, als er ohnedies bereits hat. Auch zwei ganz neue Superheldinnen treten auf den Plan, Fire Cracker und Sister Sage, die beide als Kommentare auf gesellschaftliche Umwälzungen in den USA verstanden werden können. Alles in allem wird die Handlung noch einmal breiter und damit weniger übersichtlich, gleichzeitig gelingt es den Serienschöpfern aber hervorragend, die Haupt-Geschichte im Fokus zu behalten.

Die Kommandozentrale der "Seven" in Vought-Wolkenkratzer: Das Deckengemälde erinnert nicht von ungefähr an klassizistische Götterdarstellungen
Die Kommandozentrale der "Seven" in Vought-Wolkenkratzer: Das Deckengemälde erinnert nicht von ungefähr an klassizistische Götterdarstellungen
Jasper Savage/Prime Video

Phänomen "The Boys" Serienschöpfer Eric Kripke ist es mit "The Boys" gelungen, aus einem harten, sarkastischen und ziemlich räudigen Comic eine Hochglanz-Serie zu machen, die trotz ihrer Massenkompatibilität nichts von ihrer Schärfe und Kompromisslosigkeit eingebüßt hat. Die Splatter-Szenen dienen hier niemals der reinen Unterhaltung, sondern können als Kommentare auf eine stetig zunehmende Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber der Brutalität und Grausamkeit der Zeit gelesen werden.

Wohin geht Amerika? Die gegenwärtige gesellschaftliche Zerrissenheit der USA sind die wichtigste Grundlage des "The Boys"-Universums. Alltags-Faschismus und der Glaube an Übermenschen ist in Amerika (aber nicht nur dort) breiter gestreut, als man es vielleicht wahrhaben mag. Und was dabei gerne vergessen wird: Wo es Übermenschen gibt (oder danach gesucht wird), gibt es zwangsläufig auch als solche gesehene Untermenschen. Insofern ist die Serie ein nicht zu unterschätzender Kommentar zur allgemeinen Lage in der immer noch stärksten Nation der Welt, die sich gerade auf einem gefährlichen Selbstfindungstrip befindet.

Eine psychopathische Superheldin im Weißen Haus? In "The Boys" ist das keine Phantasie mehr
Eine psychopathische Superheldin im Weißen Haus? In "The Boys" ist das keine Phantasie mehr
Jan Thijs/Prime Video

"The Boys" geht weiter Der Erfolg von "The Boys" hat bereits zu einer Spin-Off-Serie geführt – "Generation V" startete 2023 auf Amazon Prime großartig, Staffel 2 wird gerade produziert. Und noch bevor Staffel 4 von "The Boys" anlief, wurde bereits bekannt gegeben, dass Staffel 5 von Amazon fixiert worden ist – damit soll die Serie dann auch ihren Abschluss finden. Aber es ist bereits ein weiteres Spin-Off in Arbeit: "The Boys: Mexico" wurde ebenfalls vor kurzem bestätigt und soll die Idee der Serie nach Mexiko transferieren. Sieht so aus, als hätten die Schöpfer der derzeit blutigsten Serie im Streaming-Kosmos noch einige Pfeile im Köcher.

"The Boys", Staffel 4, USA 2024, 8 Folgen à ca. 50 Minuten, die ersten 3 Folgen ab 13. Juni, danach jeden Donnerstag eine weitere Folge auf Amazon Prime

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