stabhochsprung-weltrekord
Der Moment, in dem Olympia zum Abbusseln war
6,25 Meter, das ganze Stadion nur für sich, alle Konkurrenten als Einklatscher, dann schaffte Armand Duplantis das Wunder: Weltrekord. Wer ist der smarte Amerikaner mit französischem Vornamen, der für Schweden startet?
Leichtathleten, ein eigener Menschenschlag. Ein bunter Mix aus den unterschiedlichsten Persönlichkeiten, eine Oberstufen-Schulklasse. Da gibt es die Sprinter, Ego-Shooter, austrainiert optisch meist fein hergemacht. Solisten, denen das Selbstbewusstsein nur so an den Laufschuhen klebt. Da ist oft viel Show und Pathos dabei. "Ich habe Asthma, Allergien, Legasthenie, ADS, Angstzustände und Depressionen", schrieb Noah Lyles nach seinem Sieg über die 100 Meter auf X. "Aber ich sage dir: Was du hast, definiert nicht, was du werden kannst. Warum nicht du?"
Dann sind da die Kraftlackeln, männlich wie weiblich, die zeigen, wo der Hammer hängt, manchmal auch mit Diskus oder Speer. Meistens eher rustikal im Körperbau, oft ein bisschen einsilbig und tendenziell gutmütig. Die "Bärchen" sind Familienmenschen, sie wettkämpfen in der Gruppe und fallen sich am Ende um den Hals, oft weiß man gar nicht, wer gewonnen hat.
Die Langstreckenläufer leben in einer ganz eigenen, vergeistigt wirkenden Welt. Es gibt sie als Einzelgänger und Gruppen. Hagere Personen, die wirken als wären sie vom Teufel verfolgt. Legendär auch diesmal bei Olympia die ORF-Interviews,^ etwa mit Siegerin Beatrice Chebet und der Dritten Sifan Hassan nach dem 5.000-Meter-Finale. Ein Wortschwall, das meiste unverständlich, der Reporter wusste nicht, was übersetzen. Nur "Thank you" beim Abgang war klar und deutlich.
Und dann gibt es noch die Springer. Der Hochsprung ist eine Kunst, der Stabhochsprung allerdings eine eigene Kunstgattung. Dafür ist eine sogenannte Komplexleistung nötig, also die Verschmelzung von zwei oder noch mehr Fertigkeiten, die für einen Menschen oft nur schwer unter einen Hut – oder einen Stab – zu bringen sind.
"Komplexleistung" Stabhochsprung Beim Stabhochsprung sind das Kraft, Schnelligkeit, körperliche Flexibilität und physikalisches Verständnis. Dazu kommt noch die Technik-Komponente, das Material, mit dem die Sportler arbeiten. Und so vielschichtig die Anforderungen für den Erfolg, so komplex sind auch die Typen, die man in diesem Sport findet. Erfolgreiche Stabhochspringer sind meistens smart und sehr schnell im Kopf. Und auf keinen trifft das derzeit mehr zu als den für Schweden startenden Armand Duplantis.
Der Fabel-Mann Sein Weltrekord über 6,25 Meter Montag Nacht im Stade de France in Paris war der Gänsehautmoment der bisherigen Olympischen Spiele. Eigentlich waren alle Wettkämpfe längst vorbei, alle Siegerehrungen abgeschlossen – doch keiner der 77.000 Zuschauer wollte heimgehen. Denn Armand Duplantis, den alle Welt "Mondo" nennt, hatte zwar seine Goldene längst fix, doch er wollte noch mehr. Den Weltrekord – der lag bis dahin bei 6,24 Meter, aufgestellt von ihm selbst am 20. April dieses Jahres in Xiamen in China.
Zum ersten, zum Zweiten, … Also nahm "Mondo" zunächst die 6,10 Meter und ließ die Latte danach gleich auf 6,25 Meter legen. 77.000 Zuseher starrten gebannt auf den 1,81 Meter großen Schlacks, sein Konkurrent, der Amerikaner Sam Kendricks (holte Silber) machte den Einklatscher. Erster Versuch, gerissen. Zweiter Versuch, mit den Beinen im letzten Moment abgeräumt. Dritter Versuch …
Weltrekord! Armand Duplantis überquerte die Latte so elegant und geschmeidig, als hätte er es schon dutzende Male über diese Höhe geschafft. Nicht wenigen Zusehern kam der Gedanke, die ersten beiden Versuche wären absichtlich daneben gegangen, um die Spannung zu steigern. Kann sein, ist aber egal. Es war die Show von Paris, es gab kein Halten mehr. Wenn 77.0000 Zuseher und so gut wie alle Konkurrenten einen einzigen Mann feiern, dann geht die Post ab. Sogar der schwedische König Carl Gustav und Ehefrau Silvia waren aus dem Häuschen. Und Armand Duplantis mit einem Schlag einer der bekanntesten Sportler der Welt – über den man aber bisher nur relativ wenig weiß. Dabei ist er für einen Stabhochspringer ein ziemlich bunter Hund. Die Fakten:
Grundsätzliches – wer ist Armand Duplantis?
Am 10. November 1999 in Lafayette, US-Bundesstaat Louisiana, geboren. Seine Eltern sind der ehemalige US-Stabhochspringer Greg Duplantis (persönliche Bestleistung: 5,80 m) und ehemalige schwedische Siebenkämpferin und Volleyballspielerin Helena Hedlund. Er hat zwei ältere Brüder, Andreas und Antoine, beide ebenfalls ehemalige Stabhochspringer, Antoine außerdem als Baseballspieler sehr erfolgreich, sowie eine jüngere Schwester, Johanna. Armand trägt den Spitznamen "Mondo" und wird von fast allen so genannt.
Warum tritt "Mondo" für Schweden an, wenn er in den USA geboren worden ist?
Aufgrund der Nationalität seiner Mutter hat Armand beide Staatsbürgerschaften und entschied sich irgendwann, für Schweden zu starten, um den knallharten US-Ausscheidungskämpfen in der Leichtathletik, den sogenannten Trials, zu entgehen. Zu diesem Zweck nahm Armand eigens Sprachunterricht, um sein Schwedisch aufzubessern. Mittlerweile kann er auch Interviews auf Schwedisch geben.
Warum Stabhochsprung?
Family Business. Vater Greg, führte alle seine Söhne an den Sport heran, im Garten des Hauses baute er eigens eine Hochsprunganlage, damit jederzeit daheim trainiert werden konnte. Alle waren talentiert, aber bei Armand war bald zu sehen, dass er ein Jahrhunderttalent ist. Er begann bereits mit drei Jahren mit einem Besenstil aufs Wohnzimmersofa zu springen. Seither hat er nie mehr damit aufgehört.
War er immer schon erfolgreich?
Ja, "Mondo" hielt bereits mit 13 Jahren sieben Altersgruppenweltrekorde. 2020 gelang ihm mit 6,17 Meter erstmals der Weltrekord – und er gab ihn seither nicht wieder her, sondern steigerte sich Zentimeter für Zentimeter auf seine aktuelle Bestleistung. Er ist mit seinem Sieg in Paris auch bereits Doppelolympiasieger - auch 2021 in Tokio holte Armand Duplantis Gold, allerdings mit vergleichsweise unspektakulären 6,02 Metern.
Wer ist die Blondine, die dem neuen alten Olympiasieger gar so herzlich gratulierte?
Seine Freundin Desiré Inglander. Das schwedische Model ist seit 2020 mit "Mondo" zusammen, nachdem sich die beiden in Stockholm auf einer Mittsommar-Party kennengelernt hatten.
Warum wird Armand in den Medien und auf Social Media so gehypt?
Weil er nicht nur extrem erfolgreich ist, sondern auch schlagfertig und smart. Im Vergleich mit den üblichen Sportler-Interviews sind Gespräche mit dem 24-jährigen Feschak tatsächlich oft nicht nur witzig, sondern fast schon philosophisch. Seinen 6,25-Meter-Weltrekordsprung bezeichnete er etwa danach als "außerkörperliche Erfahrung" …
Weshalb ist der US-Schwede sportlich so erfolgreich?
Das hat mehrere Gründe. Einerseits war es sicher von Vorteil, dass der Bub bereits mit drei Jahren begann, die grundlegenden Bewegungsabläufe beim Stabhochsprung spielerisch zu trainieren. Dazu kommt, dass seine Athletik Kraft, Geschwindigkeit und Flexibilität perfekt in Einklang bringt. Auch seine Sprungtechnik gilt unter Experten als nahezu perfekt. Und nicht zuletzt ist "Mondo" eine coole Socke, die auch in Stress-Situationen ruhig und konzentriert bleibt.
Wie und wo trainiert Armand Duplantis?
Während des Sommer lebt und trainiert er in Kopenhagen und tritt vor allem bei den europäischen Freiluftbewerben an. In der Winter- sprich Hallensaison geht er zurück nach Louisiana, um dort zu trainieren.
Wird es jetzt mit den Weltrekorden so weiter gehen?
Ja, aber auch weiterhin nur zentimeterweise. Denn die Spitze des Sports ist bereits so sehr ausgereizt, dass es Weiterentwicklungen nur mehr in kleinsten Nuancen geben kann. Etwa beim Stab aus Glas- oder Kohlefaser, der gleichzeitig biegsam und fest sein muss, um die Athleten optimal in die Höhe katapultieren zu können. Auch was die körperliche Belastbarkeit der Athleten betrifft, ist das Mögliche bereits ziemlich ausgereizt. Denn einerseits benötigen die Wettkämpfer große Kraft und müssen auch schnell laufen können, andererseits dürfen sie nicht zu schwer sein. Hier die perfekte Mischung zu finden bzw. sich anzutrainieren ist extrem kompliziert.