US-Experte
"Amtszeit von Trump wird nicht länger als zwei Jahre dauern"
Amerika hat gewählt und die Welt staunt. Warum US-Experte Eugen Freund nicht überrascht war. Welche Gründe er sieht, weshalb Donald Trump trotz aller Skandale gewählt wurde. Wieso er glaubt, dass er nicht vier Jahre durchhalten wird.
Eugen Freund hat elf Jahre in den USA gelebt, er hat noch viele Freunde da. Und er sagte schon Monate vor dem Rücktritt, dass Joe Biden nicht mehr zur Wahl antreten wird. Das Podcast-Interview über die Wahl und ihre Hintergründe. Eugen Freund über:
Wann ihm klar war, dass Trump gewinnen wird
Ich habe zwei Tage vor der Wahl damit begonnen, meinen Analyse-Artikel für Newsflix zu schreiben. Ich habe einen geschrieben, dass Trump gewinnt, einen, dass man es noch nicht weiß. Ich habe keinen über Kamala Harris geschrieben.
Warum?
Bauchgefühl.
Das Podcast-Interview: Trump, und was jetzt?
Warum er so überzeugt war
Überzeugung war es ja nicht, sondern ein Gefühl, dass es so kommen muss.
Welche Gründe es dafür gab
Unterschiedlichste. Einer war, dass die demokratische Partei große Schwierigkeiten gehabt hat, einen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Bis Mitte Juni hieß es, es wird auf jeden Fall Joe Biden.
… von dem er nicht überzeugt war
Ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass ich schon im November 2023 die Vorahnung gehabt habe, dass Biden zurückziehen wird.
… was ich offen gestanden, für ein bisschen verrückt gehalten habe
Es war auch Bauchgefühl. Es hat schon was, wenn man viele Jahre in Amerika verbringt. Man bekommt halt auch ein Gefühl, für die Verhältnisse und das, was eventuell kommen mag.
Warum der Biden-Ausstieg ein Problem war
Die demokratische Partei hatte nur 16 Wochen, in denen sich die Kandidatin präsentieren konnte. Und wenn man weiß, dass amerikanische Wahlkämpfe eineinhalb Jahre, manchmal zwei Jahre dauern, dann kann man schon sehen, dass das eine sehr kurze Zeit ist.
Was seine Bekannten und Freunde in den USA sagen
Es hat niemand wirklich gewusst, es wollte sich niemand festlegen. Ich habe eine besonders enge Freundin, eine Anwältin, die mir vorgestern noch geschrieben hat, dass sie wieder Wahlbeobachterin wird, in Lancaster, Pennsylvania. Und die hat von Trump immer nur als Hohlkopf gesprochen. Aber es hat nichts genützt.
Warum er das Wahlergebnis als Tragödie bezeichnet hat
Das hat mehrere Gründe. Einmal liegt es ganz sicher in der Person Donald Trump. Wenn man seinen Wahlkampf mitverfolgt hat, dann ist man doch zu dem Eindruck gekommen, dass da hier eine sehr instabile Person dahintersteckt. Und das ist natürlich keine gute Voraussetzung für einen Präsidenten der Weltmacht USA.
Der zweite Grund
Trump ist in den letzten Wochen und Monaten immer erratischer geworden. Er hat Wahlkampfauftritte abgehalten, wo man überhaupt nicht erkennen konnte, was das eigentlich mit den Wahlen zu tun hat. Ich erwähne nur den Penis von Arnold Palmer, dem bekannten Golfspieler. Oder dass die illegalen Einwanderer jetzt unsere Katzen und Hunde essen.
Wieso die Amerikaner so jemanden wählen
Das kommt nicht von mir, aber: "It's the economy, stupid!" Also man wählt nicht den, der dafür verantwortlich ist, dass die Economy nicht so ausgefallen ist, wie es mir als Amerikaner recht wäre. Das ist Kamala Harris auf den Kopf gefallen.
Obwohl die Wirtschaftsdaten nicht schlecht sind
Aber wenn die Inflation von 9 Prozent auf 2 Prozent runter geht, heißt das ja nicht, dass die Lebensmittel- und die Gaspreise dann gesunken sind. Das haben wir auch hier gesehen. Das ist sicher ein ganz wesentliches Argument dafür, dass Harris verloren hat. Als Mitglied der Regierung musste sie da den Kopf hinhalten.
Welche weiteren Gründe es gibt
Trump hat so gesprochen, wie viele Leute denken, aber es sich nicht zu sagen trauen. Und ich füge dann immer hinzu, solange ihre Kinder noch auf sind. Wenn die Kinder dann im Bett sind, dann reden sie eh genauso wie Trump.
Ob er das bewusst macht und provozieren will
Ich weiß nicht, ob ihm irgendetwas bewusst ist. Er ist ja auch ein Entertainer und da gehört das dazu.
Ob das Wahlprogramm von Kamala Harris zu dünn war, Migration etwa kam gar nicht vor
Ja, auf der anderen Seite, wer liest schon Wahlprogramme? In Wirklichkeit ist das immer ein schönes Papier. Es liegt dann im Kofferraum vom Auto und am Ende landet es im Müll.
Ob er das als Politiker auch selbst erlebt hat
Ich weiß es aus meinem eigenen Wahlkampf. Was wir da alles produziert haben und am Ende kam dann immer nur ein Satz am Plakat raus, der mir eh nicht gut gefallen hat. Ich habe ihn Gott sei Dank auch schon vergessen.
Warum Kamala Harris eine Wahl in Europa klar gewonnen hätte
Ich glaube mit 69 Prozent, sagen die Umfragen. Es ist eine völlig andere Bevölkerung. Eine andere Kultur.
Wie Trump II wird
Unberechenbar ist das Wort, das mir in diesem Zusammenhang als erstes einfällt. Das zweite ist, dass er heute in seiner Rede, als er noch nicht einmal ganz Präsident war, gesagt hat, er werde alle Versprechen, die im Wahlkampf abgegeben hat, auch halten.
Was das bedeutet
Wenn man sich die radikalsten Versprechen durchliest, dass er seine "inneren Feinde" einsperren wird, ich weiß jetzt gar nicht, ob mit Gerichtsverfahren oder ohne. Dass er acht Millionen illegale Einwanderer deportieren wird, da habe ich schon echt Sorge. Wie soll denn das passieren? Wird da denunziert, so wie das bei uns in den 30er Jahren mit den Juden passiert ist? Und werden die dann alle abgeschoben? In Viehwaggons? 8 Millionen, das ist etwa die Zahl der Juden, die umgebracht worden sind.
Was die Folgen der Wahl für die Ukraine sein werden
Trump hat auch angekündigt, dass er den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden wird. Das schaue ich mir erst einmal an. Das heißt, dass er Putin erlauben wird, sich das alles zu nehmen, was er bis jetzt erobert hat.
Was die Konsequenzen für Europa sind
Trump hat mit Viktor Orbàn schon einen Gefährten, der ihm sehr vertraut ist. Die Polen haben mit Donald Tusk auch einen Staatsmann, der eher auf der Seite von Donald Trump ist. Also wird er da versuchen, wieder einen Keil in die EU hineinzutreiben. Er plant auch Sonderzölle auf alle importierten Waren einzuführen. Das deutet auch nicht gerade darauf hin, dass es da ein sehr enges Einvernehmen mit den Europäern sucht.
Was Trump für den Nahen Osten plant
Da haben sich schon so viele Präsidenten die Finger verbrannt. Ich glaube, da wird sich auch Donald Trump nicht durchsetzen können.
Was mit dem Klimaschutz passiert
Trump hat heute schon erwähnt, dass die USA die größten Hersteller von Öl und Gas sind. Also stärker als Russland, stärker als Saudi-Arabien. Das wird er beibehalten wollen. Ob das in allen Bundesstaaten wirklich so gehen wird, ist eine andere Frage. Weil die Bundesstaaten da schon einigermaßen autark sind. Ich erinnere mich an bleifreies Benzin. Das hat es in Kalifornien als Erstes gegeben, bevor es nach Europa gekommen ist.
Aber Klimaschützer wird aus Trump keiner mehr …
Er wird weiterhin ein Digger bleiben, also einer, der gräbt und gräbt, was immer dann aus der Erde herauskommt.
Ob der Trump-Sieg auch ein Medienversagen war
Also im Großen und Ganzen glaube ich schon, dass die Medien ihren Job gemacht haben. Aber es ist so, dass die Mehrheit der Wähler, die ihnen unterstützt haben, diese Medien gar nicht mehr wahrnehmen. Keiner von denen liest die "New York Times". Die wenigsten schauen sich jetzt noch auf CBS, NBC oder ABC die Nachrichten an, die haben entweder Fox zu Hause oder nutzen abstruse Kanäle.
Warum dann der amtsunfähige Biden nie als amtsunfähig bezeichnet wurde
Ja, aber dieses Verschweigen ist offenbar in der amerikanischen Geschichte so festgeschrieben. Denken wir zurück: Roosevelt im Rollstuhl, Kennedy mit den Frauen und gleichzeitig mit seinen Rückenproblemen, es wurde alles totgeschwiegen.
Ob Trump die vollen vier Jahre durchhält
Ja, also ich lehne mich jetzt auch wieder weit aus dem Fenster und sage, die Amtszeit wird nicht länger als zwei Jahre dauern. Dann kommt J .D. Vance und was dann kommt, das will ich mir gar nicht ausmalen.
Warum?
Er ist natürlich intellektuell Trump weit voraus. Aber ob das ein besonderer Vorteil ist, ist noch nicht entschieden.
Ob Trump zurücktreten wird
Es wird sehr schwer sein, ihn loszuwerden. Wir erinnern uns an unsere Väter oder Großväter, denen wir gesagt haben, du darfst nicht mehr Auto fahren. Wir müssen jetzt den Schlüssel wegnehmen. Die waren so überzeugt, dass sie Auto fahren können. Jetzt versuchen Sie das mit einem amerikanischen Staatspräsidenten!
Eugen Freund war Moderator der ZiB 1, lebte von 1979 bis 1984 in New York und war von 1995 bis 2001 in Washington als ORF-Korrespondent tätig. Er war Teil der SPÖ-Delegation im Europa-Parlament und ebendort Mitglied der USA-Delegation (2014-2019)