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Hollywood statt Ukraine-Konferenz: Biden sagt Schweiz ab

Ab 15. Juni wollen die Regierungschefs der Welt in der Schweiz über die Zukunft der Ukraine reden. Ab nun ist fix: der US-Präsident kommt nicht. Und plötzlich fehlen 5,1 Milliarden Euro.

US-Präsident Joe Biden mit einem Helm der Kansas City Chiefs, Super Bowl Champion 2024
US-Präsident Joe Biden mit einem Helm der Kansas City Chiefs, Super Bowl Champion 2024
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Christian Nusser
Akt. Uhr
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Als Friedenskonferenz wurde das Treffen zwar vollmundig angekündigt, geplant war das aber von Anfang an nicht so: Weil Russland gar nicht eingeladen werden sollte (auf Wunsch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj) und ein Friedenspakt ohne Kriegsverursacher am Tisch wenig bringt. Nein, in der Schweiz sollte vor allem über den Wiederaufbau der Ukraine geredet werden, wo das Geld dafür herkommen soll und die Regierungschefs wollten sich darüber austauschen, welchen Ausweg sie aus der Krise sehen.

Die Vorbereitungen für den Gipfel aber gestalten sich zäh, weil immer mehr relevante Nationen der Schweiz einen Korb geben. 160 Länder wurden eingeladen, etwas über der Hälfte hat bisher versprochen zu kommen, aber es gab auch Absagen, die schmerzen. Das müssen Sie über die Friedenskonferenz wissen:

Warum jetzt auch Joe Biden absagte
Mit dem US-Präsidenten hatten viele fix gerechnet, verbindlich zugesagt hatte er nie. Unmittelbar vor der geplanten Konferenz findet vom 13. bis 15. Juni in Borgo Egnazia (Apulien, Italien) das Gipfeltreffen der G-7 statt, also der sieben (früher) führenden Industrienationen. Da ist Biden dabei und man dachte eigentlich, dass er danach den Hupfer in die Schweiz machen würde. Tut er aber nicht. Er schickt stattdessen Vizepräsidentin Kamala Harris, eine deutliche diplomatische Abwertung des Treffens. "Erlaubt" ist das, die Einladung lässt zu, dass Länder "nur" Außenminister oder Diplomaten entsenden.

Blick auf das Schweizer Luxushotel Bürgenstock bei Luzern am Vierwaldstättersee
Blick auf das Schweizer Luxushotel Bürgenstock bei Luzern am Vierwaldstättersee
Bürgenstock Hotel AG

Was Biden wichtiger ist als die Ukraine
Ein Spenden-Event in Los Angeles, das zur gleichen Zeit, am 15. Juni nämlich, stattfindet. Es ist hochrangig besetzt. Talkshow-Star Jimmy Kimmel moderiert eine Diskussion zwischen Biden und Vorvorgänger Barack Obama. Julia Roberts und George Clooney kommen, Robert De Niro hat sich angesagt. Es geht um viel Geld. Bei einem von Obama in der Radio City Music Hall in New York organisierten Event, bei dem auch Bill Clinton dabei war, wurden 26 Millionen Dollar an Spenden eingesammelt. Nach der Verurteilung von Donald Trump ist es für Biden besonders wichtig zu zeigen, dass Amerika an ihn glaubt und ihm Geld zusteckt.

Welche spezielle Rolle Clooney und Roberts spielen
Sie sollen Spenden von der Basis abholen, also abseits der Millionäre und Milliardäre. Dafür werden die beiden Stars aus " Ocean's Eleven" beim Event in L.A. auf allen Social-Media-Plattformen der Biden-Kampagne präsent sein, sie verschicken in ihrem Namen auch E-Mails und Textnachrichten.

Wieso nicht nur der US-Präsident fehlt
Russland ist von Haus aus nicht eingeladen (obwohl die Schweiz das gerne gesehen hätte), Brasilien und Südafrika (aus Verbundenheit mit Russland) haben abgewunken. Immerhin Indien ist vertreten (ob Premier und Wahlsieger Modi kommt, ist allerdings unklar). Bitter aber: Am Wochenende sagte auch China ab. "Die Beschaffenheit des Treffens entspreche nicht den chinesischen Anforderungen und den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums. Für Putin ist die Absage ein Triumph.

Warum der Ukraine-Konferenz auch Geld abhanden kam
Bei der Ankündigung des Treffens hatte die Schweiz in Aussicht gestellt, 5,1 Milliarden Euro in den Wiederaufbau der Ukraine zu stecken. So einfach stellte sich das aber nicht dar, denn in der Schweiz steht die Schuldenbremse nach einer Volksabstimmung 2001 im Verfassungsrang. Und das, obwohl die Schweiz eine sehr moderate Schuldenquote von nur 30 Prozent hat (Österreich 77,8 Prozent). Also schnürte die Regierung ein Paket aus zusätzlichen Finanzmitteln für die Armee in Höhe von 10,3 Milliarden Euro und eben der Ukraine-Hilfe, alles in allem also 15,3 Milliarden Euro. Am Montag aber sagte der Ständerat, die mächtige Länderkammer, Nein zum Vorhaben. Es ist vom Tisch.

US-Präsident Joe Biden, gefolgt von seinem Sohn Hunter, bei einer Radtour am 1. Juni 2024
US-Präsident Joe Biden, gefolgt von seinem Sohn Hunter, bei einer Radtour am 1. Juni 2024
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Wann die Konferenz stattfindet
Am 15. und 16. Juni 2024.

Wo konferiert wird
Auf dem Bürgenstock, exakt im "Bürgenstock Resort Lake Lucerne" mit Blick auf den Vierwaldstätter See, den Luzerner Hausberg Pilatus (2.128 Meter) und mit etwas Wetterglück auf das Jungfraumassiv (4.158 Meter). Der Hotelkomplex liegt acht Kilometer Luftlinie von Luzern entfernt.

Wer zur Konferenz eingeladen wurde
Angesprochen wurde die "Executive-Ebene", also Regierungschefs. Über 160 Delegationen wurden eingeladen. Darunter Mitglieder der G7, der G20, der Brics-Staaten, zahlreiche weitere Länder aus allen Kontinenten sowie die EU, drei internationale Organisationen (UNO, OSZE und Europarat) und zwei religiöse Vertreter (Vatikan und der Patriarch von Konstantinopel).

Wer eingeladen hat
Offiziell die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd, die Abwicklung obliegt aber dem Außenministerium, das in der Schweiz etwas eleganter "Aussendepartement" (EDA) heißt.

Wie Österreich eingeladen wurde
Am 9. April war Bundespräsidentin Viola Amherd zu Besuch bei Alexander Van der Bellen in Wien. Dabei informierte sie Österreichs Bundespräsidenten informell über die Konferenz, die tags darauf verlautbart wurde. Am 2. Mai wurde offiziell mit der Verschickung der Einladungen begonnen, es handelt sich um einen diplomatischen Prozess, er erstreckt sich über mehrere Tage. Am 6. Mai wurden der ukrainische und der Schweizer Botschafter im Kanzleramt in Wien vorstellig und übergaben die offizielle Einladung.

Wer für Österreich hinfährt
Bundeskanzler Karl Nehammer. Es handelt sich um das Wochenende nach der EU-Wahl.

    Blick auf das Schweizer Luxushotel "Bürgenstock" bei Luzern am Vierwaldstättersee
    Blick auf das Schweizer Luxushotel "Bürgenstock" bei Luzern am Vierwaldstättersee
    Bürgenstock Hotel AG
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    Was man über den Tagungsort wissen muss
    Es ist vor allem eine riesige Anlage auf 60 Hektar (rund 84 Fußballfelder) aus zwei Luxushotels, errichtet ab 1873, mehrfach renoviert. Der Komplex wirkt wie ein Kreuzfahrtschiff, hat zehn Restaurants und Bars, zwei Spas, 30 Veranstaltungsräume, Platz für 600 Gäste. Das klassische Palace Hotel wurde 1903 gebaut, vor wenigen Jahren renoviert, verfügt über 109 Zimmer (bis 120 Quadratmeter). Das neu errichtete "Bürgenstock Hotel & Alpine Spa" hat 102 Zimmer und Suiten, die größte misst 678 Quadratmeter. Für Schwindelfreie gibt es einen Aussichtsturm in 1.132 Metern Höhe.

    Was die Zimmer kosten
    Unter 1.000 Euro die Nacht geht fast nichts. Ein klassisches Zimmer mit Blick auf den Vierwaldstättersee gibt es für 1.600 Euro, alles noch ohne Steuer und Gebühren.

    Wem die Anlage gehört
    Bis 2008 übernahmen schrittweise Investoren aus dem Emirat Katar die Eigentümerschaft. Seit 2012 ist die Katara Hospitality Switzerland AG Betreiber.

    Wofür die Hotels am Bürgenstock bekannt sind
    Dass sie im Lauf ihrer Geschichte viel Glamour hatten. Politiker von Konrad Adenauer abwärts verbrachten hier ihre Sommerfrische, Jimmy Carter und Henry Kissinger nächtigten vor Ort. Der indische Ministerpräsident Nehru Jawaharlal Pandit stieg mit seiner Tochter Indira Gandhi ab, traf 1953 auch Österreichs Außenminister Karl Gruber. Audrey Hepburn und Mel Ferrer heirateten 1954 in der Kapelle auf dem Hügel. Sophia Loren und ihr Mann Carlo Ponti lebten sieben Jahre in einem Chalet – aus pragmatischen Gründen, Ponti war frisch geschieden, Scheidungen in Italien aber nicht erlaubt, er galt also in seiner Heimat als Bigamist, berichtet die "NZZ". "James Bond" Sean Connery schlief eine Nacht hier, als er "Goldfinger" drehte.

      Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
      Tradition am Korrespondenten-Dinner: Man lacht über sich und über andere
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      Wie man hinkommt
      Mit so gut wie allem. Es gibt einen Hubschrauber-Landeplatz auf der Anlage, der frühere Militärflugplatz Buochs liegt in der Nähe und kann für Privatflugzeuge genutzt werden. Eine eigene Schrägseilbahn führt auf den Bürgenstock, der Zug fährt direkt in die Hotelanlage ein.

      Warum gerade dieses Resort ausgewählt wurde
      Wegen der Größe, vor allem aber aus Sicherheitsgründen. Die Lage ist abgeschieden, liegt auf einer Anhöhe, die Zufahrtswege lassen sich gut kontrollieren.

      Chinas Xi Jinping (hier beim Bäumepflanzen im Tongzhou District in Peking) kommt nicht, Putin freut das
      Chinas Xi Jinping (hier beim Bäumepflanzen im Tongzhou District in Peking) kommt nicht, Putin freut das
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      Warum Russland nicht dabei ist
      Die Schweiz hätte das gerne gehabt, konnte sich aber nicht durchsetzen. Sinn der Konferenz ist es unter anderem, einen "konkreten Fahrplan für die Beteiligung Russlands am Friedensprozess" zu erarbeiten. Heißt: Die Teilnehmerländer sollen sich darauf verständigen, wie mit Putin verhandelt werden soll und unter welchen Bedingungen. Schlüsselstaaten wie Indien, Südafrika, Brasilien oder Saudi-Arabien betreiben eine völlig andere Russland-Politik als etwa Europa.

      Wie soll es Frieden ohne Russland geben?
      Gar nicht, das ist allen Beteiligten klar. Es werde nach der Konferenz eine Kommunikation mit Russland geben, und Moskau könne an Verhandlungen beteiligt werden, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba der US-Zeitschrift "Foreign Policy". Natürlich sei es so, dass man den Krieg nicht ohne Beteiligung beider Seiten beenden könne.

      Was es mit dem Friedensplan auf sich hat
      Die Konferenz war ja eine Idee der Ukraine. Sie verfolgt seit September 2022 einen 10-Punkte-Plan, genannt "Friedensformel". Gefordert werden unter anderem die Einstellung der Kampfhandlungen, kompletter Rückzug der Russen, Wiedergutmachung, Bestrafung der Verantwortlichen. Das wäre in diesem Teilnehmerkreis sowieso nie durchsetzbar gewesen. Also geht es "nur" um nukleare Sicherheit, humanitäre Maßnahmen wie die Rückführung von verschleppten Kindern und die Sicherheit von Nahrungsmitteltransporten.

      Was ist dann die Hoffnung?
      Zweierlei: Dass aus der Konferenz eine Dynamik erwächst. Und dass das geplante Gruppenfoto der Regierungschefs ein Signal in die Welt trägt: Wir wollen Friedensverhandlungen. Ohne China und Joe Biden ist das Signal schwach.

      Was der Wiederaufbau der Ukraine kostet
      450 Milliarden Euro, nach Schätzung der Weltbank.

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