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Nomen est omen: Warum uns "Time Bandits" die Zeit stiehlt
Das zehnteilige Serien-Remake eines Klassikers aus dem Monty-Python-Umfeld ist bemüht divers und krampfhaft klamaukig. Schade um den guten Stoff. Ab sofort auf Apple TV+.
Nicht nur Film-Remakes und -Sequels bzw. -Prequels haben seit Jahren Hochkonjunktur. Das in der kreativen Krise verharrende Hollywood gefällt sich auch darin, Jahrzehnte alte bekannte und beliebte Filme als Serien wieder zu beleben. In "Westworld", "Fargo" oder zuletzt auch "Aus Mangel an Beweisen" hat das gut funktioniert. Anders steht es um "Time Bandits" von Terry Gilliam, der zwar kein "klassischer" Monty-Python-Film, aber dem kreativen Universum der britischen Anarcho-Truppe zugerechnet werden kann. Eine Serien-Adaption des Stoffes ist seit kurzem auf AppleTV+ zu sehen – leider aber ein ziemlicher Reinfall.
Monty Python 2.0? Dabei konnte man bereits vorab, als die Produktion 2018 angekündigt worden war, die Frage stellen, ob und wie es funktionieren soll, den vollkommen anarchistischen und politisch unkorrekten Humor der Monty-Python-Truppe in die politisch korrekte Gegenwart zu transportieren. Und dass mit dem neuseeländischen Regisseur und Produzenten Taika Waititi ("Jojo Rabbit", "Fünf Zimmer, Küche, Sarg") noch dazu einer der zentralen Vertreter eines ebenso harmlosen wie zahnlos-korrekten Hipster-Humors als Serien-Schöpfer hinter "Time Bandits" steht, war kein gutes Vorzeichen.
Fantasy-Spektakel Das Original aus dem Jahr 1981 wurde von Monty-Python-Mitglied Terry Gilliam inszeniert und ist Teil seiner "Trilogie der Imagination". Finanziert wurde der Film von Ex-Beatle George Harrison und dem neu gegründeten Produktionsstudio HandMade Films, das Resultat war ein satirisches und äußerst kreatives Fantasy-Spektakel, das von den Zeitreisen einer Gruppe Kleinwüchsiger und eines Buben durch die Geschichte erzählt. Vor allem die Nebenrollen waren prominent besetzt mit den Monty Pythons-Mitgliedern John Cleese und Michael Palin sowie mit Sean Connery.
Worum geht es in "Time Bandits"? Alles beginnt damit, dass sich im Zimmer des 11-jährigen Kevin plötzlich ein Wurmloch auftut, durch das (im Kinofilm von 1981) eine Gruppe von Zwergen schlüpft, die sich als "Zeitdiebe" bezeichnen. Mithilfe einer geheimen Karte, die Zeitportale verzeichnet, reisen diese durch die Menschheitsgeschichte und stehlen, was ihnen gefällt. Kevin, ein Geschichts-Nerd, schließt sich ihnen begeistert an, da seine Eltern mit seinem Wissensdurst und seinem Interesse an der Menschheitsgeschichte nichts anzufangen wissen und sich lieber an ihrer modernen Einbauküche ergötzen, als ihrem Sohn Aufmerksamkeit zu schenken.
Diverse Neuadaption Diese Ausgangslage hat auch Showrunner Taika Waititi weitgehend beibehalten, wenngleich die Zeitbanditen den modernen Erfordernissen angepasst wurden: Die Gruppe besteht nun nicht mehr aus (männlichen) Kleinwüchsigen, sondern ist ethnisch und geschlechtlich divers zusammengewürfelt. Als Anführerin der Gruppe fungiert die von "Friends-"Star Lisa Kudrow gespielte Penelope, die neben Regisseur Waititi selbst (er spielt das "Höchste Wesen") der prominenteste Name unter den Darstellern ist.
Zu gewollt Auch die Zielorte der Zeitreisen wurden adaptiert: Trieb sich die Time Bandits-Gang im Originalfilm noch hauptsächlich in Europa zu verschiedenen Epochen herum (man besuchte etwa Agamemnon, Robin Hood oder Napoleon), dürfen ihre Nachfolger in den ersten Folgen nun ins antike China oder zu den Mayas reisen. All das wirkt aber viel zu sehr gewollt, versehen mit der unbedingten Absicht, ja keinem auf die Füße zu treten. Brav eben. Dass dieser Zugang für die Adaption eines Monty Python-Stoffs die denkbar schlechteste Voraussetzung ist, wird in "Time Bandits" offensichtlich – da Humor ohne Ecken und Kanten nicht funktionieren kann.
Harmloser Klamauk Wobei die (post-)modernen Anpassungen gar nicht das Hauptproblem sind, sondern vor allem der bemüht-klamaukige Durchschnittshumor und die geschwätzigen, selbstverliebten Dialoge, die viele von Taika Waititis Kreationen kennzeichnen. "Time Bandits" wirkt am Ende ähnlich wie Waititis Möchtegern-Provokation "Jojo Rabbit" über die Freundschaft eines Buben mit einem fiktiven Adolf Hitler: bieder und langweilig.
Ein Reinfall Natürlich fällt die völlige Abwesenheit satirischer oder sarkastischer Schärfe bei einem Abenteuermärchen weniger ins Gewicht als bei einer selbst ernannten Satire. So sind manche Sequenzen in "Time Bandits" dennoch unterhaltsam. Und für ein jüngeres Publikum, das das Original nicht kennt, hat die Serie möglicherweise einiges zu bieten: Spannende Reisen durch die Historie, Einblicke in alte Zivilisationen und eine nerdige, liebenswerte Hauptfigur (Kal-El Tuck als Kevin), die sich durch ihr "analoges" Interesse an Geschichte und Büchern wohltuend und sympathisch vom (auch hier als verdummt dargestellten) Zeitgeist abhebt.
Fazit Fans des Orginals und Monty Python-Aficionados sollten von "Time Bandits", der Serie, lieber die Finger lassen. Denn punkto Humor ist diese Adaption ein Reinfall. Aber – schlimmer – vor allem eines: ein Zeitdieb, der kostbare Lebens- und Fernsehzeit frisst.
"Time Bandits", USA 2024, 10 Folgen à ca. 40 Minuten, die ersten beiden Folgen ab sofort auf Apple TV+, danach jeden Mittwoch eine weitere Folge online