Wahl-Kopfnüsse, Folge 11

Und Ihr wollt echt eine Koalition miteinander eingehen?

Ein Clan macht blau. Christina Lugner, vulgo Mausi, möchte ihren Schwieso an Bord der FPÖ in den Nationalrat bringen. Mit Hilfe des Ex-Friseurs von Sebastian Kurz. Am Abend sahen dann Karl Nehammer und Andreas Babler rot. Und wir sehen jetzt schwarz.

SPÖ-Chef Andreas Babler hatte erstmals für ein TV-Duell eine Krawatte angelegt, wie ein Firmling agierte er nicht
SPÖ-Chef Andreas Babler hatte erstmals für ein TV-Duell eine Krawatte angelegt, wie ein Firmling agierte er nicht
Picturedesk
Newsflix Kopfnüsse
Uhr
Teilen

Der Wahlkampf heizt sich immer weiter auf, inhaltlich erkaltet er. Die Positionen sind bezogen, mit neuen Themen ist kein Durchkommen mehr. Jetzt geht es darum, selbst keine Fehler mehr zu machen, die anderen aber in Fehler zu treiben. Das passiert unter immer größerem Zorn, in gegenseitiger Verachtung, im Drang, Verletzungen zu schlagen.

Hier spricht wieder meine KI zu Ihnen:

Da schaukelt sich was auf. Der Stress, der Erfolgsdruck, dieses Gefühl, dass es um alles geht. Ein Feuer, das 24 Stunden am Tag angefacht wird, aber es hinterlässt immer größere Flächen mit verbrannter Erde.

Den Schaukämpfen schadet das nicht, zumindest momentan noch. Die Duelle werden immer populärer, wir erleben eine Neuauflage eines Wahlkampf-Paradoxons. Je mehr Konfrontationen es gibt, je mehr über ihre Vielzahl geklagt wird, je mehr das Ausland sich über uns lustig macht, je mehr über die Qualität der Debatten gelästert wird, desto mehr Menschen schauen zu. Ob aus Lust, oder weil sie ihr Leben aufgegeben haben, lässt sich wissenschaftlich nicht sauber ergründen.

Hier fehlt noch wer, oder? Vermutlich der Dritte Mann!
Hier fehlt noch wer, oder? Vermutlich der Dritte Mann!
Picturedesk

Ich gebe zu, ich muss mich überwinden. Zwingen. Immer öfter. Der Konsum mancher – nicht aller – Duelle erfüllt mittlerweile den Tatbestand des politischen Sado-Masochismus. Wer dachte Kickl gegen Kogler war übel, hatte die Rechnung ohne Nehammer gegen Babler gemacht. Verstörend. Für wen war das? Und wenn die vier, fünf Leute gefunden sind: Was war der Zweck?

Die Quoten der bisherigen ORF-Duelle

  • 10.9. Kogler gegen Kickl 840.000
  • 10.9. Nehammer gegen Meinl-Reisinger 791.000
  • 5.9. Meinl-Reisinger gegen Kickl 716.000
  • 5.9. Babler gegen Kogler 593.000

Ehe gestern Abend erneut zur Prügelei am medialen Gabentisch geladen wurde, nahm der Wahlkampf in Rudolfsheim-Fünfhaus eine vorentscheidende Wende. Familie Lugner gab eine Wahlempfehlung ab, genau genommen empfahl sie sich dem Land selbst. Der Schwiegersohn des Hauses möchte in den Nationalrat einziehen, er hat die FPÖ an seiner Seite und sie ihn.

Im Wahlkampf aber ist doppelter Flankenschutz wichtig. Deshalb hatte Leo Lugner, Ehemann von Jacqueline Lugner, seine Schwiegermutter Christina Lugner mitgebracht, die unter ihrem Arbeitstitel "Mausi" seit vielen Jahren die Wiener Gesellschaft befruchtet. Sie sprach die einführenden Worte und recht schnell kam die Frage auf: Wer kandidiert eigentlich hier, Mausi oder der Mann im Leo?

Zwei Spitzenkandidaten, aber nur einer tritt an, der dafür hatte Schnapskarten mitgebracht
Zwei Spitzenkandidaten, aber nur einer tritt an, der dafür hatte Schnapskarten mitgebracht
Picturedesk

Man muss vorausschicken: Die FPÖ hat die Begabung von Leo Lugner lange nicht erkannt, obwohl er seit 2016 verschiedene Funktionen in der Partei innehat, zu Beginn noch unter seinem ledigen Namen Kohlbauer. Durch das Einheiraten ins Geschlecht der Lugner kam er personenstandsmäßig in andere Umstände und das hilft jetzt. "Gemma Lugner wählen" klingt einfach geschmeidiger als "Gemma Kohlbauer wählen".

Von 2017 bis 2020 war Leo Kohlbauer Abgeordneter zum Wiener Landtag. Weil Dankbarkeit keine politische Kategorie ist, setzte ihn die Partei diesmal auf der Bundesliste aber nur auf Platz 25, vermutlich eine Folge des Reißverschluss-Systems. Auch in der FPÖ holt sich der Feminismus seine ersten Opfer. Auf der Landesliste Wien findet sich Lugner auf Platz 11, auf der Regionalwahlliste 9E schaffte er es auf Platz 3. Nichts davon reicht zum Einzug.

Der Textilunternehmer unternimmt deshalb gleich drei Anläufe, um niederschwellig ins Hohe Haus zu kommen. Über Vorzugsstimmen. Für den Umweg Bundesliste benötigt er sieben Prozent der FPÖ-Stimmen, also rund 95.000, für die Landesliste zehn Prozent, etwa 18.500 bis 19.000 Stimmen, für den Regionalwahlkreis 14 Prozent, über den Daumen 4.500 bis 5.000 Stimmen. Sonst heißt es Aus die Mausi.

Das Personenkomitee von Leo Lugner hat bei der Frauenquote noch Luft nach oben
Das Personenkomitee von Leo Lugner hat bei der Frauenquote noch Luft nach oben
Denise Auer

Ein Personenkomitee soll dafür sorgen, das Unmögliche unmöglich möglich zu machen. Der Neigungsgruppe Volks-Leo gehört auch Josef Winkler an, der bis Ende des vergangenen Jahres am Wiener Judenplatz das "Haus zur schwarzen Bürste" betrieb. Ein Frisiersalon, der dank einiger goldener Büsten zwischen den Bürsten und Abbildungen aus Pompeji aussah wie eine Art Amphitheater.

Das "Haus zur schwarzen Bürste" erlangte im Februar 2021 überregionale Bekanntheit, weil Sebastian Kurz, damals Kanzler des Amphitheaters Österreich, nach dem dritten Lockdown, der auch der vierte gewesen sein könnte, zum Haareschneiden einkehrte. Winkler war sein Stammfriseur, der ÖVP-Kanzler zahlte wie immer 39 Euro plus Trinkgeld in geheimer Höhe. Der Dank dafür ist jetzt, dass Winkler nicht die Schwarzen unterstützt, sondern den blauen Volks-Leo.

Der Wechsel auf die andere Seite der Schere wurde am Donnerstag um 10.30 Uhr im Kino des familieneigenen Einkaufszentrums vollzogen. Winkler war zugegen, als Leo Lugner und sein Running Mate Mausi den Vorzugsstimmen-Wahlkampf starteten und das durchaus ungewöhnlich, mit einem Andenken an den jüngst verstorbenen Firmenpatriarchen nämlich. Pressekonferenzen beinhalten sonst keine Schweigeminute, im Kern widerspricht das ihrem Wesenszweck.

Bundeskanzler Karl Nehammer schüttelte während des Duells den Kopf öfter als ein Wackeldackel
Bundeskanzler Karl Nehammer schüttelte während des Duells den Kopf öfter als ein Wackeldackel
Picturedesk

Dann aber legte Christina Lugner los. "Wir, als Volk, dürfen es einfach nicht mehr zulassen, dass immer mehr Asylwerber in unser wunderschönes Österreich kommen, unsere Sozialleistungen in Empfang nehmen, währenddem einfach unsere eigenen Österreicher dahindarben müssen", sagte sie. Wenn die empfangenen Sozialleistungen sofort in der Lugner City ausgegeben werden, muss die Situation natürlich anders bewertet werden, aber das sagte Mausi Lugner nicht.

Sie schloss mit einem Appell: "Österreich wieder unseren Österreichern und niemand anderem!" Für ihre Rede brauchte sie fast sechs Minuten, der eigentliche Kandidat kam mit eineinhalb Minuten aus. Dann eröffnete er die Fragerunde, aber niemand hatte eine Frage. Die Pressekonferenz begann mit Schweigen und ging mit Schweigen zu Ende.

Am Abend wurde dann weniger geschwiegen. Die nächste Runde der TV-Duelle stand an, zunächst Andreas Babler gegen Karl Nehammer, dann Werner Kogler gegen Beate Meinl-Reisinger, aber da war die Luft schon draußen.

Vorm Duell-Start mit NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger checkt Werner Kogler noch die Deckenbeleuchtung
Vorm Duell-Start mit NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger checkt Werner Kogler noch die Deckenbeleuchtung
Picturedesk

Was soll ich sagen? Babler hat die erstmals angelegte Krawatte nicht zum Firmling gemacht, auch wenn er ein bisschen so aussah. Und Nehammer war auch kein Chorknabe. Er fiel Babler ständig ins Wort und der ihm, das Publikum daheim störte, es verstand so und so kaum was.

Da war blanke Wut, Geringschätzung, man sprach sich mit "der Karl Nehammer" und "mein Vorredner" an. Das Österreich von dem einen hatte mit dem Österreich vom anderen nichts zu tun. Es hagelte Herabwürdigungen. "Wollen Sie da einen Kasperl runterführen?" "Totengräber der politischen Mitte in diesem Land". "Bilanz des Versagens". Die Hälfte der Zeit verbrachte Nehammer mit Kopfschütteln, seine Halsmuskeln werden heute einen Tinnitus haben.

Und die beiden sollen eine Koalition miteinander eingehen? Vielleicht noch mit einem dritten Partner? Es gibt keine Schnittmenge, nicht inhaltlich und schon gar nicht auf menschlicher Ebene. Der Markt verknappt sich ohne Not von selbst immer mehr.

Ich wünsche einen friedlichen Freitag. Morgen verschone ich Sie mit Kopfnüssen, am Sonntag gibt es frische Ware. Außer der Regen verschluckt mich. Passen Sie bitte gut auf sich auf! Am Freitag, den 13.!

Uhr
#Kopfnüsse
Newsletter
Werden Sie ein BesserWisser!
Wissen, was ist: Der Newsletter von Newsflix mit allen relevanten Themen des Tages und den Hintergründen dazu.