"Mehrfach sinnvoll"

Warum Zoo drei Erdmännchen an Hyänen verfütterte

Am Ende ging es wie immer um Sex. Der Zoo Zürich "lässt Fortpflanzung zu, weil dies ein Grundbedürfnis aller Tiere ist", wie er sagt. Deshalb wurden nun drei Erdmännchen getötet und den Hyänen zum Frass vorgeworfen.

In der Erdmännchen-Population war die Kapazitätsgrenze erreicht – also Entnahme
In der Erdmännchen-Population war die Kapazitätsgrenze erreicht – also Entnahme
Zoo Zürich, Roger Rubin
Newsflix Redaktion
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Der Zoo ging ganz offen damit um. Nichts wurde versteckt, es wurde nicht darum herumgeredet, es war, wie es war. Auf der Webseite wurde die Aktion geschildert und erklärt, es wurden sogar zehn Fotos zum Downloaden angeboten. Sie zeigten auch, wie die Hyänen die toten Erdmännchen im Maul davon schleppten.

In der Natur kommt das täglich Tausende Male vor. Raubtiere heißen nicht einfach so, das hat Gründe. Erdmännchen schauen putzig aus, aber das hilft ihnen in der freien Wildbahn nicht, denn dort entscheiden nicht Aussehen oder Modelmaße darüber, ob man gefressen wird, sondern ob der eine da ist und der andere Appetit hat.

Erdmännchen sind grundsätzlich süß, aber es gibt auch viele
Erdmännchen sind grundsätzlich süß, aber es gibt auch viele
Zoo Zürich, Roger Rubin

Der Zoo in Zürich feiert im nächsten Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Er zog im Vorjahr knapp 1,3 Millionen Besucher an, sie tranken 300.000 Tassen Bio-Kaffee, 164,80 Vollzeitstellen hielten den Laden am Laufen. Der Schweizer nimmt es in seinen Jahresberichten recht genau. Im Tiergarten leben 356 Arten auf 27 Hektar, bis 2050 sollen dort 11 Lebenswelten stehen.

Auf dieser Fläche von rund 38 Fußballfeldern kam es am Montag zu diesen Szenen: Drei Tiere aus der bestehenden Erdmännchen-Gruppe im Zoo wurden entnommen, getötet und an die Hyänen verfüttert. "Aus Gründen des Artenmanagements", wie der Zoo sagt.

Der Tiergarten selbst hat keine Kommentarfunktion, Medien, die darüber berichten, schon. Bei "20 Minuten", dem größten Schweizer Webportal, wurde sie "für diesen Artikel deaktiviert". Wohl aus Gründen.

Ist die Population zu groß, kommt es zwischen den Tieren zu Raufhandlungen
Ist die Population zu groß, kommt es zwischen den Tieren zu Raufhandlungen
Zoo Zürich, Roger Rubin

Bei anderen Medien entfaltete sich eine rege Kommentartätigkeit. Der Bogen war wie üblich weit gespannt und umfasste auch die Sinnfrage, also ob es in der heutigen Zeit noch Zoos braucht. Die Frage würden Hyänen und Erdmännchen in der momentanen Situation unterschiedlich beantworten.

Auf "Watson" schrieb ein User: "Erstens braucht es im Zoo keine Erdmännchen und zweitens hätte man sie auch im Restaurant servieren können." Soviel kann gesagt werden: Das hätte den Erdmännchen auch nicht weitergeholfen.

Bei den Tieren ist das so: Sie leben in größeren Familiengruppen zusammen. "Jeder Gruppe steht ein dominantes Paar vor, welches sich in der Regel als einziges fortpflanzt", schreibt der Zoo Zürich. "Dies jedoch bis zu vier Mal im Jahr. Jeder Wurf umfasst ein bis fünf Jungtiere. In der Folge wächst die Erdmännchen-Gruppe kontinuierlich. Aktuell ist die Kapazitätsgrenze erreicht. Daher wurden heute drei Tiere entnommen."

Hyänen jagen ihre Beute, sind aber auch Aas nicht abgeneigt
Hyänen jagen ihre Beute, sind aber auch Aas nicht abgeneigt
Zoo Zürich, Roger Rubin

Dabei habe man nur Gutes im Sinn, auch für die Gruppe. "Durch die Entnahme der Tiere werden Revierkämpfe und soziale Spannungen vermieden und eine stabile Gruppendynamik aufrechterhalten", sagt der Zoo. Er lasse Fortpflanzung zu, "weil dies ein Grundbedürfnis aller Tiere ist und essenziell für eine artgerechte Haltung." Sex sells: Es sei "zentral", dass sich Erdmännchen fortpflanzen und ihr natürliches Verhalten ausleben, sonst klappt das nicht mit der Forschung.

Erdmännchen gibt es nur im südlichen Afrika, in Südafrika, Namibia, Südangola und Botswana. Und in Tiergärten. Hier lässt sich die Größe der Population aber nur "händisch" regeln. Gibt es in einer Gruppe zu viele Tiere, dann kommt es zu Konflikten, die Tiere beißen sich. In der Natur regelt sich der Bestand selbst. Erdmännchen werden Beute von von Fressfeinden, im Zoo fällt das weg. Deswegen muss eingegriffen werden.

Die getöteten Tiere wurden unter anderem auf einem Stein abgelegt
Die getöteten Tiere wurden unter anderem auf einem Stein abgelegt
Zoo Zürich, Roger Rubin
Die Tüpfelhyäne ist sich nicht ganz sicher, ob ihr die Beute geheuer sein soll
Die Tüpfelhyäne ist sich nicht ganz sicher, ob ihr die Beute geheuer sein soll
Zoo Zürich, Roger Rubin

Der Zoo Zürich legt Wert auf die Feststellung, nicht hartherzig oder gedankenlos gehandelt zu haben. Vor einer Tötung würden alle Optionen geprüft, etwa ob es Plätze in anderen Tiergarten gibt. Eine Auswilderung ist derzeit nicht nötig, es handelt sich um keine bedroht Art. Getötet würden nur ältere Tiere werden und das schmerzfrei. Empfänger wären Tüpfelhyänen, sie jagen ihre Beute, fressen aber auch Aas.

Es handelt sich somit quasi um eine win-win-Situation, wenn man die Lebensrealität der Erdmännchen vielleicht ausklammert. "Die Verfütterung der Tiere ist in mehrfacher Hinsicht sinnvoll", schreibt Zürich. "Zum einen stellt der Zoo sicher, dass das verfütterte Fleisch von bester Qualität ist. Es ist garantiert, dass die Tiere zuvor ein artgerechtes Leben geführt haben und schmerzfrei getötet wurden. Durch die kurzen Transportwege ist das Futter zudem nachhaltig. Und für die Hyänen ist das Fressen ganzer Tiere eine sinnvolle und naturnahe Beschäftigung."

Wie so oft im Leben, hat alles seine zwei Seiten.

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