Film-hit
Wie ein falscher Killer aus Liebe auf die schiefe Bahn gerät
In den USA schon ein Netflix-Hit, im Juli kommt "A Killer Romance" in Österreichs Kinos. Der Film erzählt die wahre Geschichte eines Auftragskillers im Dienste der Polizei.
Manchmal sind uns die USA einfach um Längen voraus. Etwa wenn es um die Starttermine von Kinofilmen geht. Während etwa der romantische Thriller "A Killer Romance" in Amerika bereits im vergangenen Mai im Kino lief und mittlerweile auf Netflix durch die Decke geht, läuft der Streifen um einen harmlosen Psychologieprofessor, der für die Polizei zum Lockvogel für potenzielle Mordauftragsgeber wird und sich dabei in eine seiner "Kundinnen" verliebt, erst Anfang Juli in den heimischen Kinos an. Aber das Warten lohnt sich, gilt "A Killer Romance" doch bereits jetzt als einer der besten Filme des Jahres.
Netflix ist nicht überall gleich Das ist eines der Learnings aus dem international höchst unterschiedlichen Umgang mit der von Star-Regisseur Richard Linklater gedrehten, charmanten Killer-Komödie. Nämlich dass der Streaming-Gigant die Rechte für Filme nicht immer gleichermaßen für sämtliche Länder erhält, auch wenn es sich um Neuheiten handelt. So läuft "A Killer Romance" in Nordamerika, wo der Film erst am 24. Mai Kino-Premiere feierte, bereits seit 7. Juni parallel auch auf Netflix und erreichte dort in dieser Woche mit fast 14 Millionen Views die Spitze der Film-Charts.
Zuerst im Kino, dann erst im Stream Im deutschsprachigen Raum startet der Film indes erst am 4. Juli in den Kinos. Ob – und vor allem ab wann – er danach auch bei uns im Streaming zu sehen sein wird, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Entgehen lassen sollte man sich den Film jedoch keinesfalls, gilt er doch bereits jetzt als einer der größten Überraschungshits des Kino-Jahres und erhielt bei seiner Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Venedig im Herbst 2023 beinahe hymnischere Kritiken als der – direkt von Netflix produzierte – andere "große Killer-Film" des Jahres, das Auftragsmörder-Psychogramm "Der Killer" von David Fincher.
Worum geht es in "A Killer Romance"? Gary Johnson (Glen Powell, "Top Gun 2: Maverick") ist ein unbedarfter Psychologieprofessor in New Orleans, der aufgrund diverser Umstände von der örtlichen Polizei gebeten wird, sich als Lockvogel-Auftragskiller auszugeben, um potenzielle Kunden, die jemanden auf diese Art um die Ecke bringen lassen möchten, auffliegen zu lassen. Gary macht seine Sache außerordentlich gut – vor allem aber findet der einsame Mann Gefallen daran, in unterschiedliche Killer-Rollen zu schlüpfen und seinen Auftraggebern immer andere Charaktere vorzuspielen.
James Bond, Exil-Russe oder Hinterwäldler Der Professor entpuppt sich mit der Zeit als wahres Chamäleon wenn es darum geht, sich für "seine" Kunden so herzurichten, wie es diese erwarten. Mit falschen Narben, Zahnprotesen und Perücken wird er so zum James-Bond-artigen Superspion mit der Lizenz zum Töten, zum knallharten russischen Auftragsmörder, zum Hillbilly-Dodel mit Schrotflinte oder zum Pseudo-Psychopathen wie der wirklich monströse Auftragskiller, den Javier Bardem in "No Country For Old Men" schrecklich gut dargestellt hat. Und immer läuft alles glatt, die Kunden kaufen ihm die Nummer ab – bis bald darauf die Handschellen klicken.
Cherchez la femme Doch dann geschieht, was in solchen Filmen fast zwangsläufig geschehen muss: Gary trifft im Zuge seines Polizei-Nebenjobs auf Madison (Adria Arjona), die einen Weg sucht, sich endgültig von ihrem gewalttätigen Ehemann Ray zu trennen – und dabei auf den "Killer" Gary gestoßen ist. Doch statt sie ins offene Messer laufen zu lassen (sprich sie bei der Polizei zu melden und die übliche Falle aufzustellen), geht er mit Madison ins Bett. Und als ob das nicht alles schon genügend verkomplizieren würde, verliebt sich Gary schließlich auch in Madison und umgekehrt. Doch während er versucht, seiner neuen Freundin einen alternativen Weg aus ihrem Ehe-Dilemma zu weisen, spielt Madison ihr eigenes Spiel …
(Keine) Spoiler-Warnung Viel mehr soll hier nicht verraten werden. Nur noch so viel: Sobald sich Gary und Madison gegenseitig ihre Liebe gestanden haben, schlägt der Film so viele Haken wie ein liebestoller Hase auf einem Frühlingsfeld. Und letztlich bleibt die Erkenntnis, dass man tatsächlich in niemanden hineinschauen kann und selbst der ausgeglichenste Charakter für eine Überraschung gut ist – auch wenn das, war er oder sie dabei tut, nicht immer zwingend eine gute Tat sein muss.
Szenenapplaus beim Filmfestival Bei den Filmfestspielen in Venedig im Herbst 2023, wo "A Killer Romance", wie erwähnt, seine Uraufführung hatte, gab es immer wieder mittendrin Szenenapplaus vom fachkundigen Publikum für die ebenso originelle wie kreative Handlung und das überzeugend-witzige Spiel der bestens aufgelegten Hauptdarsteller.
"Mister Magic Touch" Verantwortlich für den Erfolg des Streifens ist primär Regisseur Richard Linklater, der seit mittlerweile 30 Jahren als Star der amerikanischen Independent-Filmszene gilt, weil er sich nie von den großen Hollywoodstudios hat vereinnahmen lassen, sondern statt dessen im Zweifelsfall lieber kleinere und günstigere Filme macht, diese dafür aber wirklich so umsetzt, wie er sich das vorstellt. Und dass er dafür ein Händchen hat, hat Linklater bereits mehrfach bewiesen.
Er schenkte uns "Before Sunrise" Seinen ersten großen internationalen Erfolg hatte Linklater 1995 mit dem romantisch-leichten Film "Before Sunrise", der nahezu ausschließlich in Wien spielt. Ein Amerikaner (Ethan Hawke) und eine Französin (Julie Delpy) lernen sich dabei auf einer Bahnfahrt von Budapest nach Paris kennen, steigen kurzentschlossen in Wien aus und verbringen gemeinsam einen Tag und eine Nacht damit, durch die Stadt schlendern und miteinander zu reden. Am nächsten Tag gehen die beiden getrennter Wege – sie fährt weiter nach Paris, er fährt zum Flughafen, um in die USA zurück zu fliegen – , versprechen sich aber, sich in sechs Monaten am selben Bahnsteig in Wien wiederzusehen.
Visitenkarte für Wien Für Linklater war der bei Cineasten ebenso wie bei Romantikern beliebte und auch finanziell sehr erfolgreiche Film der Start seiner Weltkarriere. Für Wien – das Mitte der 1990er-Jahre noch bei weitem nicht jene weltoffene, chice Metropole war, die heute Millionen Touristen jährlich anzieht – war "Before Sunrise" ein riesiger, überlanger, unbezahlbarer Werbeclip, von dem die Stadt heute noch zehrt. Linklater erzählte die Geschichte des Beinahe-Liebespaares übrigens dann noch in zwei Filmen weiter: "Before Sunset" (2004) spielte in Paris, "Before Midnight" (2013) auf einer griechischen Insel. Weitere Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
Nach einer wahren Begebenheit Anders als in seiner "Before"-Trilogie hat der Regisseur seinen aktuellen Film nach einer wahren Begebenheit geschaffen. Bereits im Jahr 2001 las er einen Artikel in einem Monatsmagazin aus Texas, in dem der Autor über einen Mann berichtete, der tatsächlich Gary Johnson hieß, angeblich als Auftragskiller arbeitete und binnen zehn Jahren mehr als 60 Menschen getötet haben soll.
"Laurence Olivier der Behörden" In Wahrheit arbeitete "Johnson" für die Polizei von Houston und überführte Möchtegern-Mordauftragsgeber im Dutzend. Wobei er sich als so talentiert und wandlungsfähig präsentierte, dass er den Beinamen "Laurence Olivier der Strafverfolgungsbehörden" erhielt – eine Anspielung auf den extrem vielschichtigen britischen Bühnen- und Filmschauspieler Laurence Olivier, der im Laufe seiner sechzigjährigen Karriere vier Mal einen Oscar erhielt.
20 Jahre Vorbereitung Regiseur Linklater war von der Story sofort fasziniert – und hatte sie über all die Jahre im Hinterkopf. Doch erst jetzt fand er den richtigen Sound und jene Ideen, um die Geschichte so umzusetzen, wie er sie sah. Dafür arbeiteten Linklater und Hauptdarsteller Glen Powell eng zusammen, denn auch der Mime kannte den Artikel und war von dem Stoff ebenfalls begeistert.
"Eine romantische Thriller-Action-Komödie" Gemeinsam optimierten sie die Story des echten Gary Johnson, veränderten sie wo nötig und erweiterten sie um jene Elemente, die den Film erst so außergewöhnlich und vielschichtig machen. Denn nicht alles, was im Film vorkommt, hat auch der wahre Gary in gleicher Weise umgesetzt, wie es der Film-Gary tut – mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Aber genau das ergibt jene einzigartige Mischung aus Thriller, Actionfilm, Romanze und Komödie, die Regisseur Linklater scheinbar so leicht von der Hand geht und die "A Killer Romance" so sehenswert macht.
Eine unbedingte Empfehlung – ganz gleich ob im Kino oder – wann auch immer – im Streaming.
"A Killer Romance", USA 2023, 113 Minuten, ab 4. Juli im Kino