Wie das leben so spült
Wieso in Museum nun Picassos am Damenklo hängen
Ein australischer Milliardär, reich geworden mit Pferdewetten, putzt die Toiletten seines Museums heraus. Grund: Eine Klage, weil ein Mann nicht in eine Schau durfte, die Frauen vorbehalten war.
In einem Museum sündteure Kunstwerke vorzufinden, nun ja, nicht wirklich ein Wunder. Aber auf der Toilette? Dafür muss man schon ins australische Hobart reisen, der bevölkerungsreichsten Stadt auf der südlich von Melbourne gelegenen Insel Tasmanien. Die mit 68.000 Quadratkilometern größte Insel des Landes (etwa so groß wie Österreich ohne Tirol und Vorarlberg) beherbergt nämlich mit dem Museum of Old and New Art, kurz MONA, eines der schrägsten Museen der Welt. Und dort zieren seit kurzem wertvolle Gemälde von Jahrhundert-Künstler Pablo Picasso (1881-1973) die Wände der Damentoilette. Hintergrund der Aktion ist ein skurriler Rechtsstreit.
Mann fühlte sich diskriminiert Ein Besucher hatte das Museum geklagt, da einige Kunstwerke in einer eigenen, nur weiblichen Besuchern vorbehaltenen Sonderschau gezeigt wurden – Diskriminierung! Ein Gericht gab ihm recht – worauf die Museumsleitung die Kunstwerke kurzerhand auf die Damentoilette umsiedelte, um sie männlichen Besuchern auch weiterhin vorenthalten zu können.
Klingt seltsam? Richtig – passt aber perfekt zum MONA und seinen Gründern. Denn an diesem Museum ist nichts normal – und trotzdem ist es mittlerweile die größte Touristenattraktion auf Tasmanien. Newsflix hat sich den Fall und seine Hintergründe angesehen:
Was ist eigentlich genau passiert?
Das MONA (Museum of Old and New Art) in Hobart präsentiert neben seiner Dauerausstellung immer wieder auch Sonderschauen. Zuletzt etwa eine 2020 eröffnete Ausstellung, die "Ladies Lounge" genannt wurde. Ein kleiner, mit dunkelgrünen Samtvorhängen abgetrennter Bereich, in den nur Besucherinnen durften und wo nicht nur einige Gemälde ausgestellt waren, sondern auch ein Butler den Damen Champagner servierte. Ein Wächter vor der Lounge achtete darauf, dass keine Männer dieses Refugium betraten.
Was war die Idee dahinter?
Ein feministisches Zeichen zu setzen, um auf die jahrhundertelange Diskriminierung von Frauen in der australischen Öffentlichkeit aufmerksam zu machen, so die Kuratorin der Schau, die US-Künstlerin Kirsha Kaechele, die sich die "Ladies Lounge" ausdachte und als Kunstinstallation verstand. "Sie ist ein friedlicher Rückzugsort für Frauen, ein unverzichtbarer Raum für einen Rückzug aus dieser seltsamen und unzusammenhängenden Welt männlicher Herrschaft", so die Künstlerin.
Weshalb ein Gericht damit beschäftigt wurde
Weil sich ein Museumsbesucher durch die Installation aufgrund seines Geschlechts diskriminiert sah. Der Besucher, ein Australier namens Jason Lau, reichte beim Tasmanian Civil and Administrative Tribunal (Tascat) Beschwerde ein, nachdem ihm der Zutritt zur Lounge verweigert wurde, obwohl er den Eintritt fürs Museum in der Höhe von 35 Australischen Dollar (ca. 21 Euro) bezahlt hatte.
Wie argumentierte das Museum vor Gericht?
Es wurde erklärt, die Arbeit in Form der Ladies Lounge sei notwendigerweise diskriminierend. Indem Männern der Zutritt verweigert werde, ermögliche das diesen, etwas zu erleben, nämlich die Erfahrung der Ablehnung. Diese sei das eigentliche Kunstwerk, so Kuratorin Kirsha Kaechele. Denn Australien habe eine Geschichte der weiblichen Ausgrenzung, die bis in die Gegenwart reiche. So sei es etwa Frauen überhaupt erst seit 1965 erlaubt, öffentliche Bars zu betreten. Und nach wie vor gebe es im Land Herrenclubs, die keine weiblichen Mitglieder aufnehmen.
Wie entschied das Gericht?
Zugunsten des Mannes. Das Gericht befand, das MONA habe diskriminiert und gab dem Museum 28 Tage Zeit, um auch Männern den Zutritt zur Ladies Lounge zu ermöglichen.
Die Reaktion des MONA darauf?
Einerseits wurde beim Obersten Gerichtshof Tasmaniens (das auch ein eigener Bundesstaat ist) Berufung eingelegt mit der Begründung, das Gericht habe "eine zu enge Sichtweise in Bezug auf die historische und anhaltende gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen eingenommen und nicht erkannt, wie die Erfahrung der Ladies' Lounge die Chancengleichheit fördern kann." Und zum anderen wurde die Ladies Lounge vorläufig einmal geschlossen. Kuratorin Kaechele überlegt, die Lounge in eine Kirche oder eine Schule umzuwandeln, denn dort sei, nach australischem Recht, Geschlechtertrennung nach wie vor erlaubt und möglich.
Und wie kommen die Picassos auf die Damentoilette?
Bis es aber so weit ist, dekorierte Kirsha Kaechele die Damentoilette mit den Picassos, die wohl die wertvollsten und bekanntesten Kunstwerke aus der Ladies Lounge darstellen. "Wir hatten im MONA noch nie Damentoiletten, sie waren alle Unisex-Toiletten", sagte Kaechele. "Aber nun musste die Ladies Lounge schließen und ich wusste einfach nicht, was ich mit all den Picassos anfangen sollte." Die Lounge werde bald wieder öffnen, "aber in der Zwischenzeit viel Spaß (meine Damen)", so die Kuratorin auf Social Media.
Weshalb spielt die Museumsleitung dabei überhaupt mit?
Zum einen, weil das Museum Selfmade-Milliardär David Walsh gehört, dem Ehemann von Kirsha Kaechele und einer der reichsten Tasmanier. Und zum anderen, weil im MONA ohnedies so gut wie alles anders gemacht wird, als es in herkömmlichen Museen passieren würde. Denn das Haus gilt als eines der schrägsten Museen der Welt – und hat sich gleichzeitig zur mittlerweile größten Touristenattraktion Tasmaniens entwickelt.
Was macht das Museum so einzigartig?
Einerseits das Konzept – ausgestellt wird nur, was Gründer und Besitzer David Walsh persönlich gefällt. Das sind uralte Artefakte ebenso wie moderne Kunst – und fast alles dazwischen. So werden etwa ägyptische Mumien und römische Mosaike hergezeigt, historische Münzen, aber auch Installationen wie eine "Verdauungsmaschine" des Belgiers Wim Delvoyes, die täglich gefüttert wird und zu einer fixen Stunde "Stuhlgang" hat. Oder eine Wand mit mehr als hundert Porzellan-Abdrücken weiblicher Genitalien – "Conversation with Cunts" nennt sich dieses Schaustück des neuseeländischen Künstlers Greg Taylor.
Gibt es auch einen Österreich-Bezug im MONA?
Ja, im Jahr 2017 kam Hermann Nitsch für eine Performance hierher. Und das berühmte knallrote "Fat Car" von Erwin Wurm ist hier ebenfalls zu sehen.
Wer steckt hinter dem Museum?
Der Selfmade-Milliardär David Walsh, der 1961 in Hobart geboren wurde und aufgewachsen ist. Er gilt als eine Art Wunderkind, interessierte sich immer schon für die Mathematik hinter diversen Glücksspielen und fand schließlich gemeinsam mit Mitstreitern einen wissenschaftlichen Weg, wie sie ihre Gewinnmöglichkeiten bei diversen Glücksspielen, vor allem bei Pferderennen, massiv steigern konnten. Dieses System setzte Walsh in diversen Ländern ein und machte dabei ein Milliardenvermögen, dass er unter anderem in den Bau seines MONA investierte – denn neben dem Glücksspiel ist die (moderne) Kunst die größte Leidenschaft von David Walsh.
Warum begann Walsh mit dem Museum?
Darüber gibt die Webseite am besten Auskunft. "Mona ist der Spielplatz und das Megaphon von David Walsh, der in Tassie (direkt an der Straße von Mona) aufgewachsen ist. Er hat die Uni abgebrochen, Karten gespielt, gewonnen, ein paar andere Dinge getan und ein kleines Antiquitätenmuseum eröffnet, das niemand besucht hat. Das erklärte er zum Triumph und beschloss, zu expandieren. Das Ergebnis ist Mona, ein Tempel des Säkularismus, des Rationalismus und des Blödsinnredens über Dinge, von denen man wirklich nicht viel weiß. Wir werden es niemandem erzählen. Komm und spiele."
Wer besucht das MONA?
Das Museum - es ist übrigens doppelt so groß wie das berühmte Guggenheim Museum in New York, hat mittlerweile mehr als 400.000 Besucher pro Jahr, obwohl es seit einiger Zeit Eintritt verlangt – in der Anfangsphase war der Besuch des Hauses für alle gratis. Es wird davon ausgegangen, dass das MONA inzwischen die größte Touristenattraktion der ganzen Insel Tasmanien ist – für Australien-Besucher gehört es mittlerweile jedenfalls längst zum guten Ton, von Melbourne den 500-Kilometer-Abstecher nach Hobart zu machen und dieses schrill-schräge Gesamtkunstwerk zu besuchen.