Wahl-Kopfnüsse, Folge 2
Zirkuspferde, Bestäubungs-Staberln und ein Wasserträger
In der ersten wirklichen Elefantenrunde steckten die Spitzenkandidaten ihr Territorium ab. Mit vielen guten Worten. Und ein paar bösen.
Alle redeten so schnell, die Worte stürzten zu Tal wie Wasserfälle nach der Schneeschmelze. Es war schwer, was zu verstehen. Für jedes Thema blieben nur zwei Minuten Zeit, um seine Gedankenwelt zu offenbaren, das schien recht knapp bemessen, außer die Gedankenwelt geriet simpel. So gab es beim Aufeinandertreffen der Parteispitzen am Dienstag wenig zu lernen, aber viel zu erleben. Zum Beispiel Werner Kogler als Wassersommelier. Immerhin verlangte er keine zwei Euro fürs Glas.
In diesem seltsamen Wahljahr bekommen sogar private Dialoge mitunter eine seltsame Tonalität. "Schatz, schauen wir uns den neuen Nehammer heute auf ORF III oder auf ORF 2 an?" Es sind Zeiten, in denen sich die Leute mit Chips und Bier nicht auf die Couch setzen, um Fußball-EM zu schauen, sondern um Politik-Matches zu verfolgen.
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Österreichs lokale Messis und Ronaldos standen diesmal hinter weißen Pulten und vor weißen Stühlen, deren einzige Aufgabe es blieb, im Weg zu sein. Aus den Messis und Ronaldos sprudelten in einer Tour Pläne, Vorhaben, Ziele. Schade eigentlich, dass es die Messis und Ronaldos nicht als Panini-Pickerl zu kaufen gibt, das Sammelalbum "Wahl 2024" hätte das Potential, bei Sobethy's einmal auf Augenhöhe mit einem da Vinci-Schüler versteigert zu werden.
Am Land geht man früher schlafen, deshalb fand die erste wirkliche Elefantenrunde live am Dienstag nicht um 20.15 Uhr statt, oder gar noch tiefer in der Nacht, sondern als die Sonne noch zwei Handbreit über dem Berg stand. Für 16 Uhr waren die Spitzenkandidaten und die einzige Spitzenkandidatin im Salzburger Landestheater einbestellt worden, die logische Einstiegsfrage wäre in der Tradition von Sebastian Kurz gewesen: "Und, habts schon zu Abend gegessen?" Das geschah nicht. Leider!
Karl Nehammer ist derzeit häufig in unseren Wohnzimmern zu begrüßen. Am Montag war er zum "Sommergespräch" im ORF zu Gast, am Dienstag war er Teil der Elefantenherde, am Mittwoch hat er sein nächstes "Sommergespräch", diesmal auf Servus TV. Da heißt das "Sommergespräch" nur mehr schlicht "Gespräch". Ab Herbst soll es ein Sparpaket geben, hört man überall, bei den Buchstaben wird offenbar schon damit angefangen, die ersten Rücklagen zu bilden. Geiz ist geil!
Politiker schmiegen ihre Tagesabläufe nun an Fernseh-Auftritte an. Der Kanzler nächtigte nach seiner heldenhaften Verteidigung der ÖVP gegenüber Martin Thür der Einfachheit halber gleich am Traunsee und ließ sich dann am Tag darauf nach Salzburg rollen. Hier lieferte er sich den nächsten "Schlagabtausch", diesmal war es sogar ein "Großer Schlagabtausch". Nicht alle Ecken und Enden des Landes beteiligen sich am Buchstabensparen.
Der Kanzler hatte vom Traunsee ein paar Erinnerungen mitgebracht. Wer beide Sendungen gesehen hat, feierte ein Wiedersehen mit dem Zero-Based-Budgeting und dem Kuchen, der zur Verteilung kommt, oder nicht. Auch die "vernünftigen Kräfte", die Nehammer in der FPÖ ausmacht, waren wieder da, man konnte ihnen zuwinken.
Die erste Reihe trat zum "Großen Schlagabtausch" komplett an. Sechs Bundesländermedien hatten eingeladen, das versprach sechs Mal umfassende Berichterstattung in Print und Online in einem Aufwaschen. Darauf wollte niemand verzichten, nicht der ÖVP-Kanzler, nicht der grüne Vizekanzler Werner Kogler, weder SPÖ-Chef Andreas Babler noch FPÖ-Chef Herbert Kickl, auch nicht Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Was die Präsenz betrifft, ist Geiz nicht geil.
Wie Rennpferde ohne Boxen standen sie da auf der Bühne, mehr als bereit für den ersten Ausritt, vollgepumpt mit Adrenalin. Den höchsten Spiegel hatte Meinl-Reisinger, die erst nicht zu Wort kam, mit Werner Kogler ein Schwätzchen hielt und dann losgaloppierte, als wären die vier apokalyptischen Reiter hinter ihr her.
Da war auch der Vizekanzler wieder zu verstehen, in seinem Rahmen halt, Koglers Mikro war anfangs zu leise geschalten. "Die Technik hört nicht auf mich", rief er verärgert, er habe auf das Problem schon hinter den Kulissen hingewiesen. Die gescholtene Kulisse entschädigte ihn dafür fürstlich. Nach einer Stunde hatte Kogler als Einziger einen Krug Wasser vor sich am Pult stehen, die anderen mussten sich mit einem Glas bescheiden. Es schlug die Stunde des Sommeliers.
Kogler goss also Meinl-Reisinger das Glas voll, dann ging er quer über die Bühne zu Andreas Babler und füllte auch sein Glas auf. Was immer in dem Wasser drinnen war, es muss jedenfalls Flügel verliehen haben. Denn am Ende, als es versöhnlich wurde und man nette Sachen über den Nebenmann oder die Nebenfrau sagen sollte, flog Babler Nachbar Kickl regelrecht an. "Ich werde alle meine Energie verwenden, dass sie keine politische Verantwortung in dem Land übertragen kriegen", sagte er unter Zornesfalten auf der Stirn. Er lasse sich die Demokratie nicht "zusammenschießen".
Der Rest? Viele Bonmots. "Das schaue ich mir dann an, wie die Wirtschaftskammer und die Bauernfunktionäre von Ast zu Ast hüpfen mit den Bestäubungs-Stäbchen," ärgerte sich Kogler über Bremser beim Umweltschutz. Und als Meinl-Reisinger gefragt wurde, ob bei ihren Wahlplakaten mit Photoshop nachgeholfen werde, ätzte sie: "Es ist kein Zirkus und wir sind keine dressierten Zirkuspferde". Ach!
Eine wirkliche Debatte entwickelte sich nicht. Die Kandidatin und die Kandidaten beantworteten Fragen der Diskussionsleitung, je länger der Nachmittag dauerte, desto mehr uferte das aus. Bis schließlich nur mehr auf die Vorredner eingegangen wurde. Als der Kanzler zum Thema Asyl gefragt wurde, beschäftigte er sich mit der Renaturierung des Rheintales. In Österreich hängt alles irgendwie zusammen, aber dieser Bogen schien doch recht weit gespannt.
Was am meisten überraschte: Die Pandemie war kein Thema, nicht einmal Herbert Kickl sprach sie an. Dafür behauptete er, Nehammer sei "kein vernünftiger Demokrat".
Ich wünsche einen vernünftigen Dienstag. Morgen hören wir uns bei den Wahl-Kopfnüssen wieder. Natürlich nur, wenn Sie mögen!