Kopfnüsse

Das Gefurze und seine Hintergrund-Geräusche

Die Grünen, Lena Schilling und ihre Chat-Affäre. Und warum mich Herbert Kickl fast 1.000 Euro kosten könnte.

Vizekanzler und Grünen-Bundessprecher Werner Kogler mit Lena Schilling, Spitzenkandidatin für die EU-Wahl
Vizekanzler und Grünen-Bundessprecher Werner Kogler mit Lena Schilling, Spitzenkandidatin für die EU-Wahl
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In der gewesenen Woche schlug ein Rücktritt in Österreich auf. Oder ein. Er betraf allerdings eine andere Person als zunächst gemutmaßt worden war. Dominic Thiem hört auf und zwar ohne viel Gefurze. Ende des Jahres soll es soweit sein. Thiem trat via Instagram zurück, der Kanzler würdigte ihn über X – es ist spürbar eine kleine Weile her, dass wir eine Rufnummer gewählt haben, um uns am Telefon die "Schallplatte der Woche" anzuhören.

Vor ein paar Wochen habe ich die Politik dafür gescholten, dass sie verbal immer häufiger ins Klo greift. Meine Worte kamen leider über die Nachhaltigkeit von Raumspray nicht hinaus, ihre Wirkung, die sich nie entfaltete, verpuffte, ohne dass jemand einen Lungenzug genommen hatte. Das Gemüffel wurde in der Folge nicht besser, eher übler, in der vergangenen Woche durchlief es sogar mehrere Spülgänge.

Am Freitag konterte Harald Vilimsky, FPÖ-Spitzenkandidat für die Europawahl, im "Standard" den Vorwurf, seine Partei habe eine allzu große Russlandnähe so: "Im Rektum Putins waren andere unterwegs". Schon am Dienstag war Lena Schilling, vegane Antwort auf Vilimsky, dem Eindruck entgegengetreten, sie sei zu junges Gemüse für die EU: "Auch den Scheiß werden wir ihnen beweisen." Die Arschkarte scheint die neue "Schallplatte der Woche" zu sein und sie wird jedem vorgespielt, ohne dass man dafür eigens eine Rufnummer wählen müsste.

Auf die Phase der Banalisierung folgte in Österreichs Politik zuletzt eine Epoche der Analisierung. Beides ist irgendwie oasch, ich darf das sagen, schließlich trete ich zu keiner Wahl an.

Es war sowieso eine merkwürdige Woche, zerrissen von einem Feiertag, dessen Name und religiöse Bedeutung kaum jemand ungestützt nennen kann. Alles geriet noch mehr durcheinander als es ohnehin schon durcheinander geraten war. Andreas Babler will nicht mehr ein Linker sein, sondern sieht sich plötzlich "stark christlich-sozial verankert", wie er dem "Kurier" erzählte. Da wird seine Leninstatue ordentlich Schluckauf bekommen haben, immerhin hatte Karl Marx die Religion als "Opium des Volkes" bezeichnet und so freizügig stehen Rauschmittel in Österreich jetzt auch noch nicht zur Verfügung.

In Wochen mit Fenstertagen holt auch die Politik gern Luft, das aber ging diesmal nicht, denn es bahnte sich das Gefurze seinen Weg. Tatsächlich war der Prozess des Flatulierens bereits vor rund einem Monat eingeleitet worden, ohne dass im Land viele davon Wind bekamen. Es ist nicht ganz einfach davon zu erzählen, ohne weiter in die Privatsphäre von Lena Schilling einzudringen, aber in der gegenwärtigen Situation halte ich es für relevant, ein paar Hintergründe zu erläutern. Ich versuche es, ohne die "Schallplatte der Woche" auf volle Rotation zu stellen.

Also: Schilling lebte in einer Beziehung mit einem Politikerkollegen. Die Liebe ging im Frühjahr in die Brüche. Es gab männlicherseits etwas Verletztheit und in dieser Situation zeigte der Ex Anfang April einer Bekannten ein paar private Chatnachrichten, die ihm Schilling geschrieben hatte. Er hätte das vielleicht besser nicht tun sollen. In den Chats äußerte die grüne EU-Spitzenkandidatin den Verdacht, eine ihrer früher besten Freundinnen sei von ihrem Ehemann verprügelt worden und habe nach einem Übergriff eine Fehlgeburt erlitten.

Das Problem: Bei der Bekannten, die nun die Chats zu lesen bekam, handelte es sich um die Betroffene selbst, Veronika Bohrn Mena, das vermeintliche Opfer der vermeintlichen Prügelattacke. Ich kann sie nennen, sie ist selbst damit an die Öffentlichkeit getreten. Bohrn Mena ist Autorin mehrerer Bücher (etwa "Konzerne an die Kette – So stoppen wir die Ausbeutung von Umwelt und Menschen"), war acht Jahre lang in der Gewerkschaft GPA beschäftigt und ist nunmehr Vorsitzende der Gemeinwohlstiftung COMÚN mit Sitz in Alt-Nagelberg im Waldviertel, früher überregional bekannt durch die Stölze-Glasfabrik.

Die Stiftung COMÚN hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Sebastian Bohrn Mena ins Leben gerufen. Der gebürtige Chilene ist ebenfalls Autor, Unternehmensberater und Streitpartner von Gerald Grosz im TV-Etablissement von Wolfgang  Fellner, einer Veranstaltung für politisch eher weniger sensible Mägen. COMÚN wurde 2021 mit einem Stammkapital von 53.000 Euro gegründet, 50.000 Euro kamen von einem "Verein zur Gründung einer Gemeinwohlstiftung in Österreich", 3.000 Euro von den Bohrn Menas. Über die Stiftung hört man manches, nicht alles klingt gut.

Das Ehepaar gilt als durchaus streitbar, tritt forsch auf, ein Mangel an Selbstbewusstsein ist beiderseits nicht diagnostizierbar. Freunde wie Feinde lassen sich schnell finden, die jeweiligen Gruppen dürften ungefähr gleich groß sein. In ihrer Waldviertler Kommune versammeln die Bohrn Menas Menschen um sich, die sich vorrangig dem linken Lager zuordnen lassen, dem linken Lager der SPÖ, dem linken Lager der Grünen, die KPÖ hat nur ein linkes Lager.

COMÚN wurde offiziell gegründet, "um den sozialen und ökologischen Wandel in Österreich und weltweit voranzutreiben". Das gesammelte Geld geht an Hilfsbedürftige, fließt in Öko-Förderungen, Projekte, Veranstaltungen, man engagierte sich für das Lieferkettengesetz und in der Ukrainehilfe. 2022 flossen Spenden in Höhe von rund 108.000 Euro und Förderungen von knapp 55.000 Euro in die Kassa.

Grüne Betonmauer: Vizekanzler Werner Kogler mit EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Klubchefin Sigi Maurer und Landesrat Stefan Kaineder
Grüne Betonmauer: Vizekanzler Werner Kogler mit EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Klubchefin Sigi Maurer und Landesrat Stefan Kaineder
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Die Stiftung hat mittlerweile drei Gesellschaften gegründet, die Common Affairs GmbH für Veranstaltungen, die COMÚN Media für die Herausgabe von Medien und die COMÚN Gemeingut GmbH für die Verwaltung von Beteiligungen und Immobilien. Es gibt einen Stiftungsbeirat (in dem saß zu Beginn auch Lena Schilling) und drei Fonds (Lena Schilling saß im Bewegungsfonds).

Es gibt gemeinsame Bilder von Veronika Bohrn Mena und Schilling vom August 2021 vor dem Wiener Ikea am Westbahnhof. Man protestierte gegen das "aufwendig inszenierte ökologische Image von IKEA", es basiere "auch auf der Verwendung von Holz aus illegalem Raubbau". Jetzt ist in der Beziehung der Borkenkäfer drin.

Nachdem Veronika Bohrn Mena die Chats gelesen hatte, und nachdem auch Sebastian Bohrn Mena die Chats gelesen hatte, begann im Märchenwald das Feuer zu glosen, aber es war noch nicht weithin zu sehen. Die beiden verlangten eine Ehrenerklärung von Schilling, sie stimmte zu, aber die Gespräche fuhren sich schnell fest. Ob hier von einer Seite das Potential eines Skandals erkannt wurde, lässt sich nicht belegen, das Gegenteil allerdings auch nicht.

Am 7. April jedenfalls postete Sebastian Bohrn-Mena um 21.01 Uhr auf X etwas zunächst für viele Rätselhaftes. "Das Pfeifen der Spatzen auf den Dächern wird lauter, spätestens im Mai gibt’s wohl wieder einen Rücktritt bzw. Rückzug in der Politik. Diesmal könnte es laut werden. Eine „Tradition" würde sich fortsetzen“. Danach folgte eine Aufzählung von neun Politikerinnen und Politikern, die im Mai eine "Persönliche Erklärung" abgegeben hatten und abgetreten waren. Das Posting liest sich heute wie die Ankündigung der Schilling-Affäre.

Inzwischen waren bereits die Anwälte tätig geworden, auf Seiten von Lena Schilling Maria Windhager, die Bohrn Menas ließen sich von Peter Zöchbauer vertreten, beides hocherfahrene Leute in ihrem Metier. Die Juristen hielten die Flamme niedrig, arbeiteten in rund einer Woche einen Entwurf aus, aber unbemerkt war das kleine Feuer inzwischen zum Flächenbrand eskaliert. Mit Absicht? Einer ausgehandelten Verschwiegenheitserklärung wollte das Ehepaar Bohrn Mena plötzlich nicht mehr zustimmen. Spätestens da hätte man die Feuerwehr rufen können.

Am 12. April kam es trotzdem zu einem so genannten prätorischen Vergleich. Es fand also keine Gerichtsverhandlung statt, sondern die Streitparteien tauchten mit einem fix und fertigen Schriftstück bei der Richterin auf, die setzte den Stempel unter das Dokument und fertig. Die Vereinbarung bindet Schilling für die Zukunft. Sie darf nun nicht mehr behaupten, dass Bohrn Mena seine Frau geschlagen habe. Und auch nicht mehr, dass die Stiftung des Ehepaares "wie eine Mafia" agiere.

Verstößt Schilling dagegen, muss sie eine Strafe zahlen. Nicht 20.000 Euro, das ist nur der Streitwert zur Gebührenberechnung. Wie viel, legt das Gericht erst im Anlassfall fest, die "Presse" schrieb von mutmaßlich "ein paar hundert Euro" beim ersten Verstoß. Das Ehepaar Bohrn Mena kann Schilling allerdings ungeachtet der geschlossenen Vereinbarung immer noch wegen der erhobenen Vorwürfe verklagen.

Anstandswauwau? Lena Schilling mit ihrem Mentor, Vizekanzler Werner Kogler am Dienstag beim Wahlkampfauftakt
Anstandswauwau? Lena Schilling mit ihrem Mentor, Vizekanzler Werner Kogler am Dienstag beim Wahlkampfauftakt
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Die Affäre hätte hier ihr Ende finden können, tatsächlich entflammte sie nun aber erst so richtig. Denn vor drei Wochen, also knapp nach dem Vergleich, wurde weitgehend allen Redaktionen des Landes die Erzählung mit den falschen Anwürfen warm angetragen. Die Grünen erfuhren das recht bald, denn Journalisten riefen bei ihnen an und erkundigten sich, was da los sei. Mir ist nichts davon zu Ohren gekommen, dass sich die Medien abgesprochen hätten, aber alle entschieden, die Schilling-Affäre auf "privat" zu setzen und nichts davon zu publizieren.

Das lässt sich so oder so sehen. Redaktionen haben auch in der Vergangenheit immer wieder Sperrlinien gezogen, was öffentlich berichtet werden und was privat bleiben sollte. Aber diese Sperrlinien wirkten oft recht beliebig auf die Straße gepinselt, sie wurden entfernt, wenn es in den Kram passte, oder die Sperrlinien nahmen die Form von Schlangenlinien an und sahen dann aus, wie von jemandem unter den Einfluss von Substanzen aufgemalt. Für die Willkür ließen sich viele Beispiele als Beleg anführen, aber das hieße die Privatsphäre ein zweites Mal zu verletzen.

Als nichts passierte, dachten die Grünen, die Affäre wäre überstanden. Ein Trugschluss. Am Montag den 6. Mai nahm der "Standard" erneut Kontakt auf und schickte einen Fragenkatalog an die Presseabteilung der Partei. Fristsetzung für die Beantwortung 15.30 Uhr. Aber am Abend und auch am nächsten Morgen fand sich nichts online, nichts im E-Paper, nichts in der Printausgabe. Also ging man am Dienstag ab 16.30 Uhr im Zustand höchster Fröhlichkeit in den Wahlkampfstart am Karlplatz. Die Heiterkeit hatte ein Ablaufdatum.

Es gab eine Dreiviertelstunde Text, eine aufgedrehte Lena Schilling macht von der Bühne herab Programm als wäre sie in der Schinkenstraße am Ballermann. Neben ihr wirkte Werner Kogler in der schwarzen Lederjacke wie zur falschen Party eingeladen. Erst recht als Schilling befremdlich den Kopf auf seine Schulter legte und nicht wirkte wie eine künftige EU-Spitzenpolitikerin, die Freihandelspakte oder neue Asylgesetze verhandeln soll, sondern eher wie eine Enkelin, der eben das Taschengeld erhöht worden war.

Nachdem "Rahel", die eigentlich Rahel Kislinger heißt, mit ihren Show fertig war, begannen die Grünen mit dem Abräumen. Es war 18.30 Uhr und der "Standard"-Artikel platzte mitten hinein in die Ballermann-Sperrstunde. Das war gut und schlecht gleichermaßen. Schlecht, weil es passierte. Gut, weil zumindest ein Teil der Führungscrew noch da war, um die Krisenkommunikation zu planen.

Da schien die Welt noch in Ordnung: Spitzenkandidatin Lena Schilling und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Karlsplatz
Da schien die Welt noch in Ordnung: Spitzenkandidatin Lena Schilling und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Karlsplatz
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Die Planungen dürften sehr ergebnisoffen verlaufen sein, denn was die Grünen dann am nächsten Tag im Parlamentsklub in der Löwelstraße ablieferten, hatte mehr mit Krise zu tun als mit Kommunikation. Die Pressekonferenz musste auf 8.30 Uhr gelegt werden, weil danach der Ministerrat anstand und vielleicht lag es auch an der frühen Morgenstunde, dass so ziemlich alles falsch gemacht wurde, was falsch gemacht werden konnte.

Es gab keine Kommunikationsstrategie. Es erschloss sich nicht, warum fünf Personen da standen und warum genau die. Warum die Klimaministerin anwesend war, aber nicht die Justizministerin. Wieso Leonore Gewessler immer wieder nickte als wäre sie die Ministrantin eines TV-Predigers. Weshalb man die drei Wochen Wartezeit nicht genutzt hatte, um sich Antworten auf die Fragen zu überlegen, die klar auf der Hand lagen. Und dann nannte Kogler die Vorwürfe auch noch "Gefurze".

Die Grünen, die sich sonst mit jedem Himbeerstrauch solidarisieren, fanden keine Worte der Empathie für die potentiellen Opfer. Natürlich kann sich Lena Schilling schuldlos fühlen. Aber nicht verstehen zu wollen, dass sich manche von ihr bedrängt, belogen, falsch beschuldigt, ans Kreuz genagelt, über den Tisch gezogen, enttäuscht oder was auch immer fühlen, belegt nur, dass auch bei den Grünen der Heiligenschein zwickt und zwackt, wenn der Anstand einmal ansteht. Auf den Plakaten liest sich das immer anders.

Spitzenkandidatin Lena Schilling am 2. Mai 2024 bei der Plakatpräsentation der Grünen zur EU-Wahl
Spitzenkandidatin Lena Schilling am 2. Mai 2024 bei der Plakatpräsentation der Grünen zur EU-Wahl
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Natürlich ist die Situation komplex. Es fehlt der Außenfeind, der dich attackiert, den du benennen kannst und der in deinen Reihen für Solidarisierung sorgt. Die Grünen erleben die Geschehnisse wie in einer Burg, die Zugbrücke ist hochgezogen, aber im Hof stehen lauter trojanische Pferde herum und bei einem nach dem anderen geht die Klappe auf und Freunde spazieren heraus, aber sie tragen nun die Kleidung des Feindes.

Dann ist da auch noch der "Standard", für die Grünen jahrelang sicheres publizistisches Hinterland. Leserschaft und Wählerschaft weisen große Schnittflächen miteinander auf, fast überlappend wirkt das. Und ausgerechnet von da geht die Affäre nun aus. Ich mag mich mit meiner Beobachtung täuschen, aber seit Antritt des neuen Chefredakteurs beschleicht mich der Eindruck, dass hier eine sanfte Umplatzierung vollzogen wird, vielleicht wird auch eine gesellschaftliche und politische Verbreiterung versucht. Die Schilling-Entzauberung würde jedenfalls ins Bild passen.

Was bleibt? Für die Grünen die Frage, ob sie aus populistischen Gründen die falsche Kandidatin genommen haben. Die Antwort gibt die Wählerschaft am 9. Juni. Indem sie jemanden anderen wählt. Oder daheim bleibt.

Herbert Kickl am Weg zur einer Pressekonferenz anlässlich der Regierungsumbildung 2021
Herbert Kickl am Weg zur einer Pressekonferenz anlässlich der Regierungsumbildung 2021
Helmut Graf

Ich wünsche einen wunderbaren Sonntag. Falls Sie es vergessen haben (und wenn, dann brennt schon ziemlich der Hut): Heute ist Muttertag, da backen wir Blumen und kaufen einen Strauß Gugelhupf, oder andersrum. Mütter und Großmütter und Urgroßmütter müssen geehrt werden, ob sie wollen oder nicht, so schreibt es die Familien-Scharia vor, das wird im Kalifat dereinst einmal nicht besser werden.

Der falsche Opa ließ sich von der falschen Oma scheiden, der richtige aber nicht. Kann passieren
Verwirrspiel um Kickl

Bei mir war es heuer anders. Ich bekam diese Woche elektronische Post, weil ich mich zu intensiv um die Großeltern mütterlicherseits gekümmert hatte. Mitte April ist eine Biographie über Herbert Kickl erschienen, zwei "Profil"-Redakteure haben sie verfasst. Es wurden ein paar Details verwechselt, der eine Opa war eigentlich ein anderer Opa. Und weil der eine Opa ein anderer Opa war, also mütterlichereits, hieß er nicht Johann, war nicht Steirer, kein Sohn eines Bauunternehmers, nie bei einer Versicherung, ist nicht aus der Kirche ausgetreten, war im Krieg nicht bei der Flak und danach nicht in britischer Gefangenschaft. Weil der Opa mütterlichereits ein anderer Opa war, hatte auch die Oma mütterlichereits einen falschen Vornamen. Der falsche Opa ließ sich von der falschen Oma scheiden, der richtige aber nicht. Kann passieren.

Ich habe mich mit dem Buch beschäftigt, zu intensiv offenbar, denn nun will der Zsolnay-Verlag deshalb fast 1.000 Euro von mir oder meinem Dienstgeber. Das ist recht viel für eine Biographie, die im Handel 26,50 Euro kostet. Aber vielleicht ist das Werk inzwischen so vergriffen, dass es sich um eine Kostbarkeit handelt und vertrieben wird wie Almas-Kaviar.

Weil ich auf Newsflix "in sehr großem Umfang aus dem Buch" zitiert habe, sei es "zu einer Urheberrechtsverletzung gekommen", schreibt mir der Verleger der Kickl-Erstausgabe. Ich möge doch so nett sein, okay, so nett ist es nicht formuliert, und "ein Honorar von 500 Euro sowie eine zusätzliche Pönale von 300 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer" überweisen, und zwar für den "entstandenen Schaden". Über die Schäden, die ich bei der Lektüre erlitten habe, wird natürlich kein Wort verloren.

Das hatte ich auch noch nicht. Es gab Verlage, die sich darüber beschwert haben, dass nichts oder zu wenig über Bücher berichtet wurde. Die Neos haben sich vor ein paar Wochen bei mir aufgeregt, weil ich falschen Passagen aus dem Leitkultur-Buch von Parteichefin Beate Meinl-Reisinger zitiert hätte. Also die Passagen waren schon richtig, doch sie hätten lieber andere gelesen. Aber dass sich ein Verlag darüber beschwert, dass zu viel Reklame für ein Buch gemacht wurde, darüber hätte sogar meine Großmutter den Kopf geschüttelt, wenn sie noch leben würde. Und es wäre in meinem Fall sogar die richtige Omi gewesen. Mütterlicherseits.

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