Horror-Hype "Longlegs"
Gruseligster Film des Jahres: Der Teufel steckt im Detail
In den USA als Schauermärchen gefeiert, jetzt startet der Horror-Thriller von Osgood Perkins, dem Sohn von Anthony Perkins' ("Psycho") auch in Österreichs. Aber wie gruselig ist "Longlegs" wirklich?
Die Zutaten für einen gelungenen Horror-Thriller mit wohligem Grusel-Faktor sind hinlänglich bekannt: Ein wahnsinniger Killer, sich häufende Leichen, etwas Okkultismus oder Psychopathie – und ein Gesetzeshüter (oder eine Gesetzeshüterin), der (die) sich dem Bösen in den Weg stellt (und dabei gerne auch selbst mit dem einen oder anderen Trauma zu kämpfen hat). Mehr braucht es meist nicht, so oder so ähnlich sieht spätestens seit Beginn der 1990er-Jahre, seit Erfolgsfilmen wie "Sieben" oder "Das Schweigen der Lämmer", die Schablone aus, die viele Filmemacher nutzen.
Klare Vorbilder Ab und zu führte das zu Ergebnissen, die über bemühte Kopien der Vorbilder nicht hinauskamen (wie etwa "Der Knochenjäger" mit Denzel Washington nach einem Buch von Jeffrey Deaver, oder zuletzt "Mindcage" mit John Malkovich). Oder aber zu völlig originären Filmen, die die "Faszination des Bösen" weiterspinnen sowie seine filmische Darstellung weiterdenken und -entwickeln – etwa einzelne Teile der "Saw"-Reihe, "Split" von Mystery-Horror-Guru M. Night Shyamalan oder "Midsommar" von Ari Aster.
Mittelding mit Marketing Der Horrorthriller "Longlegs", der ab 8. August in den österreichischen Kinos zu sehen ist, positioniert sich hier irgendwo dazwischen. Zwar wird er in den USA als "gruseligster Film des Jahres" gehandelt und sogar als legitimer Nachfolger von Genre-Ikone "Sieben" von Regisseur David Fincher gefeiert. Doch davon ist der Streifen doch ein gutes Stück entfernt.
Sohn von Anthony Perkins Der Regisseur Osgood "Oz" Perkins trägt einen berühmten, im Horrorgenre fix verankterten Namen: Sein Vater Anthony war es, der dem Kinopublikum in Hitchcocks "Psycho" 1960 das Fürchten neu lehrte. Und damit die filmische Darstellung von Psychopathie prägte. Da war der eigene Weg für den Sohn, Jahrgang 1974, beinahe vorgezeichnet: Auch er schlug eine Karriere beim Film ein. Sein erster großer Auftritt datiert im Jahr 1983, als er in "Psycho 2" als neunjähriger die jugendliche Version seines Vaters spielen durfte, also den kindlichen Norman Bates. Es folgten weitere Auftritte als Schauspieler, bevor sich "Oz" Perkins der Regie zuwandte und 2015 mit "Die Tochter des Teufels" sein Debüt hinlegte.
Style vor Substanz Perkins präferiertes Genre ist also schnell bestimmt: Horror. 2020 sorgte er in der Cineasten-Community mit "Gretel & Hänsel" für Aufsehen, da er dem alte Grimm-Märchen einen eindeutig feministischen Anstrich verpasste (nicht nur durch Vertauschung der beiden Namen im Titel). Doch bereits in dem visuell aufwändig und mit großem Stilwillen gestalteten Werk wurde die größte Schwäche Perkins' offenkundig, die sich leider auch in "Longlegs" zeigt: Er folgt bedingungslos dem Ideal "Style vor Substanz".
Uninspirierte Kopie In "Longlegs" zeigt sich das so, dass die durchaus interessante Geschichte nie originell wirkt, sondern immer irgendwie wie die Kopie eines anderen Films – und damit entsprechend substanzlos. Eklektizistisch eben, wie das in der Fachsprache heißt. Das zeigt sich schon beim Blick auf die zugrundeliegende Story, für die ebenfalls Perkins verantwortlich zeichnet.
Darum geht's in "Longlegs" In den 1990ern, wo der Film spielt, treibt ein mysteriöser Serientäter sein Unwesen in Oregon, ganze Familien werden von ihm ausgelöscht. Die junge, etwas eigenwillige FBI-Agentin Lee Harker (Maika Monroe) heftet sich an seine Fersen und soll den Täter dingfest machen – Vorbild: Clarice Starling (Jodie Foster) in "Das Schweigen der Lämmer".
Nicolas Cage als Satanist Beim Täter handelt es sich um einen verrückten älteren Mann mit langen, weißen Haaren (Nicolas Cage) mit bizarrem Auftreten und eigenwilligem Sprachduktus, der andere dazu bringt, seine Morde auszuführen. Das FBI und Harker versuchen zu ergründen, wie ihm das gelingt – Vorbild: "Sieben" mit Brad Pitt und Morgan Freeman. Dazu kommt noch etwas Übernatürliches, Okkultismus und Satanismus, was sich auch in hunderten weiteren Horrorfilmen findet.
Gekonnter Spannungsaufbau … "Longlegs" ist keinesfalls ein Komplettreinfall: Für Freunde des Horror-Genres hat der Film einiges zu bieten (und sei es nur das zusammengeklaute Best-Of). Gerade in den ersten zwei Dritteln gelingt dem Regisseur auch ein gekonnter Spannungsaufbau, man möchte als Zuschauer unbedingt wissen, wer hinter den mysteriösen Morden steckt, warum sie geschehen und wie die Protagonistin darin verwickelt ist, was immer wieder angedeutet wird.
… maues Finale Die finale Konfrontation zwischen dem Urheber des Bösen und seiner Jägerin ist dann aber doch irgendwie enttäuschend. Nicolas Cage legt einen seiner bekannten Over-the-top-Overacting-Auftritte hin – seine Fans werden ihn dafür feiern. Doch gerade wenn man sich als Film mit echten Meisterwerken (wie den hier bereits mehrfach zitierten Titeln) messen möchte, sollte man schon mehr bieten. Nicht zuletzt, weil auch die "Auflösung" des Falles dann insgesamt doch eher eine Enttäuschung ist.
Oberflächlich und leer Dabei ist das größte Problem an "Longlegs" gar nicht, dass er wenig Neues liefert. Sondern vielmehr, dass er seine Vorbilder nicht als Inspiration für etwas Eigenständiges nimmt, sondern als Material für schamloses Kopieren. So wirkt der Film am Ende seltsam oberflächlich, leer und wenig greifbar. Wie schon bei "Gretel & Hänsel" – der Teufel steckt eben im Detail.
Fazit So ist "Longlegs" zwar ein solider Horror-Thriller geworden, der die Checkliste für Filme dieses Genres gewissenhaft abarbeitet und damit auch bei uns sein Publikum finden wird. Gemessen an der immensen Erwartungshaltung und den teils hymnischen Reaktionen aus den USA – "gruseligster Film des Jahres" – ist er aber vor allem für Horror-Connaisseure doch eine Enttäuschung.
"Longlegs", USA 2024, 102 Minuten, ab 8. August im Kino