at-alert
Handy-Alarm: Ob er erfolgreich war, wird man nie erfahren
Am Samstag wurde Österreichs neues Handy-Warnsystem erstmals getestet. Allerdings: Es lässt sich nicht feststellen, bei wie vielen Handys die Warnung überhaupt angekommen ist. Aber das scheint kaum jemanden zu kümmern.
Die gute Nachricht vorab: Die Eigenverantwortung ist wieder da! Jene Tugend, die von der Bundesregierung zuletzt in der Corona-Pandemie immer dann ins Treffen geführt wurde, wenn die amtliche Regulierungswut an ihre praktischen Grenzen gestoßen war. Nach dem offiziellen Ende der Pandemie, wurde es auch um die Eigenverantwortung ein wenig stiller. Aber jetzt ist sie wieder gefragt.
Denn das neue Handy-Warnsystem AT-Alert, das am vergangenen Wochenende seinen ersten offiziellen Testlauf hingelegt hat, ist offenkundig noch nicht dort, wo es sein sollte. Oder doch und man weiß es nicht. Denn AT-Alert wird nur so gut funktionieren, wie es seine Adressaten zulassen – Stichwort Eigenverantwortung. Und das sind alle Österreicher im Besitz eines Mobiltelefons. Das Problem: Ob und wie viele Alarmmeldungen auf den Smartphones landeten, weiß man nicht und wird man auch nie erfahren. Es ist schlicht nicht vorgesehen. Der Test endete in einem Blindflug. Was man über den ersten Probelauf von AT-Alert bisher weiß:
Was ist AT-Alert?
Ein neues Zivilschutz-Warnsystem für alle Bürger, die ein Handy besitzen. AT-Alert ist eine Ergänzung zum bekannten Sirenen-System, bei dem Sirenen im öffentlichen Raum im Gefahrenfall die Bevölkerung warnen sollen. Diese Zivilschutzsirenen wurden zuletzt am Samstag, dem 5. Oktober, einem alljährlichen Test unterzogen. Parallel dazu wurde am 5. Oktober auch AT-Alert erstmals ausprobiert, ein Warnsystem, das Textmeldungen auf alle aktiven Handys in Österreich senden kann.
Wie funktioniert AT-Alert?
Mit einer eigentlich relativ unkomplizierten Technik. Wenn in einem Gebiet ein Unglücks- oder Katastrophenfall eintritt, vor dem die Bevölkerung gewarnt werden soll, dann wird von allen Mobilfunksendern, die in diesem Gebiet stehen, eine Warnmeldung an alle Handys ausgeschickt, die sich gerade im Empfangsbereich dieser Mobilfunksender befinden. Wie das im Details geht und alle weiteren relevanten Infos zu AT-Alert finden Sie hier.
Wer darf AT-Alert benutzen?
Einerseits das Innenministerium und andererseits die neun Landeswarnzentralen in den Bundeslängern.
Wovor soll AT-Alert warnen?
Primär vor Natur- und Umweltkatastrophen, aber auch vor allen anderen Gefahren für die Öffentlichkeit. Und es soll auch die Möglichkeit geben, das System für die Suche nach vermissten Personen einzusetzen. Wie das Innenministerium, das für die Einführung von AT-Alert verantwortlich ist, das System sieht, lesen Sie hier.
Wie lief der erste Test ab?
Geplant war, dass zwei Probe-Meldungen abgesetzt werden. Eine vom Innenministerium für ganz Österreich und eine von jedem Bundesland in seinen Landesgrenzen. Denn AT-Alert soll künftig sowohl vom Bund, als auch von den Ländern gleichermaßen genutzt werden können. Das Innenministerium schickte seine Meldung auf Gefahren-Level 2 (von insgesamt 4 Gefahren-Stufen) kurz nach 12 Uhr mittags aus, die Bundesländer schickten ihre Probe-Meldung ab 12.45 Uhr. In Wien wurde eine Level-1-Meldung um 12.47 Uhr versendet.
Was haben die unterschiedlichen Gefahren-Levels für einen Sinn?
Diese werden von der EU vorgegeben, die die Spezifikationen für das gesamte System festgelegt hat. Es gibt insgesamt vier Gefahren-Levels und einen eigenen Level für die Suche nach vermissten Personen.
Was hat die EU mit AT-Alert zu tun?
An sich sollte das EU-Alert-System bereits seit 2022 in allen EU-Staaten zur Anwendung kommen. Allerdings haben es bis jetzt nur 10 Länder in Betrieb, Österreich ist der bislang letzte Staat, der "sein" Alert-System in Kraft gesetzt hat. Das gesamte EU-Alert-System ist nach dem Vorbild des multimedialen US-amerikanischen Emergency Alert Systems aufgebaut, das in den USA bereits seit 1997 im Einsatz ist. Seit 2012 sind in den USA auch Textnachrichten auf Handys im Emergency Alert System integriert.
War der erste Test von AT-Alert erfolgreich?
Das liegt ganz im Auge des Betrachters. Die drei Mobilfunknetzbetreiber in Österreich (A1, Magenta, Drei) sind mit ihrer Leistung jedenfalls höchst zufrieden. Nach Auskunft des Forums Mobilkommunikation, dem Interessenverband der drei Netzbetreiber, hätten über 99 Prozent aller rund 18.800 Mobilfunksender die beiden Probe-Warnmeldungen ordnungsgemäß versendet. Das ist vergleichbar mit dem Wert bei den Zivilschutzsirenen - auch hier haben über 99 Prozent aller 8.356 Sirenen einwandfrei funktioniert.
Also alles eitel Wonne, oder?
Naja. Das Versenden der Warnmeldungen ist nur die halbe Miete. Diese müssen auch bei den Bürgern ankommen – sprich auf ihren Mobiltelefonen. Und hier scheint es nicht ganz so gut funktioniert zu haben. Jedenfalls, wenn man nach den Diskussionen in Online-Foren und auf Social Media geht. Hier gibt es unzählige Meldungen darüber, dass überhaupt keine Test-Meldungen angekommen sind, oder nur eine der beiden Alarm die Adressaten erreichte, zeitlich versetzt einlangte oder sonst nicht dem entsprochen haben, was eigentlich erwartet worden war.
Bei wie vielen Handys gab es Probleme beim Empfang der Probe-Warnmeldungen?
Das ist unbekannt und wird auch nicht ermittelt werden können. Denn das AT-Alert-System ist technisch so aufgebaut, dass zwar ein Signal an jedes Handy gesendet wird. Es aber von den Handys weder eine Bestätigung gibt, ob die Warnmeldung auch angekommen ist, noch, ob das Handy die Warnmeldung auch ausgespielt, sprich dargestellt hat. Kurz gesagt: Wie viele der geschätzt 9 Millionen Mobiltelefone in Österreich die Probe-Warnmeldungen tatsächlich auch dargestellt haben, weiß niemand.
Weshalb ist das so?
Das wurde absichtlich so eingerichtet, weil es nur so möglich ist, die Alarmmeldungen auch an all jene Handys zu schicken, die nicht in der Lage wären, eine Bestätigung zurück zu senden, etwa weil in ihnen keine SIM-Karte steckt, oder weil der Besitzer vielleicht seine Rechnung nicht bezahlt hat. Auf diese Art erreicht man die größtmögliche Verteilung einer Warnmeldung – um den Preis, dass es keine Sicherheit dafür gibt, dass ein Handy die Warnung auch wirklich dargestellt hat.
Gibt es zumindest den Versuch, festzustellen, wie viele Handy-Nutzer keine Warnmeldungen erhalten haben?
Die Stadt Wien hat zu diesem Zweck eine eigene Seite eingerichtet, auf der Wiener bis 11. Oktober Feedback geben können, ob bzw. wie viele Warnmeldungen sie erhalten haben. Bis Montagabend sind hier 655 Rückmeldungen eingegangen, wie viele davon negativ waren – also von Personen, die keine oder nicht alle Warnmeldungen erhalten haben, ist aber noch nicht bekannt, da diese Daten erst nach Ablauf der Rückmeldefrist ausgewertet werden sollen.
Warum könnte ein Handy eine Warnmeldung nicht dargestellt haben?
Dafür gibt es zahlreiche Ursachen. Am wahrscheinlichsten ist, dass ein Handy nicht über die nötigen technischen Spezifikationen verfügt, um die Warnmeldungen zu empfangen. Denn das System wurde so aufgesetzt, dass es bei beiden gängigen Handy-Betriebssystemen (also Android und iOS von Apple) eine relativ neue Version benötigt, um die Warnmeldungen auch empfangen und darstellen zu können. Bei Android ist das ein Betriebssystem ab Version 11 (wurde im Herbst 2020 präsentiert), bei Apple ein iOS-Betriebssystem ab Version iOS 17.4 (wurde erst im März 2024 vorgestellt).
Wenn mein Handy-Betriebssystem älter ist, erhalte ich keine Warnmeldungen?
Jedenfalls nicht alle. Das höchste Level der Warnmeldungen, die so genannten "Presidential Alerts", die vor extremer Gefahr warnen sollen, müssen nach EU-Vorgabe auf allen Handys ohne Einschränkung empfangbar sein. Alle anderen Warnmeldungen kommen auf Handys, deren Betriebssystem zu alt ist, scheinbar nicht an. Eigentlich sollte beim Test am Samstag auch eine Warnmeldung des höchsten Levels versendet werden, um das zu prüfen. Offensichtlich hat man sich im Innenministerium kurzerhand anders entschieden.
Gibt es noch andere Gründe, weshalb ich nicht alle Probe-Warnungen erhalten habe?
Es gibt in den Systemeinstellungen der Handys die Möglichkeit, Warn-Meldungen der unteren Levels am Handy auszuschalten. Alle Infos dazu finden Sie hier. Das höchste Level lässt sich nicht ausschalten, es muss immer und auf jedem Handy empfangen werden können.
Wie kann man verhindern, dass man überhaupt Warn-Meldungen auf sein Handy bekommt?
Nur, indem man das Telefon entweder in den Flug-Modus versetzt, oder es komplett ausschaltet.
Und was muss ich tun, um sicherzustellen, dass ich wirklich alle Warnungen auf meinem Handy erhalte?
Das ist der Punkt mit der Eigenverantwortung. Denn wenn man sich nicht selbst darum kümmert, dass sein Handy den erforderlichen Spezifikationen entspricht, um alle Warnmeldungen zu empfangen, tut es auch niemand anderer. Und vor allem für ungeübte Handy-Nutzer kann es schon die eine oder andere Hürde bedeuten, etwa sein Handy auf ein neues Betriebssystem upzugraden, vor allem, wenn der Speicherplatz auf dem Handy für die Installation des neuen Betriebssystems nicht ausreicht.
Ist daran gedacht, hier eine Art von Unterstützung für überforderte Bürger einzurichten?
Jedenfalls ist bislang nichts dergleichen bekannt.
Wie geht es mit AT-Alert jetzt weiter?
Federführend bei der Einführung des Systems ist das Innenministerium. Dort wartet man jetzt auf die Detailauswertungen der Mobilfunknetzbetreiber dazu, wie gut die Technik funktioniert hat, diese sollen bis spätestens Mittwoch, 9. Oktober, vorliegen. Auf dieser Basis sollen dann gemeinsam mit den Netzbetreibern und den Handyherstellern allfällige Verbesserungspotenziale erkannt und – wo möglich – umgesetzt werden. An Aktionen, um die AT-Alert-Fitness der Handys im Land zu erhöhen, ist derzeit allerdings nicht gedacht.