Wahl-Kopfnüsse, Folge 1

Jetzt täglich: So wurde ich für den Kanzler zu einer KI

Die Kopfnüsse gibt es ab heute jeden Tag, also so gut wie. Als Wahl-Kopfnüsse bis zum 29. September, vielleicht ein bisschen darüber hinaus.  Keine Angst, sie sind viel kürzer als sonst. Und außerdem bin ich nicht ich.

Im Duell der Silberrücken wollte der Kanzler die Förderungen runterdrücken
Im Duell der Silberrücken wollte der Kanzler die Förderungen runterdrücken
ORF/Roman Zach-Kiesling
Newsflix Kopfnüsse
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Als Letzter kam der Kanzler an den Traunsee und die Wespen beschlossen, ihn zu wählen. Immerhin. Martin Thür hatte sich für sein finales Sommergespräch extra schön angezogen, er trug kohlrabenschwarz. Vielleicht wollte er Karl Nehammer milde stimmen. Der Kanzler neigt zur Dünnhäutigkeit, das schimmerte gegen Ende hin durch.

Am Anfang wollten nur ein paar Insekten diese Dünnhäutigkeit ausnützen. "Und schon ist eine Wespe da", sagte Nehammer, straffte den Oberkörper und machte eine paar Kung-Fu-Handbewegungen. Dann war Ruhe.

Hier finden Sie den Podcast mit meiner KI-Stimme

Nehammer redete eine ganze Weile, schließlich fiel ihm auf, dass Martin Thür auch noch da war, im kleinen Schwarzen sah man ihn schlecht. "Ich nehme an, sie wollen jetzt gleich eine Frage stellen?" fragte der Kanzler, fragte sich in der Folge dann aber zur Sicherheit das meiste selbst.
"Es ist so."
"Warum ist es so?"
"Weil es so ist".

Es ging lange um das Verteilen von Kuchen, also von Geld. Diese Disziplin beherrscht Österreich meisterhaft. In der Regel werden Kuchenstücke verteilt, die noch nicht da sind, oder nie kommen werden. Oder, der Kuchen wird in acht Stücke geteilt und die Stücke werden dann vierzehn Leuten versprochen.

Das war auch diesmal so. Der Kanzler kündigte an, Förderungen um vier Milliarden kürzen zu wollen. Welche, verriet er nicht. Die Pläne schienen noch nicht fertig gebacken zu sein.

Im Duell der Graumelierten ging es sonst mehrheitlich um Themen, wie sie in jedem gehobenen Wiener Kaffeehaus besprochen werden. Die Rede war also vom Inflation Reduction Act, Zero-Based-Budgeting, von Transmission und systemischen Zugängen. Die großen Bilder fehlten, die Visionen auch. Als Nehammer bei der Justiz ins Grundsätzliche abgleiten wollte, mahnte ihn Thür mit leiser Stimme: "Herr Bundeskanzler, wir sind in Österreich." Brutaler wurde noch nie ein Regierungschef in einem Fernseh-Interview gemaßregelt.

4:1, keine schlechte Quote: Nur das Sommergespräch mit Andreas Babler musste regenbedingt nach innen verlegt werden
4:1, keine schlechte Quote: Nur das Sommergespräch mit Andreas Babler musste regenbedingt nach innen verlegt werden
ORF/Roman Zach-Kiesling

War Karl Nehammer echt? Es soll auch zwei oder drei Putins geben, spielt es also eine Rolle, ob gestern Abend der richtige Kanzler in den Sommergesprächen zu sehen war? Ist es wichtig, ob tatsächlich die FPÖ "Euer Wille geschehe" plakatiert hat, oder ob eher die Konkurrenz Herbert Kickl in ein Duell mit Jesus treiben wollte? Also den echten Jesus. Nicht den Messias, der vor drei Jahren noch Kanzler war.

In dieser labilen Situation entschied ich mich, nicht mehr ich sein zu wollen, zumindest nicht mehr ganz. Diese Wahl-Kopfnuss gibt es auch als Podcast, Sie hören ihn gerade. Mit meiner Stimme, aber es ist in Wirklichkeit nicht meine Stimme. Sie ist geklont. Ich habe kein Wort selbst gesprochen. Alles wurde automatisch erstellt, ohne mein Zutun.

Passiert ist das so: Ich habe die Kopfnuss verfasst, also wirklich. Den geschriebenen Text habe ich dann an eine Mailadresse geschickt, dort hat ihn eine KI in gesprochenen Text umgewandelt. Es kamen automatisch Anfang und Ende dazu, das ganze Trallala. Dann hat die KI den fertigen Podcast genommen und ihn auf alle gängigen Plattformen gestellt. Selbstständig! Das alles hat keine fünf Minuten gedauert. Also vom Mailen des Textes bis zur Publikation: 300 Sekunden.

Kein Bootfahren, kein Parkbankerl. Martin Thür und Karl Nehammer warten auf die Traunseefähre, mutmaßlich
Kein Bootfahren, kein Parkbankerl. Martin Thür und Karl Nehammer warten auf die Traunseefähre, mutmaßlich
ORF/Roman Zach-Kiesling

Der Witz ist, dass meine Stimme klingt wie meine Stimme. Die KI ist stundenlang darauf trainiert worden. Sie wurde mit meinen bisherigen Kopfnüssen gefüttert, zusätzlich saß ich noch im Tonstudio, sagte Jahreszahlen und Wochentage und Politikernamen auf und wurde eine Stunde lang interviewt. So wie Journalisten früher halt Sebastian Kurz interviewt haben. Also die Fragen waren egal.

Die klassischen Kopfnüsse, die elendslangen, die spreche ich noch selbst ein. Das bleibt auch so. Am Samstag werden sie geschrieben, Sonntag in der Früh publiziert, am Montag nehme ich sie auf. Gegen Abend hin sind sie am Markt. 48 Stunden gegen 5 Minuten.

Ein bisschen seltsam ist das schon, unheimlich auch. Ich glaube, es ist eine österreichische Weltpremiere. Wohin das führt? Keine Ahnung! Aber zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Meine Kopfnüsse der KI treten jetzt gegen meine eigenen Kopfnüsse an und ich frage mich: Hat die falsche Stimme vielleicht die richtigere Stimme? Sagen bald ein paar: Haut´s den echten Nusser weg, der künstliche ist viel besser und lustiger. Der redet auch geschmeidiger.

Nur bei Babler gab es etwas Regen: ORF-Sommergespräch in der Rialtobrücken-Edition
Nur bei Babler gab es etwas Regen: ORF-Sommergespräch in der Rialtobrücken-Edition
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Was auch seltsam ist: Die KI liest hier gerade ihre eigene Entstehungsgeschichte vor. Es hat ein paar Millionen Jahre gedauert, dass sich Affen und Menschen in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben, jetzt braucht man keine fünf Minuten, um sich zum Affen zu machen. Vielleicht haben wir auch keine andere Wahl.

Im Moment haben wir viel Wahl, daher bleibt uns wenig Wahl. In ORF III ist heute die erste echte Elefantenrunde zu sehen, veranstaltet von den Bundesländerzeitungen. Die KI und ich, wir freuen uns darauf.

In ORF 1 ist auch irgendwie Wahl, die SOKO Linz klärt einen Mord im Klimakleber-Milieu. Und in ORF 2 befragt Peter Resetarits wildfremde Menschen. In der ersten Folge über das Klima: Was braucht Österreich?

Im Report danach reagieren die Spitzenkandidaten auf das, was die wildfremden Menschen davor gesagt haben. Wir sehen also die gleichen Politiker zur gleichen Zeit auf zwei verschiedenen TV-Kanälen. Ich glaube, meiner KI wird das gefallen.

Ich wünsche einen wunderbaren Dienstag. Morgen hören wir uns bei den Wahl-Kopfnüssen wieder. Natürlich nur wenn Sie mögen!

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