Renaturierung

"Suche nach Gemeinsamkeiten ist Gebot der Stunde"

EU-Beschluss und jetzt? Der Agrarwissenschafter und Landwirt Maximilian Hardegg erklärt, wie die Renaturierung in der Praxis umgesetzt werden müsste. Und er hat erste Ideen.

Maximilian Hardegg bei einem Live-Erlebnis von Renaturierung
Maximilian Hardegg bei einem Live-Erlebnis von Renaturierung
Privat
Newsflix Redaktion
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Seit dem EU-Beschluss des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur wurde in Österreich öffentlich teils heftig darüber diskutiert. Es gibt zwei Blöcke, welche sich offenbar unversöhnlich gegenüberstehen. Einmal die Naturschutzlobby, welche verordneten Naturschutz als einzige Rettung vor Untergang und Zerstörung sieht und andererseits die Landbewirtschafter, welche noch mehr Eingriffe in ihr Eigentum befürchten und sich nicht mehr bevormunden lassen wollen.

Maximilian Hardegg, der sich selbst als "begeisterte" Landwirt und als "Renaturierer" bezeichnet, erklärt hier, was aus seiner Sicht passieren muss, um Brücken zu schlagen und wie Renaturierung praktisch funktionieren kann.

Renaturierung ist doch etwas Positives, warum wird so heftig debattiert?
Sie ist sogar etwas sehr Positives. Es geht im Kern darum, dass überall dort, wo Kulturlandschaften ausgeräumt und ökologisch verarmt sind, sie wieder eingerichtet werden und so neue Vielfalt erlangen. Eine wunderschöne Vorstellung und eine edle Aufgabe für alle Beteiligten, welche auch sehr gut zu Österreich passt.

Beispiel einer Renaturierung: Ein Luftbild der Pulkau in Niederösterreich
Beispiel einer Renaturierung: Ein Luftbild der Pulkau in Niederösterreich
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Wie wichtig ist den Menschen eine intakte Natur?
Enorm wichtig. Ich habe dazu vor einigen Jahren eine Umfrage initiiert. 85 Prozent der Befragten haben sich darin als "Naturliebhaber" bezeichnet. Man kann also mit einiger Sicherheit behaupten, dass eine intakte Natur mit schönen und lebendigen Landschaften einen wesentlichen Teil der österreichischen Identität darstellt, ähnlich wichtig wie Kultur, Kulinarik, Humor und gesellschaftliche Freiheit.

Was lässt sich daraus schließen?
Vielleicht führen gerade dieser hohe Stellenwert der Natur und die unterschiedlichen Ansichten über die Erhaltung derselben zu dieser Heftigkeit der Debatte. Die Natur geht uns eben nahe.

Wo liegen die Unterschiede in den Ansichten?
Es scheint innerhalb der urbanen Gesellschaft, gestützt durch NGO-Öffentlichkeitsarbeit, eine starke Meinung zu geben, dass den negativen Entwicklungen in der Natur, von Bodenverbrauch bis Insektenschwund, nur per Gesetz begegnet werden kann, da eben die Menschen unverbesserliche Naturausbeuter sind. Da das Bisherige offenbar nicht geholfen hat braucht es gemäß diesen Vorstellungen noch strengere Gesetze.

Wie sehen das die unmittelbar Betroffenen?
Sie haben einen anderen Blick, sehen sich als Naturschützer und nicht als Naturausbeuter. Es handelt sich ja großteils um Familienbetriebe, die seit vielen Generationen das Land bewirtschaften und es grundsätzlich in gutem, fruchtbaren Zustand erhalten wollen, auch schon für ihre Nachkommen und Kinder. Eigentum und die damit verbundene Freiheit, aber auch Verantwortung sind hier die starken Kräfte für selbstloses Engagement und Glück.

Regionales Vogelfutter für die ganzjährige Fütterung von Gut Hardegg
Regionales Vogelfutter für die ganzjährige Fütterung von Gut Hardegg
Smetana/Agentur Sylvia Petz

Stehen sich diese beiden Gruppen unversöhnlich gegenüber?
Eigentlich wollen ja beide Gruppen fast das Gleiche, vielleicht mit dem Unterschied, dass bei den Landbewirtschaftern das ökonomische Auskommen und wirtschaftliche Überleben sowie die Nachfolge natürlich wichtige Faktoren sind, während für die landfernen Menschen Lebensmittel zwar ökologisch einwandfrei sein müssen, die Bereitschaft der großen Mitte, dafür mehr auszugeben, aber überschaubar ist.

Wie lässt sich da ein gemeinsamer Nenner finden?
Ich glaube die Suche nach Gemeinsamkeiten ist keine Option, sondern ein Gebot der Stunde. Wenn für die Naturschutzlobby die Natur wirklich so wichtig ist wie postuliert, dann muss von dort einfach eine Initiative gesetzt werden, um Vertrauen bei der Landbevölkerung zu schaffen. Dazu gehört, dass man von der Pauschalkritik abrückt und Dinge wie Eingriffe ins Eigentum und Bevormundung ausschließt.

Wie können beiden Seiten aufeinander zugehen?
Aus Sicht der Landbewirtschafter sollte man sich die Themen der Naturschützer vor Augen führen und bereit sein, sich dafür zu öffnen. Dies beinhaltet auch eine Einladung zu einem runden Tisch, also ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe. Damit dies gelingt wird es für beide Seiten wichtig sein, dass man für sein Gegenüber das mitbringt, was Papst Benedikt XVI. mit den schönen Worten "Vorschuss an Sympathie" so treffend umschrieben hat. Und man braucht natürlich nicht nur theoretische Themen, sondern konkrete Projektideen.

Welche Projekte hätten aus Sicht der Renaturierung besondere Bedeutung?
Einmal sind das viele Kleinmaßnahmen, welche Artenvielfalt fördern. Auf Gut Hardegg werden beispielsweise Brutflächen und Wildwiesen angelegt und mit den Augen der Natur gepflegt, es werden ein Dutzend verschiedene Feldkulturen in Form eines bunten Anbauplanes angebaut, wir schaffen in den größeren Feldern sogenannte "Beetle Banks", auf Deutsch Insektenwälle, und wir füttern unsere Wild- und Singvögel ganzjährig mit Produkten aus dem Betrieb.

Maximilian Hardegg, hier mit Hund Quincy, ist Agrawissenschafter und betreibt ein Gut im Weinviertel
Maximilian Hardegg, hier mit Hund Quincy, ist Agrawissenschafter und betreibt ein Gut im Weinviertel
Privat

Welche Rolle spielt dabei das Wasser?
Eine Hauptrolle, von kleinen Wasserlöchern bis größeren Biotopen und dem renaturierten Flußlauf. Der Erfolg dieser Kleinmaßnahmen ist augenscheinlich, die so geschaffene Biodiversität mit einer reichen, satten Natur voll von Leben ist für uns unglaublich ermutigend. Jetzt wäre es wichtig, dass dieses Maßnahmenpaket auch außerhalb von Pionierbetrieben Anwendung findet. Wir haben unsere Erfahrungen und unser Wissen in einem Vier-Säulen-Modell verschriftlicht. Für eine Ausrollung dieses Modells bräuchte es natürlich beratende Experten, Kommunikatoren und eine wissenschaftliche Begleitung.

Und was wären die angesprochenen großen Projekte?
Hier können wir beim Wasser bleiben, gerade in Anbetracht des Klimawandels mit Hitze und Dürre. Aus Sicht der Biodiversität sind zweifelsfrei die Flüsse das Herzstück. Nehmen wir das Weinviertel als "Bread Basket" Österreichs - es wird im Norden von der Thaya, im Osten von der March und im Süden von der großen Donau umrandet, im Inneren gibt es aber nur kleine Bäche wie Göllersbach, Schmida, Pulkau, Zaya und Rußbach. Das Weinviertel leidet daher enorm unter der Trockenheit und einem negativen Wasserhaushalt

Was ließe sich dagegen tun?
Ein faszinierendes Projekt ist die Schaffung eines Wasserkreislaufes der Donau. Ein kleiner Bruchteil, etwa 1 Prozent, ihres Wassers wird in den Norden, eben ins Weinviertel, geleitet, um dort den Wasserhaushalt auszugleichen und um dann über die Zubringerflüsse wieder in der Donau zu landen. Entlang so eines Projektes könnten eine Vielzahl von Biotopen entstehen, der berühmte deutsche Ornithologe Prof. Peter Berthold hat das vor Jahren mit dem Schlagwort "jeder Gemeinde ihr Biotop" treffend beschrieben.

Welche Vorteile hätte das?
Die so geschaffenen Oasen wären der Inbegriff für Renaturierung und Basis für die Schaffung einer neuen Biodiversität. Gleichzeitig könnten Landwirte Kulturen wie Wein, Gemüse und Kartoffeln beregnen und so die Selbstversorgung Österreichs mit Nahrungsmitteln und Gemüse sicherstellen und gleichzeitig Wertschöpfung in die Region und Betriebe bringen.

Die "Beetle Bank" am Gut Hardegg: Darunter versteht man zwei bis vier Meter breite, etwa 40 Zentimeter hohe Wälle an Ackerrändern, die mit speziellen Grasmischungen eingesät werden, um die Biodiversität zu fördern
Die "Beetle Bank" am Gut Hardegg: Darunter versteht man zwei bis vier Meter breite, etwa 40 Zentimeter hohe Wälle an Ackerrändern, die mit speziellen Grasmischungen eingesät werden, um die Biodiversität zu fördern
Smetana/Agentur Sylvia Petz

Wurde das schon einmal ausprobiert?
Im Kleinen konnte ich im Pulkautal vor Jahren ein ähnliches Projekt gemeinsam mit dem Land NÖ unterstützen und für zwei Gemeinden bzw deren Wasserverbände eine grenzüberschreitende Wasserleitung von der südmährischen Thaya für die Bewässerung von österreichischen Weingärten bauen. Die daran beteiligten Weinbauern sind meines Wissens mit dem Ergebnis alle sehr zufrieden!

Wie weit ist das Projekt "Wasserkreislauf an der Donau"?
Seit einigen Jahren wird evaluiert und es zeigen sich bisher nur positive Seiten des Projektes. Mittlerweile möchte sich auch das benachbarte Tschechien an dem Projekt beteiligen und es wurden sogar schon die EU-Institutionen für Regionale Entwicklungen auf das Projekt aufmerksam. Jetzt braucht es politischen Mut und eine Interessenbekundung durch Gemeinden und deren Bürgermeister sowie den oben angesprochenen runden Tisch, um alle Aspekte durchzusprechen.

Für die Natur sehe ich hier großes Potential, allein die Vorstellung, dass so mindestens 50 Biotope entstehen könnten und die kleinen Bäche wieder eine konstante Wasserführung aufweisen würden, lässt einen schon ins Schwärmen kommen. Wir haben es also selbst in der Hand, mit der Schaffung des Wasserkreislaufes an der Donau der Natur regional zu helfen und Biodiversität auf einen Schlag groß zu fördern.

Dipl.Ing. Maximilian Hardegg leitet seit über 30 Jahren den familieneigenen Betrieb. Gut Hardegg beschäftigt 40 Mitarbeiter und versorgt rund 100.000 Österreicher mit Grundnahrung. In ganz besonderer Weise widmet sich der Betrieb der Natur und Renaturierung, das Wertversprechen lautet "gelebte Artenvielfalt". 2023 wurde Maximilian Hardegg das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich verliehen

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