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"The Bear" – Das Leben ist kein Sterne-Menü
Die gefeierte US-Serie um einen Haute-Cuisine-Küchenchef, der einen Sandwichladen übernimmt, geht in die dritte Staffel – und auch die schmeckt formidabel. Ab 14. August auf Disney+.
"Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren" – und wer glaubt, dass sich dieses Sprichwort tatsächlich nur auf die Wärme der Herde, Öfen und Griller bezieht, hatte wahrscheinlich noch nie mit professionellen Köchen zu tun. Denn vollkommen gleich, ob Drei-Sterne-Tempel oder einfache Gaststätte, die Männer und Frauen hinter dem Herd sind immer eine ganz spezielle und gerne auch eine ziemlich hitzige Truppe.
"The Bear", dritter Gang Diese Erkenntnis hat sich natürlich längst auch bis nach Hollywood durchgesprochen. Sie wurde aber wahrscheinlich niemals authentischer, glaubwürdiger und schmackhafter umgesetzt, als in der vielfach ausgezeichneten Dramedy-Serie "The Bear: King of the Kitchen". Die ersten beiden Staffeln waren bereits ein Leckerbissen, der Publikum wie Kritikern gleichermaßen mundete. Nun kommt Staffel 3 aus der Serien-Küche – und die Rezepttüftler haben den bekannten Zutaten einige neue, interessante Noten beigemengt. Ab 14. August serviert der Streaming-Anbieter Disney+ alle zehn Folgen der dritten Staffel auf einen Schlag.
Worum geht's in "The Bear"? Carmen "Carmy" Berzatto (Jeremy Allen White) kommt aus einer italienisch-stämmigen Mittelklasse-Familie aus Chicago, hat sich aber durch Talent, Fleiß und Ehrgeiz zu einem der besten Köche der USA hochgekocht. In Michelin-Sterne-gekrönten Gourmettempeln sorgt er für jene Kreativität und Exzellenz auf den Tellern, die es benötigt, um den Gästen viele hundert Dollar für ein Menü abzunehmen. Die Frage, ob ihm dieses Leben Freude bereitet, stellt er sich erst gar nicht, es geht für ihn nur darum, in der Küche zu funktionieren – und die bestmögliche Leistung abzuliefern.
Family Business Da stirbt vollkommen unerwartet (später erfahren wir, dass es Selbstmord war) sein Bruder Mikey (in Rückblenden Jon Bernthal) und hinterlässt Carmy einen Sandwichladen in Chicago. "The Original Beef Chicagoland" ist eine gut eingeführte lokale Berühmtheit, die Sandwiches sind üppig und kosten so viel wie ein Gedeck im New Yorker Nobellokal, in dem Carmy arbeitet. Doch anstatt den Laden einfach zu verkaufen, wirft er in New York hin und übernimmt "The Original Beef" – mitsamt seiner gut eingespielten Crew und den Sandwich-Rezepten, die schon immer so und nicht anders gemacht worden sind.
Was bisher geschah In den ersten beiden Staffeln von "The Bear" musste sich Carmy zunächst einmal mit seiner neuen Küchencrew und vor allem mit dem Geschäftsführer des Ladens, seinem windigen Nenn-Cousin Richie (Ebon Moss-Bachrach) arrangieren, ihnen seine von der Haubenküche inspirierten Ideen schmackhaft machen und sich nach neuen Mitarbeitern umsehen, die seine Ideen teilten.
Aus "Beef" wird "Bear" Am Ende von Staffel 1 (mit 8 Folgen) sperrte Carmy "The Original Beef" zu und kündigte an, den Laden mit neuem Konzept als "The Bear" wiederzueröffnen. Die gesamte Staffel 2 (10 Folgen) beschäftigt sich mit den Planungs- und Vorbereitungsarbeiten für das neue Lokal. Es gilt, hunderte Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Dazu kommen private Probleme, in Carmys Familie ebenso wie bei seinen Mitarbeitern, und nicht zuletzt beginnt der Chef (so werden die Küchenchefs in professionellen Küchen genannt), auch selbst Sehnsucht nach einem Privatleben zu entwickeln.
Was passiert in Staffel 3 "The Bear" eröffnet und Carmys Ehrgeiz, alles in Grund und Boden kochen zu wollen, treibt so viele Blüten, dass er das gesamte Projekt gleich wieder zum Absturz zu bringen droht. Dazu menschelt es weiter ganz gehörig, in der Küchenbrigade des "Bear" ebenso wie im Umfeld. Und schließlich erscheinen die ersten Gastrokritiken über das neue Restaurant – wird Carmys hochfliegender Plan, aus einem Sandwichladen ein Top-Restaurant zu machen, aufgehen?
Das Lokal ist keine Kulisse 2021 beauftrage der US-Sender FX beim bis dahin nicht rasend bekannten Drehbuchautor, Regisseur und Produzenten Christopher Storer einen Pilotfilm für seine Serien-Idee vom Haute-Cuisine-Koch, der in die Niederungen seiner Herkunft zurückgeworfen wird. Storer, der seit seiner Kindheit mit dem Chicagoer Gastronomen-Sohn Chris Zucchero befreundet ist, nahm den Laden von Zuccheros Vater, "Mr. Beef", als Basis für seine Idee. Hier wurde auch beinahe die komplette Pilot-Folge von "The Bear" gedreht – das Lokal das man in der ersten Folge der ersten Staffel sieht, ist das echte "Mr. Beef" im Viertel River North in Chicago.
Überraschungserfolg Der Pilotfilm kam gut an, die erste Staffel ging im Sommer 2022 in den USA auf Sendung und war sofort extrem erfolgreich. Schließlich nahm Disney die Serie in ihre Streaming-Plattform auf und der Erfolg wiederholte sich in zahlreichen weiteren Ländern. Binnen kürzester Zeit wurde "The Bear" zu einem echten Streaming-Phänomen: Die Serie hat nichts von dem, was andere Geschichten im Streaming-Kosmos zu Mega-Sellern macht – also keine Action, keine Gewalt, keine Toten und auch keine unglaubwürdigen Liebesgeschichten –, und ist dennoch beim Publikum erfolgreicher als viele Mitbewerber.
Liebling der Kritiker Und auch die Presse ist von Anfang an ganz verrückt auf das Menü, das ihr bei "The Bear" vorgesetzt wird. Die zweite Staffel erhielt im Jahr 2023 insgesamt 10 Emmys (das sind die amerikanischen Fernseh-Oscars) bei 13 Nominierungen. Und heuer ist die dritte Staffel (die in den USA bereits im Juni anlief) gleich 23 Mal nominiert – Rekord! Bislang galt die Comedy-Serie "30 Rock" mit 22 Nominierungen im Jahr 2009 als Nonplusultra der Branche.
Comedy – oder mehr? Da fällt es auch kaum ins Gewicht, dass "The Bear" bei den Emmys als Comedy-Serie nominiert ist – eine Einstufung, die angesichts der dramatischen Vielschichtigkeit und thematischen Ambivalenz der Serie vielen Beobachtern eher unpassend scheint. Am ehesten würde es wahrscheinlich die Bezeichnung Dramedy treffen - dramatische Komödie. Aber egal. In den USA wurde auch die dritte, ebenfalls 10-teilige Staffel von "The Bear" von der Kritik bereits hymnisch gefeiert und war beim Streaminganbieter, der die Serie ausstrahlt, der beste Staffelstart aller Zeiten.
Was macht die Serie so erfolgreich? Um in der Analogie der Kulinarik zu bleiben: Den Köchen von "The Bear" ist ein großartig abgeschmecktes Gericht gelungen, das alle geschmacklichen Facetten aufweist, die anspruchsvolle Genießer erwarten.
Die Erfolgs-Faktoren von "The Bear"
- Eine simple und gleichzeitig nachvollziehbare Story Die hervorragend erzählte Geschichte kann so oder ähnlich jederzeit überall auf der Welt passieren. Die Probleme, mit denen die Protagonisten zu kämpfen haben, bilden die Probleme der meisten "normalen" Menschen ab, beruflich wie privat. "The Bear" ist alltäglich – und gewährt gleichzeitig einen Blick in eine Welt, die den meisten Zusehern dennoch exotisch und fremd erscheint.
- Sorgfältig gezeichnete Charaktere Die handelnden Personen wirken, als wären sie einer Reality Soap über den Mittelwesten der USA entsprungen. Es gibt keine diverse Zusammenstellung der Küchencrew, um nur ja keine potenzielle Zusehergruppe zu verletzen, sondern einen authentischen Blick in einen von Millionen Betrieben, wie sie überall auf der Welt existieren.
- Authentische Darstellung Die klaustrophobische Enge der Küche, der Schmutz und die Hitze, die alltäglichen Probleme eines Küchenchefs, von der Warenbeschaffung bis zur Personalplanung, dazu die Hektik in den Hoch-Zeiten, die Aggression untereinander und, wenn der Stress abebbt, das Runterkommen beim gemeinsamen Essen oder einer Zigarette im Hof – selten zuvor war die Darstellung des ganz normalen Wahnsinns von ganz normaler Küchenarbeit so präzise und mitreißend und gleichzeitig so ernüchternd. Es stimmt schon: Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren!
- Formidable Darsteller Von Carmy (Jeremy Allen White) über seinen zwielichtigen Cousin Richie (Eben Moss-Bachrach) und seine Sous-Chefin Sydney (Ayo Edebiri) bis zur Küchenbrigade, dem Patissier Marcus (Linoel Boyce), der widerborstigen Tina (Liza Colón-Zaya) oder dem Haus-Faktotum Neil Fak (Matty Matherson) sind die Schauspieler exzellent ausgesucht. Dazu kommen Gastauftritte von Hollywood-Größen wie Oscar-Preisträgerin Olivia Colman als Sterneköchin Terry; Jamie Lee Curtis als Donna, der Mutter von Carmy, dem toten Mikey und ihrer Schwester Nathalie; Dem formidabel ungustiösen Ganoven Jimmy "Cicero" Kalinowski (Oliver Platt); Oder der großartige Bob Odenkirk ("Braking Bad", "Better Call Saul") als Onkel Lee.
- Küchen-Cameos Wohl nicht zuletzt durch den weltweiten Erfolg von "The Bear" animiert, fanden sich für die dritte Staffel zahlreiche reale Küchen-Größen, die sich in der Serie selbst spielen. Allen voran die Kulinarik-Megastars René Redzepi vom Kopenhagener Restaurant "Noma" sowie Thomas Keller ("French Laundry"), Daniel Bouloud (u.a. "Daniel") und Grant Achatz ("Alinea").
Wann kommt Staffel 4? Die gute Nachricht: Aus pragmatischen Gründen entschlossen sich die Macher von "The Bear", die Staffeln 3 und 4 in einem Aufwaschen zu drehen. Aktuell befindet sich Staffel 4 in Postproduktion, veröffentlicht wird sie voraussichtlich im Sommer 2025.
Die schlechte Nachricht: Mit Staffel 4 wird die Geschichte um Carmy und seine Küchenbrigade wohl zu Ende gehen. Serienschöpfer Christopher Storer hat bereits angekündigt, für keine weitere Staffel mehr zur Verfügung zu stehen. Und es ist anzunehmen, dass man auch beim auftraggebenden Sender FX lieber ein geordnetes Ende hat, mit dem die Zuschauer gut leben können, als die Serie künstlich zu verlängern und damit dem Gesamtbild zu schaden.
Fazit: "The Bear" ist große, zeitgemäße TV-Unterhaltung. Möglicherweise fällt es aufgrund des hohen Story-Tempos und der rasanten Schnitte am Beginn etwas schwer, in den Rhythmus der Serie zu finden. Wer aber einmal drinnen ist, will nicht so schnell wieder raus. Zu gut schmeckt, was einem hier serviert wird. Da nimmt man gerne noch einen Nachschlag.
"The Bear: King of the Kitchen", Staffel 3, 10 Folgen à ca. 30 Minuten, ab 14. August auf Disney+