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"Venom": Warum dieser Superhelden-Trash Spaß macht
Teil 3 der seltsamen Saga um ein außerirdisches Wesen, das in Symbiose mit Superstar Tom Hardy lebt, nimmt sich selbst nicht allzu ernst. Gerade das rettet den Film. Ab sofort in den heimischen Kinos.
Die Ikonen des Autorenfilms sind sich in ihrer Abneigung des "Superhelden-Genres", das im letzten Jahrzehnt das Kino dominierte, relativ einig: Martin Scorsese zeigte 2019 im Zuge einer viel beachteten Diskussion zum Thema zwar Verständnis für das Interesse des Publikums an dieser Art der "Bewegtbildunterhaltung", stellte aber auch klar, dass das (post)moderne Blockbuster-Kino nichts mit dem zu tun habe, was er selbst unter Film versteht.
Warum Regie-Legenden Superheldenfilme hassen
Abscheuliche Superheldenfilme? Scorsese bezeichnete die Filme von Marvel, DC und Co. als "virtuellen Jahrmarktrummel", der das Publikum durch Reizüberflutung stimuliere, wo irrsinnig viel passiere, der aber mit Filmkunst, die ihm vorschwebt, nichts zu tun habe. Und sein Kollege Francis Ford Coppola, seit kurzem mit "Megalopolis" selbst nach vielen Jahren wieder einmal im Kino vertreten, ging sogar noch weiter: Er nannte Marvel-Filme gleich "abscheulich".
Das Studio als Feind Um die Aversion dieser arrivierten Filmemacher, die das Kino jahrzehntelang prägten, zu verstehen, muss man auf die Zeit blicken, in der sie ihr Handwerk lernten: Seit den späten 1960er-Jahren setzte sich der sogenannte Autorenfilm auch in Hollywood durch, inspiriert von europäischen Initiativen, den Film anderen Kunstgattungen gleichzustellen. Der "natürliche Feind" dieser "New Hollywood"-Autoren waren die Studios, die Filme vor allem nach ihrem Geschmack, der oft jener des Massenpublikums war, gestalten wollten - immer mit Blick auf die Maximierung der Einnahmen.
Superhelden in der Krise Scorsese und Co. sahen im Siegeszug des Superhelden-Genres nicht nur eine Verarmung der Filmkunst, sondern auch eine Rückkehr der Macht der Studios und ihrer Bosse. Nun hat sich der Superhelden-Film - auch befördert durch eine allgemeine Krise des Kinos - in den letzten paar Jahren aber selbst überlebt: Große Produktionen floppten en masse, das Publikum war übersättigt von schablonenhaften und hohlen Superhelden-Geschichten. Und die politische Agenda, die manche Filme zu plakativ vor sich hertrugen, stieß auch nicht überall auf Gegenliebe.
Erfolg trotz mieser Kritiken Mit dem Marvel-Film "Venom: The Last Dance" versucht Sony (der Film ist nicht Teil des offiziellen "Marvel Cinematic Universe" MCU, sondern wird zum alternativen "Spider Man Extended Universe" gezählt), vergangene Flops vergessen zu machen. Wobei es an sich schon beachtlich ist, dass es die Figur Venom auf 3 Filme brachte.
Millionen-Einspielergebnis Bereits der erste Teil aus dem Jahr 2018 wurde von der Kritik weitgehend verrissen, spielte aber dennoch über 800 Millionen Dollar ein. Ein zweiter Teil aus 2021 brachte es immerhin noch auf gut 500 Millionen. Die sinkende Tendenz hielt die Produzenten nicht davon ab, noch einen dritten Teil zu drehen. In diesem darf nun Kelly Marcel das Ruder übernehmen, sie war an den vorigen Teilen als Drehbuchautorin beteiligt und gibt hier ihr Regie-Debüt.
Worum geht es in "Venom: The Last Dance"? Auch dieser Film basiert auf einer Comic-Figur, der seit den 1980er-Jahren im Comic-Universum um Spider-Man immer wieder auftaucht. Tom Hardy spielt im dritten Teil der Saga erneut den Journalisten Eddie Brock, der in Symbiose mit der außerirdischen Kreatur Venom lebt, was ihm Superkräfte verleiht. Ihm zur Seite stehen im Film Chiwetel Ejiafor, Juno Temple, Rhys Ifans und Stephen Graham.
Mensch gegen Alien Brock/Venom leben nach den Geschehnissen in Teil 2 ("Venom: Let there be carnage") in Mexiko, um sich vor den Behörden zu verstecken, die ihn wegen Mordes suchen. Da taucht eine besonders grässliche riesige außerirdische Kreatur auf, die Jagd auf das schräge Gespann macht.
Auch Gollum-Darsteller mit von der Partie Wie sich herausstellt, wurde sie von dem Bösewicht Knull (Ex-Gollum-Darsteller Andy Serkis) auf die Erde geschickt, um den sogenannten "Codex" zu entwenden, der den in Verdammnis sitzenden Knull befreien kann. In die folgenden Kämpfe um das Universum wird auch eine geheime US-Regierungseinheit involviert, die sich der Erforschung der Symbionten widmet. Und eine Hippie-Familie, die mit dem Wohnmobil auf der Suche nach Aliens ist.
"Venom" nimmt sich selbst nicht allzu ernst
Hirnrissige Handlung, … Die Handlung von "Venom: The Last Dance" ist in der Praxis so gaga, wie sie sich in der Theorie anhört. Der große Unterschied zwischen diesem Film und vielen anderen, rezenten Superhelden-Adaptionen der jüngeren Vergangenheit wie "Madame Web" oder "Blue Beetle" ist, dass der Irrsinn hier zumindest Spaß macht.
… die Spaß macht Zum einen liegt das an der Figur Venom selbst, die so etwas wie ein "Anti-Superheld" ist, kein ultimativ guter Retter der Menschheit, sondern eine schräge Kreatur, die eigentlich gehässig und geifernd (= "venom") ist. Und erst in Symbiose mit ihrem menschlichen "Wirt" lernt, ihre Superkräfte konstruktiv zu nutzen.
Guilty Pleasure Dieses Hin- und Her zwischen Brock und dem animierten Venom ist unterhaltsam, einerseits aufgrund der gekonnten Darstellung durch Tom Hardy, der diesmal auch am Drehbuch beteiligt war. Zum anderen kann man "Venom: The Last Dance" - wie schon den Vorgängern - einen gewissen trashigen Charme attestieren, wodurch er zumindest als Guilty Pleasure taugt: Das Ganze ergibt zwar keinen Sinn, aber ist temporeich und auch visuell ansprechend umgesetzt.
Fazit Womit wir dann wieder beim "Jahrmarktrummel" wären. Was die "Venom"-Reihe von vielen anderen Superhelden-Filmen unterscheidet, ist, dass sie sich selbst nie zu ernst nimmt. Sie weiß, dass sie nicht mehr ist als stumpfsinniger Rummel – und will auch gar nicht mehr sein. Das Superhelden-Genre wird von Filmen wie "Venom: The Last Dance" ganz sicher nicht gerettet. Aber wer die ersten beiden "Venom"-Filme mochte, wird sich auch hier gut unterhalten.
"Venom: The Last Dance", USA 2024, 109 Minuten, ab sofort im Kino