neu im kino
"The Crow" – Neues Outfit für einen 90er-Jahre-Kultfilm
Das Original aus 1994 gilt als Genre-Klassiker – nicht zuletzt wegen der tragischen Umstände seiner Entstehung. Das Remake erzählt die Story komplett neu und setzt ganz eigene Akzente. Ab sofort im Kino.
Sehr häufig war zuletzt in Zusammenhang mit neuen Filmen die Rede von Remakes, Reboots und anderen Film-Neuadaptionen. Nicht zwangsläufig, weil das an sich so spannend wäre, sondern schlicht deshalb, weil das (US-)Kino inflationär darauf setzt, alte, bekannte Stoffe neu zu verwursten. Mindestens die Hälfte dieses Outputs ist allerdings gänzlich zum Vergessen, manche Werke sind in Ordnung und nur wenige können mit dem Vorbild mithalten oder es sogar übertreffen.
Tragischer Dreh Nun hat es also auch "The Crow" erwischt, einen Film mit Kult-Faktor aus dem Jahr 1994, der damals von Regisseur Alex Proyas stilsicher und mit bestechender Ästhetik verfilmt wurde. Er basierte auf einer Comic-Reihe von James O'Barr und machte Brandon Lee, den Sohn von Karate-Superstar Bruce Lee, zum Star – obwohl er das nicht mehr miterleben durfte. Am Ende des Drehs ging etwas mit einer sogenannten "Prop Gun", also einer Filmwaffe schief, eine Kugel war darin übersehen worden, traf Brandon Lee vor laufender Kamera und er starb kurz darauf im Krankenhaus. Ein ähnliches Unglück geschah erst unlängst bei den Dreharbeiten zu dem Western "Rust", als Darsteller Alec Baldwin versehentlich die Kamerafrau des Filmes auf eine vergleichbare Art tötete.
Nischenfilm mit Charme Da die meisten Szenen mit Lee damals bereits im Kasten waren, übernahm ein Double für die fehlenden Aufnahmen, der Film wurde fertiggestellt - und wurde ein Erfolg bei Kritik und Publikum. Dabei ist "The Crow", das Original, kein Meisterwerk, aber ein kunstvoll gestalteter, stilistisch beeindruckender "Nischenfilm" mit Charme, der in der Folge auch von dem tragischen Mythos um Brandon Lee lebte. Noch heute lieben viele diesen Film. Und nicht zuletzt deshalb wehte dem Remake seit seiner Ankündigung ein rauer Wind entgegen.
Beschmutztes Erbe? Ein Remake war bereits seit 2008 in Planung: Dahinter steht das selbe Produktionsteam wie beim Originalfilm, das nach 1994 bereits mehrere wenig erfolgreiche Fortsetzungen der Story auf den Markt warf. Original-Regisseur Alex Proyas allerdings ließ früh wissen, dass er mit der Neuverfilmung nichts zu tun haben möchte: Er wolle das Erbe Brandon Lees nicht beschmutzen. In den letzten Wochen ließ er auf seinen Social Media-Kanälen täglich Salven gegen den neuen Film ab und machte sich über dessen Box Office-Misserfolg in den USA lustig, obwohl er ihn laut eigenen Aussagen selbst nie gesehen hat.
Chaotische Entstehungsgeschichte Nachdem zig Regisseure für die Neuadaption im Gespräch gewesen waren und ebenso viele Schauspieler für die Hauptrolle des Eric Draven, wurde 2022 dann endlich gedreht, mit Rupert Sanders am Regiestuhl und Bill Skarsgård als "The Crow". Wie viel das Endergebnis mit der ursprünglichen Idee hinter dem Projekt zu hat, das laut Produzenten irgendwann einmal eine "Taxi Driver"-Interpretation des Stoffes werden sollte, ist angesichts der chaotischen Entwicklungsphase nicht mehr festzustellen.
Echte Neuadaption Was sich jedenfalls zweifelsfrei sagen lässt: "The Crow" 2024 ist kein Remake, sondern tatsächlich eine Neuadaption, die diesen Namen verdient, denn mit dem 30 Jahre alten Film hat der neue nur sehr wenig zu tun. Das liegt nicht nur an oberflächlichen Dingen wie der Stilistik, sondern auch daran, dass viele Handlungsstränge völlig verändert wurden und die Dramaturgie gänzlich umgeworfen wurde.
Neue Dramaturgie "The Crow" 1994 beginnt mit einem brutalen Überfall einer Gang auf den Rockmusiker Eric Draven und seine Verlobte, bei dem beide sterben. Eine Krähe bringt Draven zurück von den Toten, ausgestattet mit "Superkräften" (er kann nicht sterben), um seine Geliebte zu rächen. "The Crow" 2024 beginnt mit einer ausgedehnten Hintergrundgeschichte: Draven ist nicht mehr Musiker, sondern Junkie, seine Freundin Shelly (die Sängerin FKA Twigs) lernt er in einer Entzugsklinik kennen. Der Film verwendet im Grunde die ganze erste Hälfte darauf, diese Vorgeschichte zu erzählen, die im Original gar nicht vorkommt.
Kein Charisma … Nun ist es grundsätzlich lobenswert, dass der neue Film tatsächlich auch etwas Neues versucht – nur scheitert er zumindest zum Teil daran, weil gerade die erste Hälfte sich ordentlich zieht und seelenlos wirkt. Bill Skarsgård versprüht null Charisma, anders als sein Vorgänger, den stets eine geheimnisvoll-düstere Aura umgeben hatte. Der neue Eric sieht aus wie ein Meth-Junkie aus einem amerikanischen White Trash-Trailerpark.
… aber ein gelungenes Finale Nach einer knappen Stunde erfängt sich der Film aber und kann mit einem Finale aufwarten, das man als gelungen bezeichnen kann: Auch hier geht "The Crow" anders vor als das Original, der "Endgegner" von Draven ist ein reicher Mäzen namens Vincent Roeg, der selbst über übernatürliche, aber maligne Kräfte verfügt. Und den Mord an Draven und seiner Freundin in Auftrag gegeben hatte, da sie im Verdacht stand, zu viel über seine abartigen Machenschaften zu verraten.
Solides Film-Handwerk Der finale Rachefeldzug der Krähe ist ein brutales, blutiges Gemetzel in den Gängen eines Opernhauses, geschickt unterschnitten mit Aufnahmen der nebenan stattfindenden Opernaufführung, unterlegt mit klassischer Musik. Diese Sequenz ist handwerklich einfach gut gemacht und ein gewisser Unterhaltungswert lässt sich hier nicht absprechen. Auch der metaphysische Aspekt der Krähen-Geschichte (das "Wandern" von Draven zwischen den Welten, seine Rückkehr zu den Lebenden) ist im neuen Film ausführlicher dargestellt als im Original.
Fazit Der neue "The Crow" ist insgesamt kein wirklich guter Film und das Original ist immer noch um einiges besser. Aber die Totalverrisse sind übertrieben, da die Neuadaption, die diesen Namen auch wirklich verdient, schon manch Sehenswertes zu bieten hat. Wer den Film in jeder Szene mit dem Original vergleicht, wird damit bestimmt nicht glücklich werden. Wer sich auf diese Neuinterpretation einlässt, bekommt einen immerhin durchschnittlichen Film serviert, den man nicht gesehen haben muss, aber auf jeden Fall anschauen kann.
"The Crow", USA 2024, 112 Minuten, ab 12. September im Kino