der tag danach
Wie der Terror nach Wien kam, wie ihn die Swifties aus der Stadt sangen
Der Swift-Report: So wurde Österreich von den USA gewarnt, das hatten die Islamisten wirklich geplant, so machten Tausende Fans in der Wiener City Party: "Wenn Taylor nicht singen kann, dann singen eben wir für Taylor!"
Er kann uns an die Wäsche wollen, aber spätestens seit Donnerstag ist klar: In Wien hat der Terror kein Leiberl. Alle drei Wien-Konzerte von Taylor Swift mussten abgesagt werden. Terroralarm, Tränen, Trauer. Fast 200.000 Fans der Weltmusikerin, viele davon eigens für die Gigs von überallher angereist, am Boden zerstört. Auf Social Media und in unzähligen Chats machten sie ihrer Trauer und ihrer Enttäuschung Luft und trösteten sich gegenseitig.
Swifties feiern ihre Wiederauferstehung Aber dann, der Donnerstag, die gemeinsame Wiederauferstehung. Und wie. Tausende "Swifties", wie sich die Fans des Superstars nennen, strömten in die Wiener Innenstadt, trafen sich, spontan oder verabredet und legten los. Plötzlich war die ganze City ein Konzertsaal. Es wurden immer mehr, die Nachricht vom Spontan-Happening verbreitete sich in der Community wie ein Lauffeuer. Und am Ende war der Stephansplatz das, was das Happel-Stadion nicht sein durfte: Schauplatz eines Swiftie-Hochamtes, wie es auch im Beisein des Stars nicht schöner und inniger hätte sein können.
Gemeinsam sang man Taylors Lieder, tauschte Geschichten aus, schenkte sich Armbänder und vielen war es am Ende wahrscheinlich fast schon egal, dass Taylor selbst längst nicht mehr in Wien war (falls sie überhaupt je hier war, niemand weiß es so genau). Auch in der Corneliusgasse im 6. Bezirk trafen sich hunderte Fans – hier hatten Swifties Bäume mit Armbändern geschmückt, weil Taylor das in einem Lied besingt, das "Cornelia Street" heißt – Grund genug, um zusammen zu finden und sich selbst zu feiern.
Wien wird Taylor-Town Abends versüßten dann zahlreiche Lokale in der Stadt mit Taylor-Aktionen den Fans das Leben. Swift-Songs aus den Lautsprechern, Swift-Cocktails im Glas. Und wem nach Kultur war, der durfte mit seiner Konzertkarte gratis in die Albertina. Gut möglich, dass die islamistischen Terror-Wirrköpfe genau das Gegenteil von dem erreicht haben, was sie eigentlich wollten. Jedenfalls hat sich Wien schon lange nicht mehr so schön und friedvoll und "safe" angefühlt wie unter der Herrschaft der Swifties.
Was die Terroristen tatsächlich vor hatten
Weit weniger bunt, aber dafür ziemlich harmonisch ging es bei einer Pressekonferenz der Exekutive am Donnerstagvormittag zu. Innenminister Gerhard Karner, der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Franz Ruf und Omar Haijawi-Pirchner von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) informierten über den aktuellen Ermittlungsstand gegen jene jungen Männer, die am Tag zuvor in Zusammenhang mit Plänen für ein Attentat auf eines der Konzerte von Taylor Swift festgenommen worden waren. Was man bisher weiß:
Wer wurde in Haft genommen?
Zwei junge Männer. Ein Österreicher mit nordmazedonischem Familienhintergrund wurde in den frühen Morgenstunden des 7. August in Ternitz im Bezirk Neunkirchen (Niederösterreich) im Wohnhaus seiner Eltern festgenommen. Der Tatverdächtige ist 19 Jahre alt und heißt Beran A. Einige Stunden später wurde ein 17-jähriger Österreicher mit türkischem bzw. kroatischem Familienhintergrund in Wien festgenommen. Ein 15-jähriger Österreicher mit türkischem Familienhintergrund wurde von der Polizei angehalten und jedenfalls bis Donnerstag mittags befragt.
Gibt es noch weitere Verdächtige?
Derzeit werde nach keinen weiteren flüchtigen Personen gesucht und es gebe auch kein Bedrohungsbild in anderen Bundesländern, so Generaldirektor Franz Ruf. Die "Krone" allerdings berichtete am Freitag, dass gegen einen weiteren jungen Erwachsenen ermittelt wird. Der 18-Jährige soll in die Anschlagspläne eingeweiht gewesen sein.
Was wird den jungen Männern konkret vorgeworfen?
Der 19-jährige Verdächtige wird beschuldigt, eine Anschlag auf eines der drei Konzerte von Taylor Swift geplant zu haben, die von Donnerstag, dem 8. August, bis Samstag, dem 10. August in Wien hätten stattfinden sollen. Der 19-Jährige habe ein "vollumfängliches Geständnis abgelegt", so der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf.
Was hat der 19-Jährige gestanden?
Er sagte aus, einen Anschlag mit Sprengstoff sowie mit Hieb- und Stichwaffen auf das Taylor-Swift-Konzert am Donnerstag oder am Freitag geplant zu haben. Ziel sei es gewesen, sich selbst sowie eine möglichst große Menschenmenge zu töten. Sowohl Sprengstoff als auch Hieb- und Stichwaffen wurden bei der Hausdurchsuchung am Mittwoch früh gefunden und beschlagnahmt.
Hatte er ein Konzertticket?
Offenbar nicht, das wäre aber auch nicht nötig gewesen. Der Plan war, das Attentat vor dem Stadion zu verüben, wo tausende Fans ohne Ticket campiert hätten, um das Konzert wenigstens zu hören. Omar Haijawi-Pirchner: "Man kann auch außerhalb des Stadions viele Menschen töten."
Was genau wurde bei der Hausdurchsuchung gefunden?
Verschiedene Substanzen – unter anderem 12-prozentiges Wasserstoffperoxid, bereits funktionsfähiger Sprengstoff TATB (Triaminotrinitrobenzol), Gegenstände und Materialien zur Herstellung von Sprengstoff, wie Zünder, Zündkabel und Zündmaschinen. Außerdem IS-Propagandamaterial, 21.000 Euro Falschgeld, anabolikaähnliche Substanzen, Macheten, Messer und Schreckschussmunition. Dazu ein einsatzfähiges Blaulicht mit Folgetonhorn. Dieses wurde offenbar vorab getestet.
Wozu das Blaulicht mit Folgetonhorn?
"Damit wollte er entweder zum Tatort zufahren oder nach dem Attentat flüchten", so Omar Haijawi-Pirchner. Angesichts der Aussage des Verdächtigen, sich selbst bei dem Attentat töten zu wollen, ist aber eher davon auszugehen, dass der 19-Jährige damit ungestört zum Stadion zufahren wollte.
Hat man auch auf Handy oder Computer des Verdächtigen etwas gefunden?
Der Verdächtige habe Anleitungen zum Bombenbau heruntergeladen, diese wurden sichergestellt. Er habe sich zudem über verschiedene Materialien informiert. Auch Anleitungen und Videos für Selbstlaborate wurden gefunden (Selbstlaborate sind explosionsgefährliche Stoffe, die nicht nach zugelassenen Vorschriften hergestellt worden sind, sowie veränderte gewerbliche oder militärische Sprengstoffe). Diese Substanzen sind häufig äußerst unberechenbar. Haijawi-Pirchner: Das wird so vom IS und von Al-Qaida geteilt." Dazu kommt noch umfangreiches Material auf diversen Datenträgern und Computern, das erst analysiert werden muss.
Wie wurde man auf den 19-Jährigen aufmerksam?
Es gab einen Hinweis vom Nachrichtendienst eines anderen Staates, soviel ist fix. Omar Haijawi-Pirchner äußerte sich nicht weiter dazu, welcher Dienst aus welchem Land als Tippgeber aufgetreten ist.
Handelt es sich um einen Einzeltäter?
"Die ausländische Behörde, die uns informiert hat, ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem 19-Jährigen um einen Einzeltäter handelt", so Omar Haijawi-Pirchner in seiner Stellungnahme. Doch im DSN sei man durch bestehende Erkenntnisse aus eigenen Erhebungen zu dem Schluss gelangt, dass der 19-Jährige Teil eines Netzwerkes sein könnte. So sei man schließlich auf den 17-Jährigen gekommen, der ebenfalls festgenommen worden ist, und auf den 15-Jährigen, der angehalten und befragt wurde.
Was machte die Situation so heikel?
Der 17-Jährige wurde ganz in der Nähe des Happel-Stadions festgenommen. Er hatte erst wenige Tage zuvor eine Stelle bei einer Facility-Firma angenommen, die bei den Taylor-Swift-Konzerten diverse Dienstleistungen erbracht hätte. Ins Detail ging Omar Haijawi-Pirchner hier nicht, aber klar ist: Der Terrorverdächtige hatte Zugang zum Stadion. Er hatte bei seiner Festnahme ebenfalls umfangreiches IS- und Al-Qaida-Material bei sich. Auch bei ihm fand eine Hausdurchsuchung statt, er verweigert aber bisher jede Aussage. Der 15-Jährige wurde bislang nur befragt, bei beiden jungen Männern seien weitere Ermittlungen nötig, so die Polizei.
Woher kam der Terror-Tipp tatsächlich?
Aus den USA, das berichten US-Medien übereinstimmend. "Die Informationen über den Verdächtigen stammten vom US-Nachrichtendienst und wurden den österreichischen Behörden mitgeteilt, teilten mit der Angelegenheit vertraute Quellen mit", schreibt etwa CBS News.
Wann informierten die USA Österreich?
Der Terrorverdächtige legte Anfang Juli auf Telegram einen Treueschwur auf den IS ab. Laut dem US-Fernsehsender ABC lasen US-Nachrichtendienste mit. Sie informierten Österreich und Europol Ende Juli darüber.
Gibt es einen Beweis, dass es die Amerikaner waren?
Nein, es gibt keine offizielle Bestätigung aus den USA. Auch Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, wollte bei der Pressekonferenz nicht näher darauf eingehen.
Welche Nachrichtendienste haben miteinander kommuniziert?
Offenbar lief das über das Militär, Österreich hat traditionell gute Verbindungen in die USA. Mehrere Quellen legen das nahe, auch ORF-Moderator Martin Thür schrieb auf X: "Die USA haben nicht das DSN direkt informiert, sondern die militärischen Dienste." Mutmaßlich hat also die National Security Agency (NSA) oder die Defense Intelligence Agency (DIA), die beide dem US-Verteidigungsministerium unterstellt sind, dem österreichischen Heeres-Nachrichtenamt (HNA) den entscheidenden Hinweis übermittelt.
Was versteht man eigentlich unter US-Nachrichtendienst?
Es handelt sich um keine einzelne Behörde, die "US. Intelligence Community" besteht aus 18 Nachrichtendiensten bzw. Geheimdiensten.
Die 18 Geheimdienste der USA
- 16 AF Air Force Intelligence, Nachrichtendienst der Luftwaffe,
- INSCOM Army Intelligence and Security Command, Armee-Geheimdienst
- CIA Central Intelligence Agency, Auslandsgeheimdienst
- DIA Defense Intelligence Agency, Heeresnachrichtendienst
- DOE Department of Energy Office of Intelligence and Counterintelligence, Energie-Geheimdienst
- DHS Department of Homeland Security Office of Intelligence and Analyses, Heimatschutz, geschaffen nach dem 11. September-Terror
- INR Department of State Bureau of Intelligence and Research, Nachrichtendienst des Außenministeriums
- OIA Department of the Treasury Office of Intelligence & Analyses Nachrichtendienst des Finanzministeriums
- DEA Drug Enforcement Administration Intelligence Program, Nachrichtendienst des Justizministeriums für Drogenermittlungen
- FBI Federal Bureau of Investigation, Inlandsgeheimdienst
- MCIA Marine Corps Intelligence, Geheimdienst der Eliteeinheit Marines
- NGA National Geospatial-Intelligence Agency, Aufklärungs-Geheimdienst
- NRO National Reconnaissance Office, Militärnachrichtendienst für Satellitenprogramm
- NSA National Security Agency, Auslandsgeheimdienst
- ONI Office of Naval Intelligence, Militär-Nachrichtendienst der Marine
- DNI Office of the Director of National Intelligence, Leitung der Geheim- und Nachrichtendienste
- CGI Coast Guard Intelligence, Nachrichtendienst der Küstenwache
- USSF Space Force Intelligence, Geheimdienst der Weltraumstreitkräfte
Was ist der Unterschied zwischen einem Geheimdienst und einem Nachrichtendienst?
Nachrichtendienste beschränken sich auf das Beschaffen, Sammeln und Auswerten von Informationen, Geheimdienste führen auch Operationen durch, also etwa Spionagetätigkeiten.
Wie überwachen US-Nachrichtendienste die Welt?
Rechtlich ist das im "Foreign Intelligence Surveillance Act" (FISA) geregelt, also im "Gesetz zur Überwachung in der Auslandsaufklärung". Es wurde schon 1978 errichtet und betraf damals nur die Telefonüberwachung und die Wohnraumüberwachung. Die Befugnisse wurden schrittweise erweitert.
Dürfen die USA die Welt überwachen?
Die Vereinigten Staaten sagen ja, jedenfalls spricht kein US-Gesetz dagegen. Es gibt strenge Regeln, was die Überwachung von US-Bürgern betrifft, und zwar egal, ob sie sich im Inland oder Ausland befinden. Aber: "Die Überwachung der Telekommunikation außerhalb der USA durch die Nachrichtendienste bedarf keiner individuellen Genehmigung", legt das FISA fest.
Wie ist das zustandengekommen?
2008 verabschiedete der US-Kongress Paragraph 702 des "Foreign Intelligence Surveillance Act". Die National Security Agency (NSA) ist seither befugt, gezielt gegen Nicht-US-Bürger vorzugehen, die sich außerhalb der Vereinigten Staaten befinden. Diese Befugnis dient vor allem dazu, die Kommunikationen ausländischer Personen zu erfassen, also E-Mails, SMS und Telefongespräche zu überwachen. Die USA sind ein wichtiger Knotenpunkt im weltweiten Telekommunikationssystem. Die Privatsphäre von US-Bürgern soll nicht angetastet werden, sie sollen also nicht überwacht werden.
Funktioniert das?
Nein, es kommt immer wieder zu Fehlern und Missbrauch. Strafverfolgungsbehörden nutzen die Bestimmung auch, um US-Bürger zu überwachen. Allein 2021 durchsuchte das FBI bis zu 2,1 Millionen Daten illegal.
Müsste das Gesetz nicht deshalb umstritten sein?
Ist es auch. Es wurde im Nachgang des Terroranschlages am 11. September 2001 beschlossen, allerdings nur befristet. Im April 2024 wurde die Bestimmung aber erneut verlängert.
Warum ist das für Österreich relevant?
Weil Österreich selbst keine Überwachung durchführen darf, also etwa den Mailverkehr, SMS oder WhatsApp scannen. Politisch ist das innerhalb der Regierung umstritten, die ÖVP will das ändern, die Grünen legen sich quer. Momentan ist es so: Eine "anlasslose, generelle Überwachung sieht das Gesetz nicht vor. Überwachungsmaßnahmen betreffen bestimmte Personen und unterliegen einer gerichtlichen Bewilligung oder der Ermächtigung und Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten", schreibt der Staatsschutz. Im Falle des Taylor-Swift-Islamisten, sei man auf "den Kontakt und die Informationen ausländischer Geheimdienste angewiesen gewesen", so der DSN. Die Amerikaner haben unseren Job gemacht.
Welche Menge an Information sammelt die USA?
Viel und gleichzeitig wenig. Die NSA spricht davon, dass im Internet täglich 1.826 Petabyte an Informationen übertragen werden. Ein Petabyte entspricht 1.000 Terabytes. Für Nicht-Techniker: das ist ziemlich viel. Im Rahmen ihrer Auslandsaufklärungsmission kommt die NSA an etwa 1,6 Prozent davon heran. Von diesen 1,6 Prozent der Daten werden jedoch nur 0,025 Prozent tatsächlich zur Überprüfung ausgewählt. Das bedeutet, dass die NSA-Analysten bei der Durchführung ihrer Mission 0,00004 Prozent des weltweiten Datenverkehrs untersuchen. Bildlich ausgedrückt: Wenn ein Basketballfeld die globale Kommunikationsumgebung darstellen würde, würde die gesamte Datensammlung der NSA darauf durch eine Fläche repräsentiert, die kleiner ist als ein Zehncentstück.
Warum ist die Terrorgefahr nun wieder höher?
Das ist eine Folge des Gaza-Krieges. Einschlägige Kreise nutzen die aufgeheizte Stimmung. Der von der Hamas angeführte Angriff auf Israel am 7. Oktober "war, ist und wird von Terror-Organisationen im Nahen Osten und auf der ganzen Welt als Rekrutierungsmöglichkeit genutzt", sagte Brett Holmgren, oberster Geheimdienstmitarbeiter des US-Außenministeriums, zur "Washington Post". Der Krieg im Gazastreifen diene "als Inspiration für Einzeltäter", die wütend über die entschiedene Unterstützung Israels durch die USA seien. Holmgren verwies schon am 5. Juni explizit auf die Gefährdungslage in Europa.
Hat sich Taylor Swift eigentlich schon geäußert?
Nein, Stand Donnerstag Mitternacht nicht. Aber ihre Konzerte in Großbritannien sollen stattfinden. Ab 15. August spielt Swift fünf weitere Shows ihrer "Eras"-Tour in London.
Newsflix hat sich bewusst dafür entschieden, das Foto des Terrorverdächtigen nicht herzuzeigen, das die Behörden beigestellt haben. Er hat fast 200.000 Swift-Fans den Höhepunkt des Jahres gestohlen, jetzt bekommt er keinen Platz für ein Propagandabild geschenkt.