Streaming

"Die Ringe der Macht": Was würde Tolkien dazu sagen?

Amazons Mega-Serie basiert nur sehr lose auf Vorgaben von "Herr der Ringe"-Autor J. R. R. Tolkien. Große Teile sind frei erfunden. Staffel 2 startet am 29. August.

Elben sind unsterblich, deshalb gibt es auch in "Die Ringe der Macht" ein Wiedersehen mit Elrond (Robert Aramayo) und Galadriel (Morfydd Clark)
Elben sind unsterblich, deshalb gibt es auch in "Die Ringe der Macht" ein Wiedersehen mit Elrond (Robert Aramayo) und Galadriel (Morfydd Clark)
Ben Rothstein / Prime Video
Newsflix Redaktion
Akt. Uhr
Teilen

Als der neuseeländische Regisseur Peter Jackson den ersten Teil seiner "Der Herr der Ringe"-Trilogie mit dem Zusatz-Titel "Die Gefährten" gegen Ende des Jahres 2001 in die Kinos brachte, war das für Millionen Menschen auf der Welt eine Art Erweckungserlebnis. Jene, die mit der Buchvorlage des britischen Schriftstellers und Oxford-Professors J. R. R. Tolkien vertraut waren, liebten Jacksons Umsetzung des Stoffes nahezu vorbehaltlos. Und jene, die bis dahin kaum oder gar nicht mit Tolkiens Phantasiewelt aus Elben, Orks und Hobbits in Berührung gekommen waren, wurden von der visuellen wie auch erzählerischen Kraft der Geschichte mitgerissen.

Kino-Magie Jackson gelang, was nur wenigen Regisseuren von Fantasy-Stoffen glückt: Er machte "Der Herr der Ringe" auch für jene Zuseher interessant, die mit Geschichten über Drachen, Zauberer und dergleichen mehr für gewöhnlich wenig bis nichts anzufangen wissen. Besser noch, er erzählte "Die Gefährten" so mitreißend, dass es im Grunde gar keiner Fantasy-Elemente bedurft hätte, um die Geschichte "funktionieren" zu lassen. Das ist Kino-Magie, wie sie nur große Regisseure schaffen können.

Die Elbin Galadriel (Morfydd Clark) ist einer der wenigen Charaktere, die sowohl in der Kinotrilogie "Der Herr der Ringe", als auch in der aktuellen Amazon-Serie "Die Ring der Macht" vorkommen
Die Elbin Galadriel (Morfydd Clark) ist einer der wenigen Charaktere, die sowohl in der Kinotrilogie "Der Herr der Ringe", als auch in der aktuellen Amazon-Serie "Die Ring der Macht" vorkommen
Ross Ferguson / Prime Video

"Der Herr der Ringe" - die Trilogie Die weiteren Teile – "Die zwei Türme" und "Die Rückkehr des Königs" – waren noch epischer als "Die Gefährten", wenn auch zunehmend Fantasy-lastiger. Dem Erfolg der Trilogie tat das keinen Abbruch. Alle drei Filme zusammen erhielten 17 Oscars, spielten knapp 2,9 Milliarden Dollar ein und gehören bis heute zu den großen Blockbustern der Kino-Geschichte.

Auch der "Hobbit" wurde dreiteilig Weil in Hollywood nichts so sehr geschätzt wird wie der finanzielle Erfolg, wollte man auf die "Herr der Ringe"-Trilogie noch eins drauf setzen. Tolkiens Vorgängerbuch zur großen Saga, das vergleichsweise schmale Bändchen "Der Hobbit", in dem die Vorgeschichte zu "Herr der Ringe" erzählt wird, walzte erneut Regisseur und Produzent Peter Jackson so sehr aus, dass daraus nochmals ein überlanger Dreiteiler wurde. Die "Hobbit"-Trilogie lief von 2012 bis 2014 in den Kinos, spielte abermals knapp unter drei Milliarden Dollar ein, traf aber bei Filmkritikern wie Kinogehern auf deutlich weniger Begeisterung als die Ursprungs-Trilogie.

CGI, also am Computer generierte Bilder, sind in "Die Ringe der Macht" ein wesentliches visuelles Element
CGI, also am Computer generierte Bilder, sind in "Die Ringe der Macht" ein wesentliches visuelles Element
Courtesy of Prime Video

"Herr der Ringe" für die Streaming-Welt Doch das hinderte weder Hollywood, noch die Erben von J. R. R. Tolkiens Werken daran, nochmals ihr Glück in Mittelerde - dem fiktiven Schauplatz aller "Herr der Ringe"-Geschichten – zu versuchen. Im Jahr 2022 startete auf Amazon Prime die Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht", die nur mehr lose auf Tolkiens Büchern basiert. Die 8 Teile der ersten Staffel verschlangen angeblich gigantische 465 Millionen Dollar an Produktionskosten, die Begeisterung der Zuseher hielt sich eher in Grenzen. Nun wird die zweite Staffel veröffentlicht. Ab 29. August sind die ersten 3 von erneut 8 Episoden auf Amazon Prime abrufbar.

Worum geht es in "Die Ringe der Macht"? Die Serie spielt im sogenannten "Zweiten Zeitalter" und damit mehrere tausend Jahre vor den Ereignissen, die in den beiden Kino-Trilogien "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" stattfinden. Es geht um den Aufstieg Saurons zum personifizierten Bösen sowie um die Entstehungsgeschichte all jener Ringe, die seinerzeit geschmiedet wurden, um die verschiedenen Bewohner Mittelerdes zu befriedigen. Wir erinnern uns an den Prolog von "Der Herr der Ringe: Die Gefährten". Da wird die Entstehungsgeschichte der diversen Ringe kurz angerissen:

"Alles begann mit dem Schmieden der großen Ringe.
Drei wurden den Elben gegeben, unsterblich und die weisesten und reinsten aller Lebewesen.
Sieben den Zwergenherrschern, großen Bergleuten und geschickten Handwerkern in ihren Hallen aus Stein.
Und neun Ringe wurden den Menschen geschenkt, die vor allem anderen nach Macht streben. Denn diese Ringe bargen die Stärke und den Willen, jedes Volk zu leiten.
Doch sie wurden alle betrogen. Denn es wurde noch ein Ring gefertigt.
Im Lande Mordor, im Feuer des Schicksalsberges schmiedete der dunkle Herrscher Sauron heimlich einen Meisterring, um alle anderen zu beherrschen. In diesen Ring floss seine Grausamkeit, seine Bosheit und sein Wille, alles Leben zu unterdrücken.
Ein Ring sie zu knechten."

Sieht ein bisschen aus wie eine Mischung aus römischer Legionär und Ritter: Arondir (Ismael Cruz Córdova) hoch zu Ross
Sieht ein bisschen aus wie eine Mischung aus römischer Legionär und Ritter: Arondir (Ismael Cruz Córdova) hoch zu Ross
Ben Rothstein / Prime Video

"Die Ringe der Macht" erzählt die Entstehung der verschiedenen Ringe, wie sich parallel dazu mehrere große Reiche bildeten und wieder niedergingen und wie die Gestalt Sauron zu dem wurde, der er schließlich im Dritten Zeitalter, als der Hobbit Bilbo Beutlin den Einen Ring zum Schicksalsberg zurückzubringen versucht, um das Böse ein für alle Mal zu vernichten. Und es geht um das Zusammenspiel (oder auch nicht) von Menschen, Elben, Zwergen und den weiteren Völkern Mittelerdes im Zweiten Zeitalter.

Auf welchem Buch basiert die Geschichte? Auf gar keinem. Es sind vor allem jene 150 Seiten an Anhängen im dritten Band von "Herr der Ringe", "Die Rückkehr des Königs", auf denen die Autoren und Showrunner der Serie ihre Geschichte aufgebaut haben. Tolkien hinterließ diese Anhänge zur besseren Orientierung für seine Leser und schildert darin einerseits die Vorgänge des Zweiten Zeitalters, wie er sie sich vorstellte, und andererseits, wie die Geschichte nach dem Ende von "Die Rückkehr des Königs" weiterging.

Hätte es bei Tolkien wohl nicht gegeben – eine schwarze Frau in Mittelerde: Gundabel (Tanya Moodie)
Hätte es bei Tolkien wohl nicht gegeben – eine schwarze Frau in Mittelerde: Gundabel (Tanya Moodie)
Ross Ferguson / Prime Video

Wie wurde daraus eine Serie? Tolkiens Erben boten das Material dieser Anhänge sowie diverse weitere Verweise Tolkiens einigen großen Streaminganbietern an, u.a. Netflix, HBO und eben Amazon Prime. Und da Amazon-Boss Jeff Bezos ein großer Fan von Tolkiens Werken ist, legte er 250 Millionen Dollar alleine für die Serienrechte an diesem Material auf den Tisch. Damit verband sich gleichzeitig die Verpflichtung, eine Serie mit fünf Staffeln zu produzieren und Staffel 1 bis zu einem gewissen Zeitpunkt online zu bringen, weil andernfalls die Rechte für Amazon verfallen wären.

Geld spielt keine Rolle Alleine für die Produktion der ersten Staffel wurden kolportierte 465 Millionen Dollar aufgewendet, womit "Die Ringe der Macht" die mit Abstand teuerste Serie aller Zeiten wäre. Insgesamt, so schätzt man, wird die Gesamtproduktion am Ende, wenn alle fünf Staffeln abgedreht sind, mindestens eine Milliarde Dollar verschlungen haben.

Auch wieder mit dabei: Orks, die gefallenen Elben, gab es offensichtlich bereits im Zweiten Zeitalter
Auch wieder mit dabei: Orks, die gefallenen Elben, gab es offensichtlich bereits im Zweiten Zeitalter
Courtesy of Prime Video

Fast alles ist neu erfunden Da J. R. R. Tolkien in seinen Anhängen die Ereignisse im Zweiten Zeitalter sich über viele hundert Jahre erstrecken lässt, gleichzeitig aber so gut wie keine Geschichten im Detail erzählt, war es für die zahlreichen Autoren von "Die Ringe der Macht" nötig, unzählige neue Figuren zu erfinden. Und da die Rechte für alle Figuren aus "Herr der Ringe" auch weiterhin beim Konkurrenten Warner Brothers liegen, durfte auch kaum Bezug genommen werden auf das, was sich viele tausend Jahre später ereignet hat. Einzig die beiden Elben Galadriel und Elrond, die man aus den "Herr der Ringe"-Filmen kennt, kommen auch in "Die Ringe der Macht" vor - allerdings natürlich dargestellt von anderen Schauspielern als in den 20 Jahre alten Filmen.

Charles Edwards als Celebrimbor, Amelia Kenworhty als Mirdania
Charles Edwards als Celebrimbor, Amelia Kenworhty als Mirdania
Ben Rothstein / Prime Video

Der Cast – sehr divers, sehr unbekannt Tolkiens Fantasy-Welt ist eine Welt weißer Männer (und matschfarbener Orks). Regisseur Peter Jackson hielt sich nahezu durchgehend an diese Vorgabe, er erfand lediglich einige Frauenrollen dazu, um zumindest etwas mehr Weiblichkeit auf die Leinwand zu bringen. Anders die Macher von "Die Ringe der Macht". Die Freiheiten bei der Gestaltung der Story nutzten sie weidlich aus. Ihr Cast sieht aus wie aus dem Diversitäts-Katalog: Frauen, Schwarze, Latinos, Asiaten – in diesem Mittelerde dürfen alle vorkommen, Authentizität hin oder her.

Und es gibt so gut wie kein bekanntes Gesicht im gesamten Cast. Für sämtlicher Hauptrollen – immerhin gibt es 22 maßgebliche Protagonisten in der Serie – kommen ausschließlich unbekannte Gesichter und Namen zum Einsatz.

Auch die Zwerge sind wieder mit dabei: Owain Arthur als Prinz Durin IV.
Auch die Zwerge sind wieder mit dabei: Owain Arthur als Prinz Durin IV.
Ross Ferguson / Prime Video

Staffel 1 – erfolgreich, aber … Groß war der Medienrummel, als vor zwei Jahren Staffel 1 von "Die Ringe der Macht" online ging. Entsprechend groß die Neugier der Seher auf die Serie. Binnen einem Monat hätten 100 Millionen Streaming-Kunden die Serie gesehen, berichtete Amazon seinerzeit. Doch das Branchenblatt "The Hollywood Reporter" wusste zu berichten, dass von diesen Zuschauern nur 37 Prozent die Serie wirklich komplett bis zum Ende gestreamt hätten – kein glamouröser Wert für einen prognostizierten Blockbuster. Entsprechend weniger laut ist man nun beim Start von Staffel 2 unterwegs, was das Marketing betrifft.

Es braucht einen langen Atem Die Zurückhaltung liegt aber möglicherweise auch daran, dass man bei Amazon erkannt hat, dass man einen langen Atem brauchen wird, um dieses Projekt bis zum Ende zu bringen. 5 Staffeln à 8 Folgen, macht insgesamt 40 Episoden – das wird kein Selbstläufer, weder für die Autoren, noch für das Publikum. Zumal man sich auch entschlossen hat, in der Ausrichtung der Serie jugendfrei zu bleiben. Anders als bei "Game of Thrones" fällt somit auch der Faktor Sex als zusätzliches Spannungselement weg. Umso besser muss alles andere sein, was auf die Bildschirme kommt.

Maxim Baldry als Isildur
Maxim Baldry als Isildur
Ross Ferguson / Prime Video

Tausend Jahre sind ein Tag Wobei ein Logik-Aspekt vor allem nachdenken lässt: "Die Ringe der Macht" spielt im Zweiten Zeitalter und mehrere tausend Jahre vor den Ereignissen aus "Herr der Ringe". Und doch sind die Menschen (und die Zwerge und die Harfüße, wie die Vorläufer der Hobbits hier heißen) vom Stand ihrer Zivilisation genauso weit wie die Protagonisten tausende Jahre später im "Herrn der Ringe". Entweder Tolkien gestand seinen Figuren keinerlei Weiterentwicklung zu (was ihn eher in die Nähe US-amerikanischer Kreationisten denn jene von Charles Darwin rücken würde). Oder – eher glaubhaft – die Autoren von "Die Ringe der Macht" wollten ihre Protagonisten möglichst nahe an jenen aus der "Herr der Ringe-Saga halten.

Lloyd Owen als Elendil, Cynthia Addai-Robinson als Königin Míriel
Lloyd Owen als Elendil, Cynthia Addai-Robinson als Königin Míriel
Ben Rothstein / Prime Video

Amazons Werk, Österreichs Beitrag Immerhin, auch Österreich durfte einen Beitrag zum Entstehen der Mega-Serie leisten – und keinen geringen. Der Musik-Score für "Die Ringe der Macht" wurde in der "Synchron Stage Vienna" aufgenommen, jenem spezialisierten und hochmodernen Aufnahmestudio, das auf dem Gelände der ehemaligen Rosenhügel-Studios im 13. Bezirk untergebracht ist.

"Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht", Staffel 2, USA 2024, 8 Folgen à ca. 60 Min., ab 29. August die ersten 3 Folgen, danach bis 3. Oktober jeden Do. eine weitere Folge auf Amazon Prime

Akt. Uhr
#Auszeit
Newsletter
Werden Sie ein BesserWisser!
Wissen, was ist: Der Newsletter von Newsflix mit allen relevanten Themen des Tages und den Hintergründen dazu.