"Only Murders In The Building": Alte Besen kehren gut

Hollywood ist ein hartes Pflaster. Vor allem für jene, die vor der Kamera stehen. Denn hat man als Schauspieler erst einmal ein gewisses Alter erreicht, werden die Rollenangebote immer weniger. Zuerst kommen die Mutter- bzw. Vaterrollen, später dann die der Großeltern und irgendwann ist überhaupt Drehschluss. Ein Held jenseits der 60? Da muss man schon Robert Redford oder Robert de Niro sein, um auch im fortgeschrittenen Alter noch den Tausendsassa mimen zu dürfen – oder sogar als Liebhaber noch eine Chance zu bekommen.

Karriere 2.0 Andererseits: Hollywood ist natürlich auch bestechlich. Und mit nichts überzeugt man Studiobosse mehr, als mit Erfolg. Also schreiben sich die Schlaumeier unter den Stars von einst ihre Altersrollen einfach selbst. Und wenn sie das so gut machen, dass das Publikum darauf anspringt, dann kommt der Rest von selbst. So – oder so ähnlich – ist auch einer der größten Serienerfolge der jüngeren Streaming-Ära entstanden: "Only Murders In The Building". Was als kleines, schräges Projekt begann, hat sich mittlerweile zu einem Dauerbrenner mit Top-Einschaltquoten entwickelt. Staffel 4 der Hit-Serie startet am 27. August beim Streaming-Anbieter Disney+.

Worum geht es dabei? Kurz gesagt, um ein sehr ungleiches Trio von Hobby-Detektiven mit viel Tagesfreizeit, das rätselhafte Mordfälle löst und den Weg zur Lösung in Real-Crime-Podcasts festhält. Und damit der Titel der Serie auch Sinn ergibt, kommen für die Aufklärung nur solche Mordfälle in Frage, die in jenem New Yorker Upper-Class-Wohnkomplex geschehen, in dem auch die drei Möchtegern-Detektive wohnen – "Only Murders In The Building" eben.

Steve Martin hatte eine Idee Das Grundkonzept zur Serie stammt dabei von Komiker-Legende Steve Martin. Der gebürtige Texaner, der vor wenigen Tagen 79 geworden ist, wurde in den 1970er-Jahren durch die Comedyshow-Legende "Saturday Night Live" bekannt, wo er zehn Jahre lang mit Kollegen wie Dan Aykroyd, John Belushi, Chevy Chase, Eddie Murphy, Bill Murray und Martin Short auftrat. Später errang er mit unzähligen Komiker-Rollen Weltruhm – etwa in Filmen wie "Vater der Braut", "Housesitter" oder "Der rosarote Panther". Doch mit Beginn der 2010er-Jahre wurde es zunehmend still um Martin – die guten Rollenangebote blieben aus. Also überlegte sich der passionierte Banjospieler, welche Rolle er sich selbst auf den Leib schreiben könnte.

Drei müde Detektive Das Grundkonzept für "Only Murders In The Building" entwarf Steve Martin im Jahr 2011. es handelte von drei alternden Hobbydetektiven, die nach wie vor gerne der Gerechtigkeit zu ihrem Recht verhelfen möchten, sich allerdings nicht mehr fit genug fühlen, das Gebäude, in dem sie ihre Wohnungen haben, zu verlassen. Also klären sie nur Verbrechen auf, die innerhalb dieses Wohnhauses stattfinden. So weit, so holprig. Doch es war ein Anfang.

Ein Studio biss an In den folgenden Jahren entwickelte Martin das Konzept mit seinem Freund John Hoffman weiter. Aus drei alten Männern wurden zwei, dazu kam eine junge Frau mit einer alten Seele. Aus Hobby-Detektiven wurden Crime-Podcaster (Zeitgeist!), die beiden Männer erhielten bunte Lebensläufe – und irgendwann erklärte sich ein Studio bereit, die Idee umzusetzen. Die Dreharbeiten für die erste Staffel von "Only Murders In The Building" startete im Dezember 2020 und dauerten fünf Monate, bereits im August 2021 ging die Serie on Air – und war sofort ein Mega-Erfolg. Noch während der Ausstrahlung fixierte der US-Streamingkanal Hulu Staffel 2.

Was den Charme der Serie ausmacht Zunächst einmal das Setting – es ist schrullig, schräg und sehr sympathisch. Steve Martin ist Charles-Haden Savage, ein abgehalfterter C-Krimiserien-Star aus den 1990er-Jahren mit einem veritablen Bindungsproblem. Dann ist da Oliver Putnam (Martin Short, seit 50 Jahren Freund und Wegbegleiter von Steve Martin), ein ebenso abgehalfterter und ständig bankrotter Broadway-Regisseur, der schon seit Jahrzehnten keinen Hit mehr auf irgendeine Bühne bringen konnte. Und Mabel Mora, eine junge Künstlerin, die nach ihrem Platz im Leben sucht und einen Hang zu morbiden Themen hat. Sie wird gespielt von Ex-Teeniestar und Sängerin Selena Gomez. Und so ungleich dieses Trio zu sein scheint, so gut funktionieren die drei miteinander.

Das "Building" ist der heimliche Star Alle drei leben im Arconia Building, einem "fiktiven" Mega-Wohnkomplex für Gutsituierte auf der New Yorker Upper West Side. Das Arconia ist Fiktion, erinnert aber an das Dakota Building, jenen burgartigen Komplex, in dem u.a. John Lennon und Yoko Ono lebten, bis der Ex-Beatle 1980 beim Verlassen des Gebäudes von einem psychopathischen Fan erschossen wurde. Das Arconia ist riesig, alt und birgt alleine schon deshalb viele Geheimnisse. Und es leben zahlreiche skurrile Menschen dort – New York eben – , von denen viele auf die eine oder andere Art in die Ermittlungen des Trios geraten, wenn wieder einmal ein Mord geschehen ist.

Verzwickte Story mit vielen Wendungen Die Plots, die den einzelnen Staffeln zugrunde liegen, sind alles andere als leicht nachzuvollziehen, und die Storys schlagen so viele Haken wie ein Feldhase in der Jagdsaison. Tatverdächtige gibt es meist im Dutzend und wer nicht genau aufpasst, wird sich bei der Auflösung der Fälle schwer tun. Apropos Auflösung: Die jeweils letzten der zehn Folgen pro Staffel gehören zu den meistgestreamten Serien-Episoden in den ganzen USA, so sehr stehen die Amerikaner auf "Only Murders …".

Und Stars, Stars, Stars! Aber das wahrscheinlich wichtigste Argument für die Serie: Sie gefällt nicht nur dem Publikum, sondern auch anderen Film- und Fernseh-Stars. Und so reißen sich teilweise die größten Namen darum, bei "Only Murders …" mitzuspielen. Bereits in der ersten Staffel gelang es dem Team um Steve Martin (der auch produziert, ebenso wie Martin Short und Selena Gomez), Kapazunder wie Tina Fey (u.a. "Veep" und "30 Rock"), Nathan Lane (u.a. "Birdcage"), Showmoderator Jimmy Fallon oder Musik-Superstar Sting (beide als sie selbst) vor die Kamera zu bringen.

Sogar Meryl Streep macht gerne mit Bei Staffel 2 machten u.a. Model Cara Delevingne, Hollywood-Legende Shirley MacLaine und Comedienne Amy Schumer mit. Und in Staffel 3, die über weite Strecken im Theatermilieu des Broadway spielt, trugen sich Paul Rudd, Jesse Williams, Matthew Broderick, Urgestein Mel Brooks (mittlerweile 98) sowie mit Meryl Streep die am öftesten für Oscars nominierte Schauspielerin aller Zeiten (nämlich 21 Mal, davon 3 mal auch gewonnen) in die Darstellerliste ein.

Das passiert in Staffel 4 (Achtung, Spoiler!) Wer "Only Murders …" noch nicht bis zum Ende von Staffel 3 gesehen hat, sollte diesen Absatz eventuell auslassen, denn zwangsläufig werden einige Handlungselemente aus den ersten drei Staffeln gespoilert.

Der Podcast von Charles, Oliver und Mabel über den letzten Mordfall am Broadway ist sehr erfolgreich, so kommt auch Hollywood auf den Geschmack und wendet sich dem ungleichen Ermittler-Trio zu. Also fliegen die drei nach Los Angeles und treffen dort jene Stars, die sie in einem Film verkörpern sollen: Eva Longoria (u.a. "Desperate Housewives"), Eugene Levy (u.a. "Schitt's Creek") und Zach Galifianakis (u.a. "Hangover"-Trilogie) spielen sich selbst als Hollywoodstars mit sehr viel Augenzwinkern. Aber auch Melissa McCarthy (u.a. "Spy" und "Taffe Mädels"), Richard Kind (u.a. "Chaos City") und abermals Meryl Streep sind mit von der Star-Partie. Und dann liegt da blöderweise in Charles' Wohnung im Arconia ja schon wieder eine Leiche herum …

Der Tod schlägt früh zu (noch einmal Spoiler) Denn das ist eine weitere Besonderheit der Serie: Der jeweilige Tote einer Staffel, der die Handlung durch die Suche nach seinem Mörder vorantreibt, ist bei "Only Murders …" immer bereits am Ende der Vorgängerstaffel bekannt. So stirbt in der letzten Folge von Staffel 1 das Arconia-Faktotum Bunny Folger, deren Mörder erst am Ende von Staffel 2 gefunden wird. In der letzten Folge von Staffel 2 kommt Broadway-Star Ben Glenroy (Paul Rudd) ums Leben – der Handlungs-Turbo für Staffel 3. Und am Ende von Staffel 3 stirbt Charles' ehemaliges Stunt-Double Sazz Pataki (Jane Lynch) in dessen Wohnung, weil der Mörder sie offenbar für ihn hält. Das ist auch der "Murder In The Building", um den sich in der vierten Staffel offenbar alles dreht.

Kommt Staffel 5? Dieser Praxis entsprechend, werden wir daher spätestens bei der Ausstrahlung der letzten Folge von Staffel 4 wissen, ob es auch eine fünfte Staffel geben wird – gibt es eine/n Tote/n, gibt es Staffel Nr. 5. Aber vorher werden erst einmal die diesjährigen "Emmys" verteilt, wie die wichtigsten Fernsehpreise der Welt heißen. Und "Only Murders …" wurde gleich 22 Mal nominiert – Beinahe-Rekord, nur die Streaming-Serie "The Bear" über einen Drei-Sterne-Küchenchef in einer Sandwichbude in Chicago hat mit 23 Nominierungen noch mehr als "Only Murders …" erhalten. Die Emmy-Verleihung findet in der Nacht auf den 16. September statt.

Extreme Disziplin Sollte die Serie wirklich abermals um eine Staffel verlängert werden, so darf man sich auch den Starttermin gleich fix eintragen – der wird wieder Ende August, dann eben 2025, sein. Denn keine Streaming-Serie ist bei so viel Erfolg gleichzeitig so flott und diszipliniert bei der Produktion wie "Only Murders …". Seit nunmehr vier Jahren wird jedes Jahr zur gleichen Zeit eine zehnteilige Staffel veröffentlicht, deren Qualität nicht nur bestehen bleibt, sondern tendenziell noch besser wird. Das gelingt wirklich nur, wenn alle wissen, was sie zu tun haben. Womit wohl das letzte Geheimnis, weshalb die berufliche Altersversorgung von Steve Martin und Martin Short so zuverlässig abliefert, gelüftet zu sein scheint: Hier sind only Profis an der Arbeit!

"Only Murders In The Building", Staffel 4, USA 2024, 10 Episoden à ca. 30-35 Min., ab 27. August, danach jede Woche eine neue Episode auf Disney+