Autismus-Spektrum

Neu im Kino: Warum "Ezra" Ihr Herz berühren wird

Das Leben mit Autismus ist eine Herausforderung, für die Betroffenen, ihre Familien und ihr Umfeld. Der Independent-Film "Ezra" mit Robert de Niro stellt das bewegend dar.

Gemeinsam unterwegs: der autistische Ezra (William Fitzgerald) und sein Vater Max (Bobby Cannavale)
Gemeinsam unterwegs: der autistische Ezra (William Fitzgerald) und sein Vater Max (Bobby Cannavale)
Cara Howe
Newsflix Redaktion
Uhr
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Der Teenager Ezra Bernal (William Fitzgerald) ist etwas anders als seine Altersgenossen: Berührungen mag er nicht, selbst jene von seinen Eltern. Schon Kleinigkeiten können ihn aus dem Konzept und in Rage bringen, zugleich hat er ein geniales Gedächtnis, liest die "New York Times" und Dostojewski und ist seinen Schulkameraden in vielem voraus. Trotzdem bringt ihn sein "Anders-Sein" immer wieder in die Bredouille: Aus zwei Schulen wurde er bereits geworfen, in der dritten droht das gleiche Schicksal.

Angespannte Familiensituation Ezras Eltern Max (Bobby Cannavale), ein Stand Up-Comedian, und Jenna (Rose Byrne) sind nahe der Verzweiflung. Nach ihrer Scheidung versuchen sie es so gut es geht mit Co-Parenting, das aber immer wieder zu Konflikten zwischen ihnen führt, auch was den Umgang mit und die Zukunft von Ezra betrifft. Jenna möchte ihn in eine Sonderschule schicken, Max will, wie er sagt, dass sein Sohn nicht mehr "in einer eigenen Welt" lebt, sondern Teil der Welt da draußen wird.

Eskalation Als Ezra eines Abends den neuen Partner von Jenna - wohl scherzhaft - sagen hört, er würde Max töten, flieht der Junge aus dem Haus, um seinen Vater zu warnen. Auf dem Weg wird er von einem Hund angefallen und darauf beinahe von einem Auto überfahren. Er wird verletzt ins Spital gebracht, dort stellen Psychologen (fälschlicherweise) fest, er wäre "eine Gefahr für sich selbst und andere", da sie die wahren Hintergründe seines Davonlaufens nicht kennen.

Folgenschwere Entscheidung Ezra soll fortan Tabletten nehmen und wird in eine Sonderschule geschickt, seinem Papa schmeckt das gar nicht: Er startet einen Kampf mit dem Chef der Klinik, die Polizei nimmt ihn in Gewahrsam, für einen Monat darf er seinen Sohn nicht sehen. Eines Tages beobachtet er Ezra aus der Ferne in dessen neuem Schulhof: Sein Sohn wirkt niedergeschlagen, unglücklich. Max kann das nicht mitansehen – und trifft eine folgenschwere Entscheidung.

Sind sich nicht nur nahe, sondern auch ähnlicher als gedacht: Max (Bobby Cannavale) und sein autistischer Sohn Ezra (William Fitzgerald)
Sind sich nicht nur nahe, sondern auch ähnlicher als gedacht: Max (Bobby Cannavale) und sein autistischer Sohn Ezra (William Fitzgerald)
John Baer

Entführung aus Liebe Er leiht sich das Auto seiner Vaters Stan (Robert de Niro), der so eher widerwilliger Komplize wird und Max noch aufzuhalten versucht, "entführt" Ezra nächtens aus dem Haus seiner Mutter und fährt mit seinem Sohn auf und davon. Der "Road Trip" soll sie zu einem alten Freund von Max führen, auf dem Weg dorthin bekommt er von seiner Agentin Jayne (Whoopie Goldberg) die Info, dass er mit seinem Stand Up-Set in der Jimmy Kimmel-Show auftreten soll, in L.A. Damit steht dann auch das Ziel der Reise fest.

Annäherung Inzwischen ist allerdings auch die Polizei hinter den beiden her, da Jenna die "Entführung" gemeldet hat, was sie später bereuen wird. Sie selbst macht sich mit Stan auf den Weg, um ihr Kind und ihren Ex noch vor der Polizei zu finden. In diesem dramatischen Wirrwarr an Ereignissen kommen sich indes Ezra und Max näher, sie lernen, sich gegenseitig besser zu verstehen. Und Max muss erkennen, dass er seinem Sohn vielleicht viel ähnlicher ist, als er vermutet hatte.

Ezras Mutter Jenna (Rose Byrne) und sein Großvater Stan (Robert de Niro)
Ezras Mutter Jenna (Rose Byrne) und sein Großvater Stan (Robert de Niro)
John Baer

Sensible Umsetzung "Ezra" erzählt diese herzergreifende Geschichte, die von Erfahrungen des Drehbuchautors Tony Spiridakis mit seinem eigenen, autistischen Sohn inspiriert ist, als Road Movie. Die Qualitäten des Films sind vielfältig, am bemerkenswertesten ist aber die Sensibilität und Empathie, mit der "Ezra" vorgeht. Das liegt sicher am Drehbuch, das ohne Klischees und Vorurteile auskommt und sich durch große Realitätsnähe auszeichnet. Aber auch an der einfühlsamen Regie von Tony Goldwyn.

Überzeugende Darsteller Einen großen Beitrag dazu leisten auch die Darsteller, die durchwegs überzeugen: Robert de Niro macht einen soliden Job, der ihn etwas mehr fordert als viele seiner letzten B-Movie-Auftritte. Rose Byrne spielte die besorgte, verängstigte und teils überschießende Mutter überzeugend. Das wahre Highlight ist aber das Vater-Sohn-Gespann Bobby Cannavale - William Fitzgerald: Die beiden spielen einfach großartig, die Chemie zwischen ihnen ist in jeder Szene greifbar. Umso bemerkenswerter ist das, weil es für Fitzgerald sein Film-Debüt ist. Er ist übrigens selbst Autist.

Max' Agentin Jayne (Whoopie Goldberg) verschafft ihm einen Auftritt in Los Angeles, also geht's gemeinsam mit Ezra mit dem Auto einmal quer durch's Land
Max' Agentin Jayne (Whoopie Goldberg) verschafft ihm einen Auftritt in Los Angeles, also geht's gemeinsam mit Ezra mit dem Auto einmal quer durch's Land
John Baer

Gelebte Inklusion Ähnliches gilt für Mitglieder der Crew, was der letzte Baustein für den Erfolg von "Ezra" ist: Viele von ihnen verorten sich selbst auf dem Autismus-Spektrum oder haben Menschen mit Autismus in ihrer Familie. Die Filmemacher screenten zudem im Laufe der Produktion immer wieder abgedrehte Sequenzen für die autistische Community, um Feedback zu erhalten und größtmögliche Authentizität sicherzustellen.

Fazit Die Mühe hat sich jedenfalls gelohnt. "Ezra" ist eine Filmperle geworden, eine dieser kleinen, auf den ersten Blick unscheinbaren Independent-Produktionen, die all das liefern, was ein Gutteil des Hollywood-Mainstreams derzeit vermissen lässt: Eine originäre und ergreifende Geschichte, ein interessantes und relevantes Sujet, eine gekonnte Umsetzung und überzeugende Darsteller. Mehr davon!

"Ezra – Eine Familiengeschichte", USA 2023, 101 Minuten, ab 12. September im Kino

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