Niki glattauer
Schulessen: Warum 45.000 Euro täglich im Müll landen
10.000 Menschen hätten mit dem, was in unseren Schulküchen weggeworfen wird, jeden Tag ein Mittagessen. Die Reste kriegt aber der Mistkübel. Und schuld ist – keiner. Beschreibung einer Tragödie von Niki Glattauer
9.30 Uhr. Die 4B einer Wiener Mittelschule ist mitten im Workshop. Die Expertin einer Ernährungs- und Lebensmittelinitiative nennt Zahlen einer Erhebung zum Thema Schulessen. Befragt worden, sagt sie, seien 5000 Schüler* im Alter zwischen 14 und 20. Die erfreulichen Ergebnisse: 50 Prozent würden im Unterricht gern kochen lernen; für 80 Prozent sei gesundes Schulessen "wichtig oder sehr wichtig"; noch mehr, 85 Prozent, wünschten sich einen "umweltbewussten Umgang mit Lebensmitteln", Stichworte Klima, ressourcenschonende Landwirtschaft, kurze Handelswege, Vermeiden von Überproduktion; gar 90 Prozent hielten die Berücksichtigung von Faktoren wie Überfluss, Mangel und Verschwendung für "sehr wichtig". In der Klasse wird heftig geklatscht. Die Expertin setzt fort: "Reden wir jetzt über nachhaltigen Nahrungsmittelkonsum …"
Zweite Szene Dieselbe Klasse der "offenen Schule" mit Nachmittagsbetreuung sitzt ein paar Stunden später im Speisesaal. Jetzt wird mittaggegessen, gratis. Und schnell, denn in 20 Minuten sind die nächsten Gruppen dran. Knapp 60 Schülerinnen betreut die Lehrerin in "ihrer" Mittagsaufsicht. Theoretisch. Denn praktisch isst an diesem Tag ein Drittel nicht. Einige der angemeldeten Kinder sind krank, einige wollen jetzt nicht, was die Freizeitleiterin in der Vorwoche für sie bestellt hat, und sind zum Supermarkt ums Eck gegangen, andere sitzen herum und "haben keinen Hunger". Für die meisten beginnt gleich die Freistunde, auf dem Programm ein Tischtennisturnier …
Dritte Szene Milena**, eine der "Küchen-Damen", die in dieser Schule die Essensausgabe abwickeln, lässt ihren Blick noch einmal von den Kindern zu den Buffetwägen schweifen. Dort dampft vorportionierte Gemüselasagne aus den "Gastro-Normbehältern". "Will noch jemand was …?, ruft sie. Niemand reagiert. "Sie auch nicht, Frau Professor?" Dann beginnt sie umzuleeren. In einen der Mistkübel aus der Schulküche. Gut und gern acht Kilo landen im Müll. Davor war schon die übriggebliebene Suppe, Broccoli püriert, literweise weggeschüttet worden. Der Gurkensalat, fein dressiert, füllt die große Plastikschüssel noch immer bis an den Rand. Er wird später ebenfalls im Mistkübel landen. "Und die Joghurt nehmen Sie auch nicht mit …?" Die Lehrerin greift sich im Vorbeigehen schnell noch drei der zig Becher, die da aufgestellt sind. Mehr kann sie in einer Hand nicht halten, in der anderen hat sie ihre Listen.
Essen und Schule Oder: Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. So könnten die drei Szenen heißen, wären sie ein Theaterstück. Doch sie sind real. Und an dieser Stelle vorweg: Es gibt in dieser Tragödie keinen "Bösen", keinen "Schuldigen". Sowohl die MA56, die in Wien das Schulessen für 222 Schulen reglementiert und verantwortet, als auch ihre beiden Großlieferanten "Gourmet" und "MAX", die zusammen pro Jahr neun Millionen zertifizierte Mittagessen bereiten und liefern, reißen sich den sprichwörtlichen Haxen aus – dies ist ohne jede Ironie meine Einschätzung –, um 50.000 Wiener Schülern gutes und gesundes Essen zu bieten. Auch mit dem Ziel größtmöglicher Müllvermeidung.
Im diesem Punkt leider vergeblich.
20 Badewannen für den Kanal Sage und schreibe 10.000 Mittagessen aus dem Gratis-Schulessen-Programm der Gemeinde Wien landen jeden Tag im Müll. Ausgedrückt in Gewicht: Berechnet man eine Portion aus Hauptspeise, Beilage, Suppe und Dessert vorsichtig mit 40 Deka, dann kocht man Tag für Tag 20 vollgefüllte Badewannen (180 l) mit frischem, hochwertigem Essen für Abfluss & Kanal …
10.000 könnten davon leben Und das, wo in Österreich 420.000 Menschen von Ernährungsarmut "schwer bedroht" sind, Hunderten Kindern zuhause kein warmes Mittagessen geboten werden kann, die Armutskonferenz von "hungernden Kindern" spricht. Polemisch gesagt: Ziemlich genau 10.000 von ihnen könnten von dem, was in Wiens Pflichtschulen weggeworfen wird, gut leben; zumindest hätte jeder von ihnen ein Mal am Tag ein warmes und gesundes Mittagessen.
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Bestellt, aber nicht abgeholt Dieses Zahlenspiel basiert auf den offiziellen Angaben des so genannten "Schulerhalters", des Wiener Magistrats. In schriftlicher Beantwortung meiner Anfrage nennt mir die MA56 erfreulich offen eine Verlustquote (vermeidbarer Lebensmittelabfall im Verhältnis zur ausgegebenen Speisemenge) von 20 Prozent der täglich rund 50.000 ausgelieferten Mittagessen und beruft sich dabei auf das Abfall-Monitoring "Moneytor" der Plattform "United Against Waste". Diese Zahl beinhaltet (auch) die Tellerreste, vor allem aber all das, was erst gar nicht auf den Teller kommt - nachdem es mit ungeheurem logistischem Aufwand und viel Liebe (sag ich jetzt einmal ;-) gekocht, in die Schulen transportiert und dort, frisch erhitzt, auf eigens für Kinder konstruierten Niedrigstell-Buffetwägen angeboten wurde. Um dann unberührt dort übrig zu bleiben. Im Schuljahr 2023/24 produzierte man bei in Summe neun Millionen angebotenen Mittagessen also 720 Tonnen Essensmüll.
Wegwerf-Essen kostet 8 Millionen 20 Prozent. Diese Zahl ist für noch eine Milchmädchenrechnung gut: Nach eigenen Angaben gab die Stadt Wien für das Gratis-Mittagessen in ihren ganztägig geführten Volks- und Mittelschulen im abgelaufenem Schuljahr satte 40 Millionen Euro aus. Wenn 20 Prozent davon in den Mistkübel wandern, sind das acht Millionen Euro, also 45.000 Euro an jedem einzelnen unserer netto 180 Schultage.
Oder ist es sogar mehr? Kaum fassbar – und vielleicht nicht einmal die ganze Wahrheit. Was man mir aus Schulen schildert, lässt nämlich auf eine noch höhere Abfallquote schließen. So schreibt mir eine MS-Direktorin aus dem Südosten Wiens: "Immer wieder dasselbe Bild: von 120 angemeldeten Kindern haben heute vielleicht 60 auch wirklich gegessen. Auf dem Speiseplan war Linsensuppe, Veggie-Burger, Mohnnudeln, Schokokuchen. 13 Schüler waren gar nicht in der Schule, die anderen haben geschaut, was es gibt, und sind dann abgebogen. Ich habe schließlich ein paar Lehrer zum Restlessen hinuntergeschickt."
Aufgegessen wird Pizza Und weiter: "Die Äpfel haben wir mitgenommen und im Konferenzzimmer zu den Birnen gelegt, die seit der Vorwoche dort zwischenlagern. Wenigstens das Obst wird tageweise auf die Klassen aufgeteilt (…) An manchen Tagen kommt die Hälfte des Mittagessens in den Müll, im Schnitt ein gutes Drittel. Aufgegessen wird praktisch nur bei Spaghetti, Pizza und wenn es Fleisch gibt. Das ist aber nur maximal zwei Mal in der Woche der Fall, und dann ist es wegen der Moslems fast immer nur Huhn oder Pute."
Jetzt dürfen Lehrer restlessen Dabei entspricht diese Schilderung schon der nachgebesserten Situation des heurigen Schuljahrs. Nachdem die "Restlessen-Verordnung" des Magistrats aus 2020, wonach es Lehrpersonal untersagt war, übriggebliebenes Essen zu konsumieren, für einen wütenden Aufschrei in der Lehrerinnenschaft gesorgt hatte, kam es im Schuljahr 23/24 zu durchaus vernünftigen Neuregelungen: Im abgelaufenen Schuljahr durften Lehrerinnen "nach Beendigung eines Essendurchgangs bzw. Beendigung aller Essensdurchgänge" erstmals "restlessen" (gegen Unterschrift und einen Unkostenbeitrag von € 2,40 / Portion), die Schule musste diese Option nur am Beginn des Jahres "anhakerln". 24 taten das nicht, warum auch immer.
Obst erlaubt, Schnitzel verboten Auch, dass Obst (genauso übrigens wie Milch, Joghurt, Kuchen, ja sogar Salat) nun mitgegeben werden darf, damit es Kindern später zur Verfügung steht, ist vernünftig (wie gesagt, die MA56 bemüht sich). Nicht neu – und unter dem Aspekt der Müllvermeidung gar nicht vernünftig – ist, dass alles andere, das übrigbleibt, nach wie vor NICHT mit- oder weitergegeben werden darf. Schülern nicht, Lehrern nicht, karitativen Organisationen nicht. Da geht es um Spaghetti und Lasagne, Schnitzel und Chickenwings, Milchreis und Kaiserschmarren, Fisch, Pizza, Döner, Spinat, Mohnnudeln (alles aus den Menüplänen für die Schulen).
Nicht einmal als Tierfutter Ein öffentlich gut bekannter MS-Direktor aus Wien-Floridsdorf zu mir: "Ich habe unter meinen Lehrern einen Bio-Bauern. Der würde das übriggebliebene Essen abholen und seinen Tieren verfüttern. Aber nicht einmal das ist erlaubt. Stattdessen landet das Essen im Mistkübel." Die Theorie ist die Bio-Tonne, die "gesetzeskonform und umweltgerecht" (so die MA56) abgeholt wird. Die Praxis ist der Colonia-Kübel der MA48 im Stiegenhaus, in dem Kraut und Rüben der ganzen Schule landen, leider nicht nur metaphorisch.
Frage jetzt: Muss das so sein? Von der MA56 bekam ich folgende Antworten: "In allen ganztägig geführten Schulen der Stadt Wien ist das Essen für alle Schüler*innen kostenlos. Die Stadt Wien trägt also die gesamten Kosten, daher gehört das Essen, rein rechtlich, der Stadt Wien." Was – und jetzt kommt’s – eine 100-prozentige Haftung mit sich bringe: "Wenn Essen, das nicht gegessen wurde, an andere Personen weitergegeben wird, können wir nicht mehr garantieren, dass alle Hygiene- und Lebensmittelsicherheitsvorschriften, z.B. Temperaturanforderungen, Warenkontrolle, Verpackungsmaterial und Transportbehältnisse, uvm. eingehalten werden. Es besteht auch das Risiko, dass sich auf bereits gegarten und zubereiteten Speisen Bakterien vermehren."
Nein, sagt die Tafel Österreich Eine Argumentation, mit der die "Tafel Österreich" nicht viel anfangen kann. Allein 2023 versorgte sie in 100 Sozialeinrichtungen 35.000 Menschen, indem genusstaugliche Lebensmittel "gerettet" und gratis an armutsbetroffene Menschen weitergegeben wurden. Verena Scheidl, Leitung Kommunikation, mailte mir: "Gerade in der Schul- und Gemeinschaftsverpflegung werden Unmengen an gutem Essen weggeworfen – immer mit Verweis auf 'Hygiene- und Haftungsgründe', die uns als karitativen Organisationen die Arbeit massiv erschweren. Deshalb verweisen wir auf Länder wie Italien, wo Haftungsausschlüsse Spendern und Empfängern das Leben erleichtern. Wir treten schon seit langem dafür ein, dass noch genusstaugliche Lebensmittel - auch fertige Speisen - an Tafeln weitergegeben werden können."
Die "Tafel" hat es satt Deshalb startete die "Tafel" am 26. Mai, dem "Welttag der Lebensmittelrettung", eine Petition. Titel: "Wir haben Lebensmittelverschwendung und Ernährungsarmut einfach satt!" Schwerpunkt: die Schule. Gefordert werden schriftlich:
"… bessere rechtliche Rahmenbedingungen zur Weitergabe von Essen (Stichwort Schulessen), der Ausbau von Koch- und Lebensmittelexpertise in Schulen und Haushalten sowie ein gesundes Gratis-Mittagessen für alle Schüler:innen in Österreich."
Bitte einfach wieder abholen Verena Scheidl: "Wir haben schon vor vielen Jahren aus einzelnen Kindergärten übrige Menüs abgeholt, das war aber immer auf Zuruf, also sehr kurzfristig, und äußerst schwierig bzw. kleinteilig, deshalb mussten wir wieder damit aufhören. Seitdem versuchen wir, ein System einer smarten Logistik aufzusetzen: Dass nämlich Anbieter von Schulessen, die Waren an Schulen bringen, übrige Menüs mit derselben Lieferung wieder mitnehmen und wir sie an einem Standort abholen. Aber da gibt es, obwohl ökologisch der sinnvollste Weg, keine große Begeisterung auf Anbieterseite."
Klare Worte.
Logistisch keine Kleinigkeit Also treffe ich diese "Anbieterseite". Claudia Ertl-Huemer ist Geschäftsfeldleiterin und damit Chefin über "Gourmet-Kids" mit Sitz in Oberlaa in Wien-Favoriten. "Gourmet" beliefert täglich 145 Schulen (Daumen mal Pi zwei Drittel Volkschulen, ein Drittel Mittelschulen, von Kleinschulen mit 50 Essern bis zu Campus-Schulen mit 600) und ist für die Hälfte aller Wiener Schulessen zuständig. 330 Mitarbeiterinnen hat die Firma, 170 arbeiten in der Küche, dazu kommen 21 Ernährungswissenschafterinnen und sechs Diätologen. "Das alles ist logistisch keine Kleinigkeit", sagt die erfolgreiche und immer wieder ausgezeichnete Geschäftsfrau (im Mai bekam man auf der Klima-Biennale Wien den "Öko-Business"-Award).
Warum nicht abholen, was übrig bleibt? Ich komme zur Sache: "Wieso holt 'Gourmet' das übriggebliebene Essen nicht einfach wieder ab und gibt es sinnvoll weiter, z. B. der 'Tafel' statt dem Mistkübel?", frage ich. Die Antwort ist zunächst ausweichend: Was in der Küche übrig bleibe – zu 99 Prozent durch kurzfristige Ab- oder Umbestellungen –, werde sehr wohl "sinnvoll weitergeben", einerseits an die Mitarbeiterinnen, andererseits als Spenden. "Wir arbeiten eng mit dem Arbeitersamariterbund zusammen. Die holen die Menüs und liefern sie an Sozialorganisationen wie SOMA-Märkte oder 'Elisabethbrot'."
Das war nicht die Frage – für diese Bemerkung ernte ich zunächst einen tiefen Stoßseufzer. Und bekomme dann eine Antwort: "Weil das unglaublich aufwändig wäre. Glauben Sie mir, wir haben das durchgedacht." Aha? Dann denkt Claudia Ertl-Huemer für mich laut nach. "Jeden Tag um 5 Uhr früh startet aus unserem Fuhrpark eine Armada mit 40 Klein-Kühl-Lkw, um das Essen an die Schulen zu bringen, um 10.30 ist die letzte Schule beliefert. Das dauert also mehr als fünf Stunden. Unsere Fahrer müssten diese ganze Runde ein zweites Mal machen. Die Mittagessen in den Schulen gehen bis 14 Uhr, vorher kann man mit dem Abholen nicht beginnen. Das heißt, man kommt in den Abendverkehr. Aber mehr als drei Stunden darf gegartes Essen gar nicht heiß gehalten werden. Außerdem, wer bleibt denn bitte bis 18, 19 Uhr in der Schule, um uns die Essensreste kontrolliert wieder auszuhändigen?"
Auch wieder wahr Das sind natürlich gute Argumente. Und bei der Gelegenheit eine persönliche Anmerkung: Die oben erwähnte Milena wird schon einmal nicht bis 18, 19 Uhr in der Schule bleiben. 700 Euro, sagt sie, sei netto ihr Monatslohn – für vier Arbeitswochen mit harten 25 Stunden. Sie werde den Job für die MA 56 nicht mehr lange machen, sagt sie, als Kindergartenassistentin verdiene sie das doppelte …
Man könnte, Konjunktiv Aber zurück zur Verlustquote beim Essen. Bei "Gourmet" hat man einen anderen Lösungsansatz. Entscheidend sei nicht, wie mit übrig gebliebenem Essen umgegangen werde, entscheidend sei, dass erst gar nichts übrig bleibe. Claudia Ertl-Huemer: "Der erste Hebel, um Abfall zu vermeiden, ist die Bestellung." Die erfolge inzwischen zu Dreiviertel online auf der Web-Seite, hier könnten auch kurzfristig Korrekturen gemacht, Abbestellungen durchgeführt werden, etwa bei Grippewellen oder während des Ramadans. Man könnte tageweise abwechselnd verschiedene Menüs bestellen, dabei Suppen gegen Desserts tauschen und umgekehrt, und man könnte von vornherein die Kinder bei der Bestellung mitreden lassen." Wieso der Konjunktiv? Die Antwort ist diplomatisch: "Weil das von Schule zu Schule sehr verschieden ist."
Schnitzel versus Spinat Und dann aus der Praxis: "Wir bieten vier Menüs an, das 'normale', das 'schweinefleischfreie', das 'vegetarische' und das 'Kraftmenü', das in den Mittelschulen sehr beliebt ist. Aktuell macht das Einser 26 Prozent aller Bestellungen aus, das Zweier ohne Schweinefleisch 28 Prozent, das vegetarische 20 Prozent und das Kraftmenü 26 Prozent." Und weiter: "Jetzt bestellt die Freizeitleiterin einfachheitshalber zum Beispiel für alle Klassen für die ganze Woche das schweinefleischfreie Zweier und alternativ dazu das gesunde Dreier. Da gibt's dann sagen wir am Mittwoch als Hauptkomponente 1 das panierte Putenschnitzel und als Hauptkomponente 2 den Spinat. Am Ende sind die Puten-Wiener weg, bevor noch das letzte Kind gegessen hat, und der Spinat mit Reis landet in der Bio-Tonne."
Schnell, schnell macht Müll Der zweite Hebel sei die Zeit. "Wenn sich die Kinder beim Essen wohlfühlen und genug Zeit haben, schmeckt‘s auch besser." In manchen Schulen sei das Mittagessen umständehalber sehr eng getaktet. An dieser Schraube müsse gedreht werden. "Denn wenn die Kinder nur 15, 20 Minuten Zeit haben – das sehen wir sehr deutlich – geht grad einmal die Hauptspeise weg, Suppe und Dessert bleiben über."
Ein Post zum Nachdenken Ich wüsste noch einen Hebel. Der heißt Schüler & Eltern. An dieser Stelle ein Post von "adamundeva44" zu einer meiner Kolumnen auf "heute.at", wo ich das Schulessen immer wieder thematisiere: "Man fragt sich", schreiben Adam & Eva, "warum in den Schulen überhaupt Essen serviert wird. Schulen sind Bildungsanstalten, keine Wohn- und Aufenthaltseinrichtungen. Niemand ist gezwungen, sein Kind an eine Ganztagsschule zu schicken (noch!). Was spricht gegen die Bezahlung der Kosten? Was nichts kostet, ist auch nichts wert – das ist leider vielfach die Einstellung. Daheim wäre Essen auch nicht gratis …" Hmmm.
Und eine Idee Dieser Post ist nicht mein Ansatz, aber er hat mich auf eine Idee gebracht: Würde das Schulessen unsere Mamas und Papas (wieder) etwas kosten – und sei es auch nur den symbolischen € 1,– im Jahr – , gingen die Rechte auf Spaghetti, Pizza & Co. auf diese über. Und wetten, die Elternvereine fänden im Rahmen der Schulpartnerschaft (Schulforum, Schulgemeinschaftsausschuss) Wege, übrig gebliebenes Essen sinnvoll weiter- und wieder zu verwerten? Die Schülerinnenvertretung hätte man im Boot, siehe der Workshop ganz oben in Szene 1. Wie war das noch? 90 Prozent der befragten Schüler sind Überfluss, Mangel und Verschwendung beim Schulessen "sehr wichtig".
D a s nenne ich einen Ansatz.
* Ich wechsle in meinen Texten ganz bewusst willkürlich zwischen rein weiblicher und rein männlicher Form, alle (anderen) sind immer freundlich mitgemeint.
** Name geändert
Nikolaus "Niki" Glattauer, geboren 1959 in der Schweiz, lebt als Journalist und Autor in Wien. Er arbeitete von 1998 an 25 Jahre lang als Lehrer, zuletzt war er Direktor eines "Inklusiven Schulzentrums" in Wien-Meidling. Sein erstes Buch zum Thema Bildung, "Der engagierte Lehrer und seine Feinde", erschien 2010