Die Autos, die Preise
So fuhr "Schrott-Auktion" von Oldtimern 31 Millionen ein
In Los Angeles kam die vielleicht exklusivste Autosammlung aller Zeiten unter den Hammer. Dutzende meist schrottreife Autos wurden um insgesamt 31 Millionen Dollar versteigert. Die Geschichte dahinter ist filmreif.
Jahrzehntelang galt die Autosammlung des deutschen Amerika-Auswanderers Rudi Klein als das Eldorado der Oldtimer-Freaks: Jeder wusste davon, aber gesehen hatte sie keiner. Jetzt wurden die größten Schätze aus der Kollektion in Los Angeles versteigert. Das irre dabei: Die meisten der Autos sind nahezu Schrott, kaum eines ist auch nur annähernd fahrbereit. Trotzdem waren Auto-Enthusiasten auf der ganzen Welt wegen der Auktion im Ausnahmezustand. Das Ergebnis übertraf am Ende alle Erwartungen.
31 Millionen Dollar für einen Haufen Edel-Schrott Mit einem Erlös von 20 Millionen Dollar war vorab gerechnet worden, am Ende der Versteigerung wurde dieses Ergebnis weit übertroffen. 29,6 Millionen Dollar wurden bei der Schrott-Auktion eingenommen, dazu weit über eine Million für Ersatzteile. Das mit Abstand höchste Ergebnis erzielte ein ganz spezieller Mercedes-Benz Flügeltürer aus dem Jahr 1956 mit 9,3 Millionen Dollar.
Eine Auktion, wie sie die Oldtimer-Welt noch nicht erlebt hat Der Flügeltürer war dabei nur die oberste Spitze eines automobilen Eisbergs. Was da am Samstag, dem 26. Oktober in Los Angeles unter den Hammer kam, sind einige der seltensten und wertvollsten Autos der Welt. Zusammengetragen hat sie der bereits 2001 verstorbene gebürtige Hesse Rudi Klein, der in den 1950ern nach Nordamerika auswanderte und ab den 1960er-Jahren einen Schrottplatz für verunfallte europäische Luxuskarossen betrieb.
Preziosen zusammengekauft Mit der Zeit kaufte Rudi Klein auch das eine oder andere Auto für seine eigene Sammlung zusammen, ließ diese aber zwischen seinen Schrottkarren verstauben. Dennoch bewies er dabei ein Gespür für Preziosen. Viele Schlitten, die seinerzeit keiner haben wollte, stellen heute Millionenwerte dar. Was Sie über die schrägste Automobil-Auktion aller Zeiten wissen müssen:
Alles über die schrägste Automobil-Auktion aller Zeiten
Konkret, worum geht es hier eigentlich?
Um eine Automobilauktion, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Zur Versteigerung kamen fast ausschließlich völlig herunter gerittene, vielfach komplett zerstörte Karossen, die dennoch viele Millionen Dollar erlösten. Denn die meisten der Fahrzeuge, die da ausgerufen wurden, gehören zu den seltensten Automobilen der Welt. Und dafür zahlen Sammler und Enthusiasten gerne viel Geld.
Von welchen Autos ist da die Rede?
Die wertvollsten Exemplare, die versteigert wurden, sind ein seltener Mercedes-Flügeltürer aus dem Jahr 1956 sowie ein Mercedes-Benz 500 K Spezialcoupé, eine Einzelanfertigung, die 1935 für den Rennfahrer Rudolf Caracciola aufgebaut wurde. Beide Fahrzeuge wurden vor der Auktion auf einen Wert von jeweils etwa 4 bis 6 Millionen Dollar geschätzt.
Weshalb sind diese beiden Autos gar so viel wert?
Der legendäre Flügeltürer ist eines von insgesamt nur 29 Exemplaren, die seinerzeit eine reine Aluminium-Karosserie erhalten haben und somit um gute 80 Kilo leichter waren als die "herkömmliche" Version mit einer Stahlblech-Karosserie. Der Mercedes sorgte für das größte Interesse und die Bieter lieferten sich ein heißes Gefecht. Am Ende wurden dafür 9.355.000 Dollar aufgerufen.
Und der zweite Mercedes?
Das war eine einmalige Sonderanfertigung für den deutschen Rennfahrer Rudolf Caracciola. Der war in den 1930er-Jahren einer der größten Stars in diesem Sport, vergleichbar mit modernen Legenden wie Ayrton Senna oder Michael Schumacher. Caracciola stellte zahlreiche Rekorde mit Mercedes-Rennwagen auf und wurde drei Mal Europameister (vergleichbar der heutigen Formel-1-WM).
Als Dank für seine Leistungen, baute Mercedes Caracciola dieses einmalige Coupé mit seinem 8-Zylinder-Kompressormotor, der ewig langen Motorhaube und der hohen, an die Körperfülle von Caracciola angepassten Dachlinie. Der Sammler Rudi Klein erwarb diesen Wagen 1979, fuhr ihn einige Monate und stellte ihn dann auf seinem Schrottplatz ab. Der Wagen brachte am Ende 4.130.000 Dollar.
Gab es noch weitere Highlights?
Sogar sehr viele. Etwa einen Horch 855 Special Roadster aus dem Jahr 1939, der letzte seiner Art, der 3.305.000 Dollar erbrachte. Dieses Auto ist eines von nur insgesamt drei Exemplaren der Klein-Collection, die fahrbereit sind. Rudi Klein verlieh sie in den frühen 1990ern an das Werksmuseum von Audi – mit der Auflage, dass diese auf Audi-Kosten fachmännisch restauriert werden. Sie wurden erst kurz vor der Auktion wieder in die USA gebracht.
Welche Schätze warteten noch auf Käufer?
Vor allem deutsche Vorkriegsware: Ein 1933er Horch Sport Cabrio (brachte 235.200 Dollar), ein Mercedes-Benz 370 S Sport Cabrio von 1931 (erbrachte 500.000 Dollar), zwei Maybach SW 38 Cabrios von 1936 bzw. 1938 (137.600 Dollar bzw. 522.000 Dollar) und ein Horch 853 Cabrio von 1937 (362.500 Dollar) – das ist ebenfalls einer der Wägen, die bereits restauriert wurden. Alle anderen Fahrzeuge müssen erst wieder in einen fahrbereiten Zustand gebracht werden.
Gab es auch jüngere Autos zu ersteigern?
Ja, zum Beispiel diverse Porsche-Modelle, von denen drei besonders interessant sind. Ein 356 B Cabrio von 1963 mit einer Karosserie von Reutter (erbrachte 168.000 Dollar), ein 356 B 1600 Roadster von D'leteren aus 1962 (1.160.000 Dollar) und ein 356 A Carrera 1500 Coupé von Reutter aus 1959 (885.000 Dollar). Dann ein BMW 503 Cabrio aus 1957 (156.800 Dollar) und ein Mercedes-Benz 300 SL Roadster aus 1957 (1.187.500 Dollar).
Und für die Fans italienischer Autobauer?
Gab es fünf ganz besondere Dolci. Zwei Iso Grifo – einmal eine Serie 1 aus 1966 (brachte 162.400 Euro) und ein Spider Prototyp von Bertone aus 1964. Das rote Einzelstück erzielte am Ende 1.875.000 Dollar. Und dann gleich drei Lamborghini Miura. Der Miura gilt unter Enthusiasten als das schönste Modell der Autoschmiede aus Sant' Agata, von dem nur 474 Stück gebaut wurden. Drei davon, in unterschiedlichen Erhaltungszuständen, waren hier zu haben. Ein blauer 1969er-Miura, dem Teile der Front fehlten, brachte am Ende 967.500 Dollar, ein besser erhaltener grüner Miura aus 1968 kam sogar auf 1.325.000 Dollar.
Wer kauft so etwas? Und vor allem – um so viel Geld?
Auto-Enthusiasten auf der ganzen Welt. Denn das, worum es hier primär geht, sind die Insignien der Originalität. Und das sind Fahrgestell- und Motorennummern. Alles andere kann man reparieren, restaurieren oder, wenn nötig ersetzen. Aber die Basis eines neu aufgebauten Veteranen muss immer ein Original sein, sonst gilt es nichts in der Community – und ist vor allem den hohen Mitteleinsatz zur Restaurierung nicht wert. Denn bei den meisten der hier gezeigten Autos wird alleine die Reparaturrechnung siebenstellig.
Wer die skurrile Sammlung zusammengetragen hat
Wem gehörten die Autos eigentlich?
Die Autos gehörten alle dem Exil-Deutschen Rudi Klein. Er wurde in den 1930er-Jahren in Rüsselsheim in Hessen (die Heimat der Automarke Opel) geboren und emigrierte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit 18 Jahren nach Nordamerika. Zuerst nach Kanada, weil die Einreisebestimmungen einfacher waren, später ging er nach Los Angeles.
Um da Autos zu sammeln?
Nein. In Kanada lernte Rudi Klein zunächst das Fleischerhandwerk. Doch später in Los Angeles kam ihm die Idee, dass mit dem Handel mit Autos mehr zu verdienen sein müsste. Denn in der Stadt waren Luxusautos aus Europa ein wichtiges Statussymbol, vor allem bei den tausenden "Reichen und Schönen" in Hollywood. Also begann Klein Mitte der 1960er-Jahre in einem Gewerbegebiet in der Nähe des Flughafens, ein Geschäft mit Unfallautos und Gebrauchtteilen aufzuziehen, ausschließlich von europäischen Luxusmarken.
Wo fand Rudi Klein diese Autos?
Bei Schrotthändlern in der ganzen Stadt. Er war in der Autoszene von L. A. bald bekannt wie ein bunter Hund und wurde automatisch verständigt, wenn sich ein junger Schauspieler in seinem Porsche überschlagen hatte oder eine alternde Filmdiva ihren Vorkriegs-Benz gegen etwas Schickeres eintauschen wollte. Und Klein kaufte alles, denn sein Schrottplatz war riesig und bot Platz ohne Ende.
Was machte der Händler mit den Unfallautos?
Die meisten schlachtete er aus sortierte die Teile nach einem System, das nur er selbst verstand. Elektronische Lagerhaltung war seinerzeit noch ein Fremdwort, also wurde alles, was noch halbwegs brauchbar erschien, an einem Fleck gestapelt: Sitze, Spiegel, Felgen, Lenkräder, Türen, Autoradios und Kennzeichen. Und natürlich Motoren und weitere Technikteile. Die solcherart "entkernten" Fahrzeuge wurden dann auf dem gesamten Gelände auf industriellen Hochregalen gestapelt.
Verschrottet wurde nichts?
Nein, dagegen hatte Klein offenbar eine Aversion. Er bewahrte alles auf. Was er wiederkaufen konnte – super. Was nicht, blieb liegen.
Wie viele Autos befanden sich insgesamt auf dem Gelände?
Das ist schwierig zu beantworten, weil viele Autos nur mehr in Teilen vorhanden sind. Aber aus den Geschäftsbüchern von Rudi Klein geht hervor, dass im Laufe der 35 Jahre, die er in diesem Business tätig gewesen ist, an die 7.000 Luxusautos durch seine Hände gingen. So sollen mehr als 200 Porsche 356, gut 50 Mercedes SL und mehr als ein Dutzend Mercedes 600 auf dem Schrottplatz gelandet sein. Heute soll es insgesamt noch etwa 200 Autos auf dem weitläufigen Gelände geben, nach der Auktion jetzt um einige weniger.
Wurde der Schrotthändler mit seinem Geschäft reich?
Offensichtlich. Denn er begann, zusätzlich in Immobilien zu investieren. Als Rudi Klein im Jahr 2001, kurz nach 9/11, starb, lebte er mit seiner Frau und zwei Söhnen in einer Villa am Pazifik, im Nobelvorort Palos Verdes.
Weshalb betreibt seine Familie das Business nicht weiter?
Rudi Kleins Frau ist ebenfalls bereits vor längerer Zeit verstorben und die beiden Söhne haben keinerlei Bindung zur Autosammlung ihres Vaters, sie leben offenbar von der Verwaltung der Immobilien. Deshalb wandten sie sich an das Auktionshaus Sotheby's.
Und Sotheby's hat sofort zugesagt?
Vermutlich, denn die Auto-Experten des Auktionshauses trauten ihren Augen kaum, was sie da alles auf dem Firmenglände entdeckten.
Wieso entdeckten, wusste denn keiner, was es da alles gab?
Nein, und das machte die Sache ja so spannend für die gesamte Autosammler-Welt. Denn Rudi Klein ließ so gut wie nie jemanden auf sein Firmengelände, und seine Söhne waren genauso gestrickt. Nach dem Tod des Patriarchen fiel das gesamte Gelände dann in einen Dornröschenschlaf, bis schließlich die Leute von Sotheby's auftauchten.
Wie darf man sich das vorstellen?
Nun, ein knappes Dutzend Mitarbeiter brauchte zunächst einmal drei Wochen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Schließlich wurden die spannendsten Posten für eine Auktion zusammengetragen. So gelangten am 26. Oktober nun insgesamt 67 Autos bzw. Auto-Überreste zur Versteigerung. Außerdem 92 Motoren sowie diverse weitere Teile wie Kofferraumdeckel, Kotflügel, Armaturen oder Lenkräder. Insgesamt gelangten 207 Lose zur Auktion.
So lief die Auktion
Kein Mindestgebot, alles musste raus
Start war am 26. Oktober um 10 Uhr Ortszeit, also 19 Uhr europäischer Zeit. Bereits vorher durften alle angemeldeten Interessenten das Gelände besichtigen – alleine das war für viele Autonarren ein einzigartiges Abenteuer, denn Rudi Klein ließ ja niemals irgendwelche Fremden auf sein Grundstück. Bei der Auktion selbst waren keine Mindestpreise festgesetzt, was das Interesse nochmals erhöhte. Da die Auktion auch live im Internet übertragen wurde, konnten online Interessenten aus aller Welt mit steigern.
Wo kann man alle Lose anschauen?
Unter rmsothebys.com/auctions sind sämtliche Lose inklusive Auktionsergebnis zu sehen und auch genau beschrieben.
Welcher Erlös wurde von der Auktion erwartet?
Die Experten des Auktionshauses hielten sich im Vorfeld sehr bedeckt, was wohl damit zu tun hatte, dass es mit Auktionen dieser Größenordnung kaum Erfahrungen gibt. Aber man ging davon aus, dass die Versteigerung mindestens 20 Millionen Dollar erlöst.
Und wie viel hat sie am Ende eingebracht?
Am Ende wurde dieser Wert um die Hälfte übertroffen: 29.616.400 Dollar standen letztlich in den Büchern von Sotheby's. Dazu kamen noch 1.407.825 Dollar aus einer zweiten, nur Online abgehaltenen Teile-Auktion einen Tag später. Macht unterm Strich 31.024.225 Dollar.
Ist jetzt noch irgend etwas von Rudi Kleins Schrott-Erbe übrig?
Schwierig zu sagen. Auf der einen Seite wurden insgesamt mehr als 500 Exponate versteigert – und auch alle losgeschlagen. Ob noch weitere Karosserien oder Einzelteile da sind, wird man erst sehen. Und auch, was damit allenfalls geschehen soll. Ob Rudi Kleins Söhne die letzten Reste der Sammlung ihres Vaters weiterhin behalten und so sein "Wunderland" zumindest in Teilen am Leben erhalten, bleibt abzuwarten. Schade drum wäre es allemal. Denn der Schrottplatz bildete ein einmaliges Stillleben und war ein Fenster in eine andere, längst vergangene Welt, als Autofahren noch ungleich viel mehr auch mit Stil und Geschmack zu tun hatte als heute.