Billy Crystal, "BEFORE"
Warum Harry ohne Sally absolut nichts zu lachen hat
Billy Crystal, der Harry in der Kult-Komödie "Harry und Sally", bekommt es in der neuen Serie "Before" als Kindertherapeut mit einem Buben zu tun, der mehr über ihn zu wissen scheint, als ihm lieb sein kann. Ab sofort auf Apple TV+.
Apple TV+ ist so etwas wie der Ferrari unter den Streaming-Diensten: Während die Konkurrenz das Publikum mit ihrem konstanten Output plättet, der noch dazu qualitativ meist sehr schwankend ist, behält Apple seine geradezu minimalistische Veröffentlichungsstrategie nach dem Motto "weniger ist mehr" bei.
Weniger ist mehr Gezeigt werden nur wenige Filme und Serien, im Monat sind es manchmal nur zwei bis drei Neuveröffentlichungen. Außerdem beschränkt man sich beim Programm strikt auf eigene Produktionen und zeigt keine sublizenzierten Filme und Serien, wie es etwa Amazon Prime oder Netflix machen. Doch die Qualität des Gezeigten ist in der Regel wirklich sehr gut.
Der Ferrari unter den Streamern Nun kann aber nicht jedes neue Streaming-Werk ein Hit werden. Apple hat mit Serien wie "Slow Horses", "Bad Monkey", "Disclaimer" und "Shrinking" ohnedies einen bemerkenswerten Run. Seit kurzem läuft nun die Serie "Before" neu auf dem Streaming-Dienst, genauer gesagt die ersten beiden Folgen, die restlichen Episoden werden im Wochentakt veröffentlicht. Und sie ist zwar kein Totalreinfall, aber so wirklich überzeugen mag die neue Serie bisher auch nicht.
Worum geht es in "Before"? Der Kinder-Psychotherapeut Eli (Billy Crystal, der mittlerweile 76 ist, was man ihm auch ansieht) kann auf eine lange, erfolgreiche Karriere zurückblicken. Wenn er wollte, könnte er sich längst zur Ruhe setzen. Aus Liebe zu seinem Beruf hat er das bisher nicht gemacht, immer noch ist er ein gefragter Mann, gilt als Experte in seinem Feld. Doch ein eigenes Trauma macht ihm zu schaffen: Seine Frau Lynn (Judith Light) hat sich vor kurzer Zeit umgebracht. Warum konnte er gerade ihr nicht helfen?
Der traumatisierte Therapeut Diese und ähnliche Fragen treiben Eli um, er hat seltsame, verstörende Alpträume, leidet unter Stress - und überlegt schließlich, seinen Job doch an den Nagel zu hängen. Eine Kollegin vom Jugendamt bitten ihn dringend, sich noch einen Fall anzusehen, den achtjährigen Noah (Jacobi Jupe), der nicht spricht und dringend Hilfe braucht, um nicht permanent in die Kinderpsychiatrie gesperrt zu werden. Eher widerwillig stimmt Eli zu.
Alles nur Zufall? Zu Elis großer Überraschung – und zu seinem noch größeren Schrecken – stellt er fest, dass er Noah bereits kennt: Kurz zuvor war nämlich ein ihm unbekannter Bub in seine Wohnung eingedrungen, stand plötzlich in der Küche, wortlos, verängstigt, verstört. Eben dieser Bub war Noah. Und nun soll Eli ihn behandeln.
Verstörende Bilder Noah gibt seiner Umwelt Rätsel auf: Er spricht nicht, und wenn, dann nur ein schräges Niederländisch aus dem 17. Jahrhundert, wie Eli herausfindet. Regelmäßig hat er Panikattacken, Anfälle, gewalttätige Ausbrüche. Irgendetwas, das nur er sehen kann, scheint ihn zu bedrohen, ihm Angst zu machen. Eli beginnt seine Arbeit und findet langsam einen Draht zu dem Jungen, der wieder zu sprechen beginnt. Noah zeichnet auch Bilder, beeindruckend für sein Alter, wo er abbildet, was er vor seinem inneren Auge sieht.
Eine mysteriöse Verbindung Es sind düstere, beängstigende Skizzen. Auf denen immer wieder eine alte Waldhütte auftaucht, die auch Eli bekannt vorkommt: Zuhause hat er ein Foto von dieser Hütte. Sie scheint eine magische Anziehung auf ihn auszuüben, was genau es aber mit ihr auf sich hat, erfährt das Publikum nicht. Die Hütte scheint jedenfalls das Zeichen einer mysteriösen Verbindung zwischen dem Therapeuten und seinem jungen Klienten zu sein …
Serien-Generikum Auch wenn das alles nicht schlecht klingt: "Before" ist in seiner Gesamtheit leider zu generisch. Die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt und umgesetzt ist, hat man leider schon zu oft so oder ähnlich gesehen. Der Spannungsaufbau klappt auch nicht wirklich, was allgemein an der Handlungskonstruktion (Drehbuch: Sarah Thorp) liegt. Und Billy Crystal in einer für ihn ungewöhnlichen, weil ernsten Rolle zu sehen, ist zwar eine Weile lang interessant, aber nicht zwingend überzeugend.
Fehler in der Umsetzung "Before" wurde 2022 von Apple bestellt. Crystal als Hauptdarsteller (er ist als Executive Producer auch an der Produktion beteiligt) stand schon damals fest, allerdings sollte Hollywood-Legende Barry Levinson ("Rain Man", "Enthüllung", "Sleepers") die Regie übernehmen. Doch der verließ die Produktion, stattdessen übernahm ein eher unbekanntes Regie-Quintett den Job. Und darin liegt der Kardinalsfehler der Serie: Ein Filmemacher wie Levinson hätte wohl eine andere Qualität bei der Umsetzung sichergestellt.
Kein Totalreinfall, aber … Eine Katastrophe ist das Resultat zwar nicht, und bei manch anderem Streaming-Anbieter würde so eine Serie nicht weiter negativ auffallen. Gemessen am sonstigen Output von Apple TV+ – und wohl auch am eigenen Anspruch – ist sie dennoch eine kleine Enttäuschung. Nur 31 Prozent positive Kritiken bei der Rating-Plattform Rotten Tomatoes sprechen eine eindeutige Sprache. "Before" bemüht sich zwar, will aber einfach nicht so recht in die Gänge kommen. Ob das noch besser wird, wird sich zeigen.
Fazit Wer sehen will, wie sich Billy Crystal in einer ernsten Rolle schlägt oder generell auf Psycho-Mystery-Rätsel steht, sollte "Before" eine Chance geben. Für die qualitätsverwöhnten Apple TV+-Seher könnte die Serie aber doch eine kleine Enttäuschung sein.
"Before", USA 2024, 10 Episoden à ca. 30 Min., Episode 1 & 2 ab sofort auf Apple TV+, ab 1. November jede Woche eine weitere Episode