Warum der beste Anwalt von L. A. eine weitere Runde dreht

"The Lincoln Lawyer" ist eine Erfolgsgeschichte mit Anlauf, die sich zuerst mit Blick auf die Protagonisten hinter der Kamera erklärt: Zum einen basiert die Serie auf einer Buchreihe von US-Autor Michael Connelly, der bereits die Vorlage für Amazon Primes Erfolgs-Show "Bosch" (bisher 7 Staffeln sowie zwei Spin-Off-Staffeln von "Bosch: Legacy") geliefert hatte. Als der ehemalige US-Präsident Bill Clinton in seiner ersten Amtszeit auf einem Flug mit einem Roman von Connelly gesichtet wurde, explodierten die Verkaufszahlen, der Schriftsteller gehört seither zu den Fixsternen am amerikanischen Krimi-Himmel.

Talent hinter der Kamera Zum anderen fungierte Serien-Mastermind David E. Kelley ("Mr. Mercedes", "Big Little Lies", "Aus Mangel an Beweisen", "Ally McBeal") als Schöpfer dieser Adaption der Bücher um den unkonventionellen Anwalt Mickey Haller in Los Angeles und ist immer noch als Executive Producer mit an Bord. Und bekanntlich wird fast alles, das Kelley anfasst, zu Gold. Oder zumindest zu Silber. Und schlussendlich sorgt der Streaming-Riese Netflix für die Finanzierung und den reibungslosen Ablauf der Produktion.

Kantige Charaktere, anspruchvolle Plots Während Staffel 1 von "The Lincoln Lawyer" aus 2022  noch das Prädikat "Silber" verdiente, steigerte sich Staffel 2 verdächtig nahe Richtung Gold-Status. Eine Kombination aus kantigen Charakteren, anspruchsvollen und spannenden Plots und einer flotten Inszenierung inklusive eines beschwingten Soundtracks sorgte dafür, dass der "Lincoln Lawyer" schnell seine Fanbase finden konnte. Daher war es auch kein Wunder, dass Netflix rasch eine 3. Staffel in Auftrag gab.

Darum geht's "The Lincoln Lawyer" erzählt von Star-Anwalt Mickey Haller (Manuel Garcia-Rulfo), der sich mit seinem ganz eigenen Verteidigungs-Stil einen Namen in den Gerichten von Los Angeles gemacht hat. Sein Markenzeichen: Er bearbeitet seine Fälle am liebsten vom Rücksitz seines Lincoln SUV aus, mit dem er sich durch die Stadt und von Termin zu Termin kutschieren lässt.

Chaotisches Privatleben Während das berufliche Leben Mickey Hallers von Erfolgen gekennzeichnet ist - als Verteidiger bekommt er die meisten seiner Klienten frei -, ist es um sein Privatleben weniger stabil bestellt: Die Beziehung zu seiner ersten Ex-Frau Maggie (Neve Campbell), mit der er auch eine jugendliche Tochter namens Hayley hat, ist kompliziert. Seine zweite Ex-Frau Lorna (Becki Newton) arbeitet inzwischen mit ihm und für ihn in seiner Kanzlei, während sie in einer Beziehung mit Cisco, Hallers Kumpel und Ermittler, Typ Grizzlybär, ist. Und eine ehemalige Mandantin ist seine Chauffeurin. Im Team Haller geht mitunter recht chaotisch zu, aber dabei trotzdem immer familiär.

Raue Art Im Gerichtssaal ist Haller eine Klasse für sich, er agiert gerissen bis genial und kennt alle Tricks und Finten. Das hat zum Teil auch damit zu tun, dass bereits sein Vater ein Star-Anwalt war – und der Sohn schickt sich an, in seine Fußstapfen zu treten. Doch durch seine teils raue und kompromisslose Art macht er sich nicht nur Freunde, muss ab und zu auch ordentlich einstecken: Es kommt nicht nur einmal vor, dass der Lincoln Lawyer mit blutiger Nase (oder Schlimmerem) aus einer Auseinandersetzung hervorgeht.

Lebemann Solche Rückschläge kompensiert Haller, der Lebemann, durch gutes Essen. Und schöne Frauen. Von beidem scheint er immer genügend abzubekommen. Doch der Lincoln Lawyer kennt auch die Schattenseiten des Daseins: Am Beginn der 1. Staffel machen ihm die Nachwehen einer schweren Tablettenabhängigkeit zu schaffen, die er erst mit Mühe in den Griff bekam. Und seine Familiengeschichte lässt sich auch als kompliziert beschreiben.

Wohlfühlserie ohne Klischees Die Serie lebt von ihren markigen Figuren, von denen Haller - auch wegen der recht unkonventionellen, aber trotzdem überzeugenden Darstellung durch Manuel Garcia-Rulfio - heraussticht. Alle Figuren sind echte "Persönlichkeiten", das Gegenteil von Klischees. Ein weiterer Reiz von "The Lincoln Lawyer" geht von der positiven Darstellung des Lebens in L.A. aus, die Serie ist trotz ihrer teils harten Themen und Szenen im Grunde eine "Wohlfühlserie".

Seriensnack für Justiz-Nerds Dazu trägt zum einen auch die Obsession der Figuren (und wohl auch der Serien-Macher) für gutes Essen bei: Alle 10 Minuten sind die Protagonisten mit irgendeinem Snack in der Hand zu sehen. Und zum anderen der Latino-Touch, den Haller mitbringt: Seine Mutter ist Mexikanerin, er ist in Mexiko aufgewachsen und fühlt sich der Latino-Community von L.A. verbunden. Für Justiz-Nerds gibt es ebenfalls genug zu sehen, denn die detailreiche Darstellung des Gerichts-Alltags ist äußert gelungen, womit man wieder bei Serienschöpfer David E. Kelley wäre. Der war früher selbst Anwalt und das ist so etwas wie sein Spezialgebiet.

Wovon handelt Staffel 3? Die 3. Staffel setzt da fort, wo Staffel 2 geendet hatte, auch handlungstechnisch, da staffelüberspannende Handlungsstränge inkludiert werden: Mickey Haller erfährt, dass seine ehemalige Klientin "Glory Days", ein Callgirl, zu dem er eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut hatte, ermordet wurde. Dem nicht genug: Ihr vermeintlicher Mörder bittet Haller, ihn vor Gericht zu vertreten – "Glory Days" war eine seiner "Angestellten", sie gab ihm Hallers Namen mit dem Hinweis, sich an diesen zu wenden, sollte "irgendwas geschehen".

Kriminelles Dickicht Haller ist hin- und hergerissen, übernimmt den Fall aber schließlich, da er von der Unschuld seines Mandaten überzeugt ist und herausfinden will, wer seine Freundin auf dem Gewissen hat. Erst fällt der Verdacht auf einen Drogenboss, der aufgrund der Aussage von "Glory" im Gefängnis landete. Über ihn führen die Ermittlungen zu einem Staatsanwalt, der mit unsauberen Methoden arbeitet und etwas mit dem Mord zu tun haben könnte. Ein ehemaliger Cop, den Haller einst vor Gericht bloßgestellt hatte und der nun als Ermittler arbeitet, ist auch noch irgendwie involviert. Sprich: Der Lincoln-Anwalt gerät wieder in ein Dickicht undurchsichtiger, krimineller Verbindungen, das er aufklären muss.

Anspruchsvolle Handlung … Staffel 3 von "The Lincoln Lawyer" macht qualitativ nahtlos dort weiter, wo Staffel 2 vor einem Jahr geendet hatte. Die Story ist diesmal besonders komplex und auch detailliert aufbereitet, was die Aufmerksamkeit hoch hält. Locker nebenbei schauen kann man die 10 neuen Episoden – die übrigens in guter, alter Netflix-Manier alle gleichzeitig veröffentlicht worden sind – nicht, wenn man allen Haken der Handlung folgen möchte.

… und Feel-Good-Momente Dazwischen lockern aber immer wieder die gewohnten "Feel Good-Momente" mit Musik, Essen und Hallers Romanzen das Ganze auf: Diesmal beginnt er eine Affäre mit der Staatsanwältin, gegen die er in Staffel 2 seinen Fall erfolgreich durchgekämpft hatte. Seine Klientin damals war übrigens eine andere Geliebte gewesen. So lässt es sich arbeiten.

Fazit Wer bereits vom Lincoln Lawyer-Fieber infiziert ist, bei dem wird es auch mit Staffel 3 wieder ausbrechen. Wer bisher davon noch verschont geblieben ist, sollte der Serie eine (zweite) Chance geben: Denn sie wächst einem ans Herz, macht vieles sehr richtig, ohne dass man es immer genau benennen könnte, hat einfach Charme und Charakter. Ganz wie ihr Protagonist.

"The Lincoln Lawyer", Staffel 3, USA 2024, 10 Episoden à ca. 45-55 Min., ab sofort auf Netflix