Kopfnüsse
Wie der Präsident fast die SPÖ-Wiedergeburt stoppte
Das Land sucht eine neue Regierung und betritt dabei Neuland. Die SPÖ will Land gewinnen und landete in einer neuen Vorsitz-Debatte. Um beiden Landgängen gerecht zu werden, landete ich fast am Hosenboden.
In Kärnten gibt es neuerdings Vegetarier, die Fleisch essen. Das ist für Tiere eine relevante Information, sie kann Leben retten, vor allem das eigene. Vegetarier, die Fleisch essen, essen freilich nicht jedes Fleisch, sondern nur Stücke, die sie selbst erlegt haben. Womit, ist Geschmacksache, vor allem jägerseits.
Mit KI-Stimme: Wie der Bundespräsident fast die SPÖ-Wiedergeburt stoppte
Man darf sich die Kärntner nun nicht als wildes Bergvolk vorstellen, dass in die Städte einfällt, um Essbares zu jagen oder um den Lindwurm mit Pfeil und Bogen zur Strecke zu bringen, um ihn dann in eine Karawanken-Höhle zu verschleppen. Also man kann sich die Kärntner natürlich schon so vorstellen, es wird nur der Wirklichkeit nicht gerecht. Zumindest nicht ganz.
In der "Kleinen Zeitung" erschien dieser Tage eine Geschichte über die Kärntner Jägerschaft, die ihr 75-Jahr-Jubiläum feierte. Tiere gratulierten kaum, einige Gattungen gelten als recht undankbar. Die üblichen Grußbotschaften, die in Medien gern zu solchen Anlässen abgedruckt werden, entfielen.
In Österreich sind Geburtstage gern genommene Anlässe, um Leid zu klagen, die Kärntner Jägerschaft ist da keine Ausnahme. Zunächst gab es allerdings von gelungenen Integrationsbemühungen zu berichten, denn immer mehr Frauen gehen auf die Pirsch. "Früher war Damenjagd natürlich tabu", erzählt der ehemalige Sekretär des Landesjägermeisters. Warum dieses Tabu "natürlich" war, wird leider nicht näher erläutert. Vielleicht stimmt das mit dem wilden Bergvolk doch mehr als ich dachte.
Die wirklichen Probleme liegen aber heute anderswo. "Corona hat die Massen in den Wald und Karawanen auf die Berge getrieben", sagen die Klagejäger. Der Lebensraum für Wildtiere werde immer kleiner. Ich fände es eine gute Idee, wenn man den "Massen" und den "Karawanen" beizeiten mitteilt, dass sie aus dem Wald und von den Bergen in die Zivilisation zurückkehren können. Dann hätten die Wildtiere auch wieder mehr Platz.
Das neue Raumangebot käme auch den Jägerinnen und Jägern zugute, die sich ihr tägliches Brot jetzt selbst zusammenschießen müssen. Es gibt nämlich neuerdings "Jegetarier", angeblich ein Trend. "Jegetarier" essen Fleisch, "lehnen aber die Massentierhaltung ab", wird Angelika Kabas-Auer in der "Kleinen Zeitung" zitiert. Für sie wäre die Jagd früher auch "natürlich tabu" gewesen.
"Jegetarier", so Kabas-Auer, "gehen zur Jagd für den Eigenbedarf und sehen das als nachhaltige Art des Fleischkonsums." Dabei gibt es offenbar die ärgsten Typen. "Wir hatten sogar schon eine Teilnehmerin, die bewusste Vegetarierin war." Sapperlot! "Nach absolvierter Jagdprüfung kommt bei ihr nur mehr Fleisch von selbst erlegten Tieren auf den Teller." Unter Rehen, Fasanen und Hasen fällt der Applaus über den Gamechanger hörbar unhörbar aus.
Ich erzähle das deshalb, weil ich am Mittwoch auch auf der Jagd, war, in meinem Fall aber nach Metern und Sekunden. Ich versuchte, bei zwei Gamechangern gleichzeitig zu sein, am Ende schaffte ich beide, oder keinen.
Der Titel "Persönliche Erklärung" auf einer Einladung lässt Journalisten in Österreich stets die Ohren spitzen, dafür müssen sie gar keine "Jegetarier" sein. Häufig handelt es sich um die Ankündigung eines bevorstehenden Rücktritts, aber Rudi Fußi konnte an diesem Mittwoch von nichts zurücktreten, weil er noch zu gar nichts angetreten war. Er hatte am Dienstag um 15.58 Uhr zu einer "Persönlichen Erklärung" eingeladen. Sie sollte tags darauf um 13 Uhr erfolgen und die Probleme nahmen ihren Lauf.
Ich hatte in der gestrigen Kopfnuss ein paar Worte über Handtücher verloren, die im sonnigen Süden gern benutzt werden, um Liegestühle zu reservieren. Das ist natürlich abzulehnen, aber im Alltag wären Handtücher manchmal nicht schlecht. Man könnte sie über Termine legen, dann wären sie ausreserviert und nicht jeder x-beliebige Bundespräsident könnte kommen und die Party crashen.
So war es aber diesmal, denn Mittwoch um 11.20 Uhr kündigte auch Alexander van der Bellen eine Art "Persönliche Erklärung" an, sie sollte ebenfalls um 13 Uhr beginnen. Ich bin zeitlich kein Flexitarier, also beschloss ich, die Planung beizubehalten und bei Fußi vorbeizuschauen, er wollte im APA Pressezentrum am Naschmarkt sein Inneres nach außen kehren.
Als ich dort anlangte, erfuhr ich, dass Fußi seinen Termin auf 14.30 Uhr verschoben hatte, um dem Präsidenten nicht die Show zu stehlen, oder umgekehrt. Mir blieben zehn Minuten, um in die Präsidentschaftskanzlei zu gelangen. Am Fußweg nahm ich ein paar Kurven so halsbrecherisch, dass mein persönlicher Elchtest beinahe zu meinen Ungunsten ausgegangen wäre.
Ich langte im Maria-Theresia-Zimmer ein, als der Bundespräsident gerade seinen letzten Satz sagte, den ich aber nicht mehr verstand. Er lautete "Danke für ihre Zeit und ihre Aufmerksamkeit". Für die Zeit hätte er mir gar nicht danken müssen, aber es war sehr aufmerksam.
Van der Bellen trat einen Schritt zur Seite. Er erfand eine neue Rubrik im Suchspiel nach einer Regierung. Die Spitzen der drei stimmenstärksten Parteien sollen jetzt in persönlichen Gesprächen, die noch keinen Namen tragen, die jeweiligen Schmerzgrenzen austesten. Der Bundespräsident gab ihnen zehn Tage Zeit, um "verlässlich zu klären, ob und welche wechselseitige Zusammenarbeit grundsätzlich vorstellbar ist oder wäre".
Einen Regierungsauftrag für Herbert Kickl gab es nicht, das Gegenteil allerdings auch nicht. Man befinde sich in einer "klassischen Pattsituation". Keiner will mit Kickl, außer Kickl selbst. Mit der FPÖ will nur Nehammer, aber ohne Kickl. Kickl will aber auf Kickl nicht verzichten. Klassisches Patt. Vielleicht schenkt Kickl der ÖVP den Nationalratspräsidenten, Nehammer könnte den Job antreten und der Weg wäre frei. Klingt seltsam, ich weiß, aber es soll ja auch Vegetarier geben, die Fleisch essen.
Zu Fußi schaffte ich es nicht mehr live, da war ich schon auf dem Weg in den ORF. Die Persönliche Erklärung" des PR-Beraters, der in seinem Leben schon allerlei Klienten aus allerlei Bewegungen beraten hatte, geriet lang. "Ich kandidiere nicht gegen jemanden", sagte Fußi, "ich kandidiere für den Vorsitz der SPÖ, um diese von Grund auf zu erneuern!" Ich weiß nicht, ob schon jemand die SPÖ gefragt hat, ob sie überhaupt "erneuert" werden will und wenn ja, ob tatsächlich "von Grund auf".
Fußi muss nun bis Ende Dezember 14.000 SPÖ-Mitglieder von sich und seiner Idee begeistern. Den Zustand der Partei nannte er "erbärmlich", Andreas Babler einen "großen Sozialdemokraten", er habe aber mehr "Cojones" als der gegenwärtige Vorsitzende.
Wenn das reicht, hat die SPÖ im Jänner einen neuen Vorsitzenden, der alte Vorsitzende sitzt da vielleicht schon in der Regierung. Bei anderen Parteien wäre das vielleicht wunderlich, in der SPÖ nicht. Da gibt es unermesslich viele Sessel, an denen gesägt werden kann und unermesslich viele Mitglieder, die Wahlkämpfe starten. Einer jetzt sogar zwei Wochen nach einer Wahl.
Ich wünsche einen sesselkreisfreien Donnerstag. Bis in einer kurzen Weile.
Alle Wahl-Kopfnüsse
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- Folge 4: Zwischen starker Mitte und Impotenz
- Folge 5: So führt uns der Kanzler in Wien aufs Glatteis
- Folge 6: Die Volkspartei und ihr Tom Cruise von Kagran
- Folge 7: Brandherde, Brandreden und eine Brandmauer
- Folge 8: Hurra, Hurra, der Bildungsminister ist da!
- Folge 9: Halleluja, endlich wird der Wahlkampf göttlich
- Folge 10: Fasst Euch doch an die eigene Nase!
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- Folge 22: Es ist alles sooo furchtbar, bitte mehr davon!
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- Folge 24: Auf den letzten Metern wurde der Wahlkampf "Oasch"
- Folge 25: Morgen um diese Zeit ist die heutige Wahl schon von gestern
- Folge 26: Der Tag, an dem die Brandmauer in Flammen aufging