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"Bad Monkey" – warum geschwätzig das neue Cool ist
Die auf den Florida Keys angesiedelte Serie ist das US-Pendant zu deutschen Regionalkrimis: Voller skurriler Typen und mit einer schrägen Story. Allerdings ist sie ungleich cooler. Ab sofort auf Apple TV+.
Am Anfang waren Jules und Vincent. Die beiden Profikiller aus Quentin Tarantinos Überraschungshit "Pulp Fiction" sind sozusagen die Urväter der dauerquatschenden Kinohelden. In dem Film aus dem Jahr 1994 begleitet der Zuseher die beiden, dargestellt von John Travolta und Samuel L. Jackson, bei ihrem todbringenden Handwerk. Und wenn die Killer in ihren schwarzen Anzügen nicht gerade Angst und Schrecken verbreiten, quasseln sie, was das Zeug hält. Miteinander, aber auch mit ihren Opfern, ehe sie diese ins Jenseits befördern.
Die Urväter der Dauerquatscher Regie-Wunderknabe Quentin Tarantino, für den "Pulp Fiction" den Durchbruch bedeutete, setzt seit jeher auf Männer mit Sprechdurchfall. Ob Polizisten oder Gangster, Westernhelden oder Hollywoodschauspieler, Nazi-Offiziere oder Auftragskiller, die wichtigen Rollen bei Tarantino haben immer viel zu sagen. Nach Jahrzehnten voll wortkarger Kinohelden und Schurken hat der 61-jährige Regisseur das Dauergequatsche in Actionfilmen damit nicht nur salonfähig, sondern vor allem cool gemacht.
Wenn Männer viel zu sagen haben Interessanterweise wurde dieser Kniff Tarantinos nur von wenigen Regisseuren kopiert, während sich die meisten anderen handwerklichen Tricks des Regie-Stars mittlerweile tausendfach in anderen Produktionen wiederfinden, von der überstilisierten Gewalt und den oft geradezu grotesken Handlungssträngen bis hin zu seinen unzähligen Anleihen bei Regie-Größen der 60er-Jahre. Doch mit der neuen Serie "Bad Monkey" feiert Tarantinos Quatsch-Konzept nun auch im Streaming fröhliche Urständ.
Florida kann sehr kalt sein Der auf den Florida Keys und den Bahamas spielende Zehnteiler dreht sich um Grundstücksspekulation, den Ausverkauf von Floridas einzigartiger Natur und der ewigen Triebfeder des Krimi-Genres: der Gier nach Geld. In all das wird ein ständig plappernder Provinzpolizist namens Andrew Yancy verwickelt, der eigentlich nur in Ruhe vor seinem kleinen Häuschen auf Key West sitzen und sich mit Blick auf den Golf von Mexiko seine latente Depression schön trinken möchte. Doch dann kommt alles ganz anders.
Darum geht es in Bad Monkey Ein Angler zieht vor den Florida Keys einen männlichen Unterarm aus dem Meer, die örtliche Polizei will davon aber nichts wissen aus Angst, der Fund könnte die Touristen verschrecken. Also wird der eigentlich suspendierte Bulle Yancy (Vince Vaugn) vom Sheriff beauftragt, den amputierten Arm entweder der Polizei in Miami unterzujubeln, oder diesen einfach verschwinden zu lassen. Doch Yancy, ein Spürhund alter Schule, wittert gleich, dass an der Sache etwas gehörig faul ist.
Ein Arm in der Tiefkühltruhe Er behält den Arm daheim in seinem Tiefkühler und tatsächlich taucht schon bald eine sehr blonde Blondine auf, die angibt, der Arm würde von ihrem Mann stammen, der mit einem Boot auf dem Weg auf die Bahamas tödlich verunglückt sei. Yancy übergibt ihr die Gliedmaße und die vermeintliche Witwe lässt diesen feierlich bestatten. Doch Yancy, der mittlerweile vom Sheriff gefeuert worden ist, glaubt nicht an die Boots-Geschichte und ermittelt auf eigene Faust weiter.
Alter Zauber und schnelle Dollars Zeitgleich kämpft auf der zu den Bahamas gehörenden Insel Andros Neville Stafford (Ronald Peet), ein einheimischer Fischer, gegen den Verlust seiner am Strand errichteten Holzhütte, in der er mit einem Kapuzineraffen lebt. Denn das Land wurde verkauft und es soll darauf ein Touristenressort errichtet werden. Daher geht Neville zu Gracie (Jodie Turner-Smith), einer Zaubererin, die als "Drachenkönigin" Obeah praktiziert, eine Form der Zauberei, bei der Personen mit einem Fluch belegt werden.
Zahlreiche Nebenhandungen Diese beiden Handlungsstränge, die selbstverständlich zu ein und derselben größeren Geschichte gehören, werden umrahmt von mehreren kleinen Nebenhandlungen. Etwa Yancys Liebschaft mit der reichen Bonnie (Michelle Monaghan), die von ihrem viel älteren Mann geschlagen wird. Oder seinem Flirt mit der Pathologin der Polizei in Miami. Oder seinem Kleinkrieg gegen seinen großkotzigen neuen Nachbarn, der ein wahres Monster von Villa neben Yancys smarten Bungalow gesetzt hat.
Ein Panoptikum bunter Figuren Getragen wird "Bad Monkey" von einem ebenso bunten wie spielfreudigen Ensemble, angeführt von Vince Vaughn, der hier einmal nicht den witzigen Sidekick von Owen Wilson gibt, sondern ganz alleine die Handlung trägt. Dass er dabei permanent den Mund offen hat, nervt zwar anfangs ein wenig, wird aber schon bald als spezielle Strategie erkennbar. Yancys Plappern soll einerseits die Bösen über seine Schläue hinwegtäuschen und andererseits verhindern, dass ihm jemand emotional zu nahe kommt.
Auf Basis eines Bestsellers Erdacht hat diesen überaus schrägen Ermittler der aus Florida stammende Autor und Journalist Carl Hiaasen. Der 71-Jährige hat mittlerweile 18 satirische Krimis verfasst, Band 19 wird 2025 erscheinen. Außerdem schreibt Hiaasen auch Jugend- sowie Sachbücher. Seine Themen sind dabei immer die gleichen: Floridas einzigartige Naturschönheit, seine Fauna und Flora – und wie diese von skrupellosen Spekulanten und Geschäftemachern bedroht und zerstört werden.
Eigentümliche Helden Diesen Schurken stellt Autor Hiaasen gerne recht seltsam anmutende "Helden" entgehen – Andrew Yancy ist dafür nur ein Beispiel von vielen. Seine "Guten" sind meist schräge Vögel, die oft ihr eigenes Päckchen mit sich herum tragen, aber doch das Herz auf dem rechten Fleck haben. Der Autor, dessen Vorfahren aus Skandinavien stammten, hat dabei möglicherweise die eigentümlichen "Helden" aus der Feder von Elmore Leonard vor Augen, dem großen alten Mann der etwas anderen Krimi-Literatur.
Vom Produzenten von "Scrubs" und "Ted Lasso" Dass "Bad Monkey" – der Streaming-Anbieter Apple TV+ vermarktet die Serie übrigens als "Carl Hiaasen's Bad Monkey" – überhaupt zur Serie wurde, ist dem Produzenten und Showrunner Bill Lawrence zu verdanken. Lawrence, der Highlights wie "Scrubs", "Ted Lasso" oder "Shrinking" geschaffen hat, wagt sich mit "Bad Monkey" erstmals aus dem Comedy-Fach und produziert die Florida-Version eines deutschen Regionalkrimis – voller skurriler Typen und Vorkommnisse.
Fazit Dass das Ganze sehenswert ausgefallen ist, ist vor allem dem Feingefühl von Lawrence und dem Buch von Hiaasen zu verdanken. Dem man nur recht geben kann, wenn er sagt, es sei "sehr cool", dass sein Freund Bill Lawrence verrückt genug war, aus "Bad Monkey" eine Serie zu machen, und Apple TV+ "tapfer genug" ist, diese zu zeigen. Die Streaming-Welt bräuchte mehr solcher Verrücktheiten.
"Carl Hiaasen's Bad Monkey", USA 2024, 10 Episoden à ca. 60 Minuten, auf Apple TV abrufbar