2. Teil des Tests

Die Bildungs-Pläne von Schwarz bis Rot: Schwamm drüber!

Experte Niki Glattauer checkt die Wahl-Programme der Parteien. Was sind die Ideen für die Schulen? In Teil 1 wurden NEOS und FPÖ benotet. Schaffen die Noch-Regierungsparteien und die SPÖ ein besseres Zeugnis? Schau mer mal!

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Die NEOS brachten jüngst den Vorschlag, die Volksschule auf sechs Jahre auszudehnen. Aber ganz einig sind sie sich selbst darüber nicht. Dafür enthält das FPÖ-Programm eine Passage, die ähnlich wie eine NEOS-Idee klingt. Im ersten Teil habe ich mich mit den Bildungsprogrammen von Blau und Pink auseinandergesetzt. Nun folgen die drei restlichen Parlaments-Parteien. Hier mein Befund:

Die Grünen

Deren Bildungssprecherin ist / war Sibylle Hamann, eine hoch geschätzte Journalistin und Kommentatorin, die nach fünf Jahren Politik dieser heuer wieder den Rücken kehrt – vielleicht sogar, "um selber Lehrerin zu werden", wie Sie im August dem "Falter" verriet. Na bumm, ringt dir das reflexartig Hochachtung ab, gleichzeitig denkst du dir als Kenner der schulischen Um- bzw. Zustände: Die wird noch schön schauen!

Die Top 3 der Grünen
1. Massiver und österreichweiter Ausbau der Ganztagsschulen
2. Einführung eines Chancenindex "nach dem Vorbild der 'London-Challenge', und diesem so viel Ressourcen, Freiheit und Expertise geben, dass diese sich zu Leuchttürmen entwickeln können". Ganz ehrlich: Das Wort Leuchtturm können die Kolleginnen landauf landab schon nicht mehr hören, zumal nicht in einem Land, das auf Grund seiner Geographie mit Leuchttürmen so viel zu tun hat wie unsere Schule mit Bildungsgerechtigkeit.
3. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr bei gleichzeitigem Ausbau der elementarpädagogischen Infrastruktur, sprich: flächendeckend ganztägig geöffnete Kindergärten, in denen mehr gut ausgebildetes Personal für kleinere Gruppen zuständig ist.

20240216 / kolumnist nikolaus glattauer schulexperte bildungsexperte schule / foto: sabine hertel / tageszeitung heute
20240216 / kolumnist nikolaus glattauer schulexperte bildungsexperte schule / foto: sabine hertel / tageszeitung heute
Sabine Hertel

Grüne Ganztagsschulen Punkto Ganztagsschulen wird Sibylle Hamann konkreter als ihre Kolleginnen der anderen Fraktionen: Sie wolle keineswegs mehr vom selben, also den klassischen Schulvormittag ausgedehnt auf eight to five "mit ein bisschen Aufsicht", sondern "für die Pflichtschule bundesweit einheitlich" einen neuen Schulalltag mit kostenloser Nachmittagsbetreuung und gratis Mittagessen. Derzeit kostet beides nur in bestimmten Schulen Wiens keinen Groschen.

Die Frage ist, wer zahlt's In den grünen Ganztagsschulen würden Kinder mit Hilfe von "Pädagogen, Freizeitpädagogen, psychosozialem und administrativem Personal, "die alle im öffentlichen Dienst stehen müssten", üben, individuell gefördert und auf das Berufsleben vorbereitet werden können – selbstverständlich mit der Möglichkeit, für externe Angebote freigespielt zu werden, sei es für Sport, Kultur oder andere kreative Tätigkeiten.

Die große Schultasche bräuchte es nicht mehr, denn Aufgaben würden in der Schule erledigt werden. Eine solche Nachmittagsschule kostet freilich eine Lawine – und zwar bei aktueller Gesetzeslage rund 2.100 Gemeinden, darunter 15 Städte, und neun Bundesländer, da sich der Bund finanziell nur für die Halbtagsschule zuständig fühlt. Aber gut, vielleicht stellen die Grünen in der nächsten Regierung ja auch Kanzler und Finanzminister😉.

Die grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann überlegt jetzt, selbst Lehrerin zu werden
Die grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann überlegt jetzt, selbst Lehrerin zu werden
Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com

Grüne Gesamtschulen Fast hätt' ich's vergessen: Die Grünen sind neben den Roten als einzige große Partei für die gemeinsame Schule. Oder richtiger vielleicht: die aufrechte Sibylle Hamann ist es. "In Österreich wird Bildung so stark vererbt wie in kaum einem anderen Land in Europa. Kindergärten und Schulen müssen sozial durchmischt werden, damit Kinder und Jugendliche voneinander lernen können und keine Parallelgesellschaften entstehen." Dass solches nur bei Individualisierung und innerer Differenzierung wie etwa Begabtenförderung funktioniere, verstehe sich von selbst.

Blieben Rot und Schwarz Eigentlich wollte ich über die Bildungsprogramme von ÖVP und SPÖ diesmal kein Wort verlieren. Warum? Weil sie das Unterrichts-, Bildungs- oder wie auch immer dieses Amt künftig heißen mag -Ministerium (wetten, es wird einen neuen Namen geben?) seit gefühlt 100 Jahren allein besetzen – mit dem Ergebnis, das wir alle kennen. Und meine Lust, aus Programmen zu zitieren, die deren Vertreter nachweislich nicht durchzusetzen imstande sind, ist enden wollend. Ich tu es zähneknirschend dennoch, sagen wir im Sinne ausgleichender Ungerechtigkeit.

Die ÖVP

Dass eine Partei, die den Bildungsminister stellt, einen zusätzlichen Bildungssprecher braucht, sagt ja eigentlich eh schon alles (siehe auch meine Eingangsworte zu dieser Analyse in Teil 1). Also gibt es ihn, und zwar in Person des honorigen Mathematikers und erfolgreichen Buchautors Rudolf Taschner, der im März stolze 71 Jahre alt wurde. Der Asteroid 130078 im Planetoidengürtel ist nach ihm benannt (Taschner), Schule bisher keine.

Mathematiker, Buchautor, Abgeordneter zum Nationalrat, Bilungssprecher der ÖVP: Rudolf Taschner, 71. Nach ihm wurde ein Asteroid benannt
Mathematiker, Buchautor, Abgeordneter zum Nationalrat, Bilungssprecher der ÖVP: Rudolf Taschner, 71. Nach ihm wurde ein Asteroid benannt
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Handy-Verbot, Time-Out-Klassen In seinem Bildungsprogramm setzt Taschner auf "Stärkung der Autonomie an den Schulen zusammen mit der Rücknahme bürokratischen Aufwands"; er will ein Handy-Verbot, "Time-Out"-Klassen für schwierige bzw. gewaltbereite Schüler und Strafen für beratungsresistente Eltern "bis hin zu Abzügen von Sozialleistungen bei schweren Verstößen". "Bei besonders schweren Übertretungen der Schülerinnen und Schüler sollten Sozialarbeiterinnen hinzugezogen werden und, falls nötig, die Polizei", sagte er im "Standard".

Zu trennen ist sinnvoll Von der gemeinsamen Schule hält er wenig. So sei "die Trennung nach der Volksschule etwa deshalb sinnvoll, weil auf diese Weise "Vielfalt ermöglicht wird und damit besser die Umstellung vom Klassen- auf das Fachlehrerprinzip mit spezifischerer Ausbildung gelingt". Was auch immer er damit meint. Klarer ist eine andere Forderung der ÖVP: In den Mittelschulen brauche es wieder Leistungsgruppen.

Rebirth des Pröll-Faymann-Plans Gern umgesetzt sähe Rudolf Taschner den alten Pröll-Faymann-Plan, der den Schulföderalismus hochleben ließe, indem der Bund nur Bildungsziele vorgebe, die Länder aber für Umsetzung, Schulen und Verwaltung allein zuständig wären, also auch für die Bezahlung der Lehrerinnen.

Ein "Eltern-Kind-Pass" für Schüler sowie eine Ausweitung des Schul-Föderalismus stehen auf der BIldungs-Agenda der ÖVP
Ein "Eltern-Kind-Pass" für Schüler sowie eine Ausweitung des Schul-Föderalismus stehen auf der BIldungs-Agenda der ÖVP
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Der Eltern-Kind-Pass soll's richten Auch Taschner spricht von einem Pass, und zwar vom guten alten "Eltern-Kind-Pass". Den halte er für ein geeignetes Instrument zur Steuerung der Integration. Taschner erklärt: Bevor ein Kind die Volksschule beginnen dürfe, müsse es kognitiv volksschulreif und sozial eingebürgert sein sowie altersgemäße Deutschkenntnisse haben. Dafür müssten "Vorschulen" sorgen, denn: "Lehrer sind nicht ausgebildet, Kinder schulreif zu machen." Eine entscheidende Rolle könnte hier der Eltern-Kind-Pass spielen: "Wenn keine Vorschulen oder Deutschförderungen besucht werden, könnte man das vermerken, dann solle es weniger Geld geben."

Die SPÖ

Doch, doch, die SPÖ hat auch eine Bildungssprecherin. Es handelt sich um Petra Tanzler, die bis vor vier Jahren als Petra Vorderwinkler Direktorin der Volksschule Fischamend war und dann Ex-Ministerin Sonja Hammerschmid nachgefolgt ist. Anders als die Wiener SPÖ, die sich in Sachen Bildung weit hinauszulehnen pflegt und dann frech die Abschaffung der Matura oder der Noten fordert, ist Petra Tanzlers Programm, nennen wir es: nicht gerade kantig. Es steht auch nichts drin, was in einem der anderen Programme nicht genauso oder so ähnlich zu finden wäre, dies dafür aber stets mit einem zusätzlichen Touch Herz zum Hirn.

Petra Tanzler war Volksschuldirektorin in Fischamend, NÖ, und spricht jetzt in Sachen Bildung für die SPÖ
Petra Tanzler war Volksschuldirektorin in Fischamend, NÖ, und spricht jetzt in Sachen Bildung für die SPÖ
Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com

Schule mit Hirn und viel Herz Die SPÖ sei für "Zuversicht und Lernfreude statt Druck". Alle Kinder müssten die gleichen Chancen haben. Die SPÖ wolle daher "ein Recht jedes Kindes auf einen guten Kindergartenplatz", dies ab dem 1. Lebensjahr, ganztägig, ganzjährig und kostenlos. Man wolle "den österreichweiten Ausbau der kostenlosen, ganztägigen Schule vorantreiben", denn nur die sei in der Lage, die "Chancengerechtigkeit im Bildungssystem nachhaltig zu verbessern". Und noch einiges mehr in dieser Tonart.

Deutsch lernen ohne Zeit zu verlieren Auch den Problemen beim Deutsch-Spracherwerb wird Raum gegeben. Jedes Kind solle "Deutsch lernen, ohne Zeit zu verlieren, und zwar mit dem SPÖ-Sprachbildungskonzept", das "aufbauend auf dem AK-Sprachschlüssel durch Integration in die Schulklassen und gemeinsame Förderung den Spracherwerb unterstützt". Und dann doch etwas gewagt: "Wir garantieren: Jedes Kind lernt Deutsch in der Schule, ohne Zeit zu verlieren." Da hätte ich gern für jedes Kind, das garantiert nicht Deutsch lernt, ohne Zeit zu verlieren, gern einen Euro …

Alleinstellungsmerkmal: Die meisten Bildungs-Anliegen der SPÖ finden sich auch in den Programmen der anderen Parteien. Der Wunsch nach eigenen Logopäden für die Schule ist hingegen singulär
Alleinstellungsmerkmal: Die meisten Bildungs-Anliegen der SPÖ finden sich auch in den Programmen der anderen Parteien. Der Wunsch nach eigenen Logopäden für die Schule ist hingegen singulär
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Gemeinsam von 4 bis 15 Ohne wirklichen Zug zum Tor mehr, spricht sich die SPÖ immer noch für die gemeinsame Schule aus. Zumindest auf dem Papier: "Die frühzeitige Aufteilung, bei der Kinder bereits mit neun oder zehn Jahren eine Entscheidung über ihren weiteren Bildungsweg treffen müssten, widerspricht der Chancengerechtigkeit fundamental." Daher trete man für ein "gemeinsames Denken der Bildung von Vier- bis Fünfzehnjährigen" ein. "Gemeinsames Denken der Bildung" statt "gemeinsame Schule". Dafür von 4 bis 15, nicht nur von 6 bis 14, wie bei den Grünen. So kann man einen Salto rückwärts auch als Rolle vorwärts verkaufen.

Logopäden nicht zu vergessen Und weil ich oben gemeint habe, nichts in diesem Programm sei nicht auch anderswo zu lesen – falsch! Zwar fordert die SPÖ, nicht anders als die anderen, schulisches Unterstützungspersonal in Form "multiprofessioneller Teams, die schnell bei Problemen an Schulen eingreifen können", aber konkret "mit Sozialarbeitern und Schulpsychologen, Administrationskräften und Logopäden". Da wäre es, das Alleinstellungsmerkmal. Die Logopäden stehen tatsächlich in keinem anderen Bildungsprogramm …

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