"The Old Man"
Der Dude macht auch als alternder CIA-Killer tolle Figur
Die erste Staffel der Agentenserie "The Old Man" mit Jeff Bridges und Jonathan Lithgow war 2022 ein Überraschungserfolg. Nun kommt Staffel 2 auf die Streaming-Bildschirme und macht dort weiter, wo Staffel 1 aufgehört hat.
Jeff Bridges zählt seit Jahrzehnten zu den wandlungsfähigsten Schauspielern Hollywoods. Der inzwischen grau gewordene Hüne – Bridges misst 1,85 Meter und hat auch kurz vor seinem 75. Geburtstag am 4. Dezember die athletische Figur eines Zehnkämpfers – hat im Laufe seiner Karriere so gut wie alles gespielt, was ihn interessiert hat.
Hollywoods Mann für alles Bridges spielte Bösewichte (z. B. in "Das Messer" von 1985), romantische Liebhaber ("Liebe hat zwei Gesichter" von 1996), Actionhelden ("Blown Away", 1994) oder psychisch Derangierte ("König der Fischer", 1991). Aber letztlich wird er immer Jeff Lebowski sein, der Dude, in der genial-schrägen Krimi-Farce "The Big Lebowski" der Coen-Brüder aus dem Jahr 1998.
Der ewige Dude Die Neo-Noir-Veräppelung klassischer Hardboiled-Krimis gehört zu jener raren Spezies Film, bei denen die Handlung irgendwann vollkommen in den Hintergrund tritt und nur mehr das Feeling zählt, das beim Zuseher ankommt. Bridges ist darin der arbeitslose gestrauchelte Alt-Revoluzzer und Bowling-Fetischist Jeffrey Lebowski, genannt der Dude, der auf einer Wolke aus Joints und "White Russian"-Cocktails durch den Tag surft und dessen Leben durch eine Namensverwechslung aus den Fugen gerät.
Film und Darsteller sind gleichermaßen Kult "The Big Lebowski" hat sich bereits kurz nach seinem Erscheinen eine weltweite Fan-Base geschaffen und steht heute in einer Reihe mit Filmen wie "The Blues Brothers" oder "The Rocky Horror Picture Show". Und eigentlich hätte Jeff Bridges nie wieder etwas anderes spielen müssen als Typen wie den Dude – und alle hätten ihn geliebt.
Ein Mann sucht die Herausforderung Doch das ist nicht der Stil von Jeff Bridges. Denn der wollte es danach erst so wirklich wissen. Also folgte die Politsatire "Rufmord - Jenseits der Moral" (2001, Oscar-Nominierung), die Sänger-Bio "Crazy Heart" (2009, Oscar), das John-Wayne-Remake "True Grit" (2010, Oscar-Nominierung) oder der Neo-Western "Hell or High Water" (2016, Oscar-Nominierung).
Wandlungsfähig wie kaum ein anderer Dazu noch gut zwei Dutzend weitere Filme, von der Mainstream-Konfektionsware ("Iron Man", "R.I.P.D.") bis hin zu Außergewöhnlichem wie der John-Irving-Verfilmung "The Door In The Floor" (2004) oder der schrägen Militär-Komödie "Männer, die auf Ziegen starren" (2009). Doch eins hatte Jeff Bridges bis dahin noch nie gedreht: eine Fernsehserie.
Erstmals im TV Das kam erst 2022. "The Old Man" lautete der Titel, und Bridges ist darin ein verdeckter CIA-Agent im Ruhestand, der eigentlich nur seine letzten Jahre genießen will und dafür unter dem Radar der Behörden lebt. Aber schon bald wird er von den Umständen zurück auf jenes Spielfeld gezerrt wird, das er vor Jahrzehnten verlassen hatte.
Unter dem Radar Die Serie, die in den USA beim Streaming-Anbieter FX läuft und in Europa von Disney+ ausgestrahlt wird, startete im Herbst 2022 zunächst ebenso unter dem Radar, wie sich ihr Protagonist darin arrangiert hatte. Doch schon bald wurde klar, dass Jeff Bridges hier einen weiteren Meilenstein seines Könnens abgeliefert hat und die Serie bekam jenen Zuspruch von Publikum und Presse, den sie verdient. Nun startet die 2. Staffel der Agentenserie – und die Erwartungshaltung ist riesig.
Worum geht es in "The Old Man"? Dan Chase (Jeff Bridges) lebt ein zurückgezogenes Leben mit zwei Rottweilern irgendwo in der US-Provinz. Der alte Mann wirkt etwas zauselig und ist niemandem einen zweiten Blick wert – und genau so möchte er es auch. Denn Chase hat mehr als nur ein Geheimnis zu verbergen.
Ex-CIA-Agent im Ruhestand In einem früheren Leben, den 1980er-Jahren, stand er in den Diensten der CIA – und organisierte für den Geheimdienst den Widerstand der afghanischen Warlords gegen die sowjetischen Besatzer. Dabei war er sich auch selbst nicht zu schade wenn es darum ging, einen russischen Soldaten umzubringen. So weit so blutrünstig.
Der Geister der Vergangenheit Doch Chase wird unsanft aus seinem Altmänner-Dasein gerissen. Ein Killer taucht bei ihm auf und der Agenten-Pensionist überlebt nur mit Müh und Not. Aber seine Tarnung ist dahin und Chase lebt fortan nach jener Prämisse, die für alle Agenten auf der Flucht gilt: Immer in Bewegung bleiben. Er schlüpft kurzfristig bei der alleinerziehenden Mutter Zoe (Amy Brenneman) unter, doch die Killer, spüren ihn auch da auf. Also flieht Chase abermals, nun mit Zoe als Begleitung.
Alte Rechnungen Telefonisch hält er dabei Kontakt mit seiner Tochter Angela Adams (Alia Shawkat), von der er sich offensichtlich entfremdet hat. Sie arbeitet beim FBI – und dessen stellvertretender Direktor Harold Harper (John Lithgow) wird beauftragt, sich auf die Fersen von Chase zu heften, den er noch aus gemeinsamen Tagen bei der CIA kennt. So weit so verwirrend.
Vier alte Männer Um die Verwirrung komplett zu machen, tauchen auch Faraz Hamsad, einer der afghanischen Warlords aus den 1980ern (Navid Negahban) sowie der geheimnisvolle Strippenzieher Morgan Bote (Joel Grey, der den Conferencier in der Musical-Verfilmung "Cabaret" aus 1972 spielte) auf, die beide mit Chase und Harper eine gemeinsame Vergangenheit haben. Und so sind es am Ende gleich vier alte Männer, die sich hier gegenseitig belauern.
Drei Väter, eine Tochter Und drei dieser vier haben ein gesteigertes Interesse an FBI-Agentin Angela Adams. Denn sie alle sehen sie als ihre Tochter an – mit allen emotionalen Verstrickungen, die sich aus solch einer Konstellation ergeben können.
Cliffhanger Am Ende von Staffel 1 wird Angela in Nordafrika entführt und nach Afghanistan gebracht, während Chase und Harper auf der Suche nach ihr beinahe ums Leben kommen und schließlich einen Jet besteigen, der auch sie in den Hindukusch bringen soll.
Bestseller-Verfilmung "The Old Man" basiert auf dem gleichnamigen, 2017 erschienenen Buch des US-Autors Thomas Perry, der trotz seiner 77 Jahre seit Jahrzehnten zu den fleißigsten Autoren des Krimi- und Thriller-Genres zählt. Es erzählt die Geschichte einer atemlosen Jagd durch Länder und Kontinente, noch mehr aber das Drama eines Mannes, der trotz aller Anstrengungen seine Familie nicht vor den Gefahren der Welt beschützen kann.
So geht es weiter Staffel 2 macht da weiter, wo Staffel 1 zu Ende ging. Angela wird von ihren Entführern nach Afghanistan gebracht und wird hier das erste Mal im Leben mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Familiengeschichte offenbar gänzlich anders ist, als es ihr ihre (Zieh-) Eltern in den USA weismachen wollten.
Gleichzeitig wagen sich Chase und Harper in die Höhle des Löwen, um Angela zu befreien, während ihnen weiterhin Killer auf den Fersen sind. Und in Washington sitzen Männer, die bei all dem die Fäden in der Hand halten.
Drama, Baby! Wie bereits in Staffel 1, sind die Serienschöpfer auch in Staffel 2 darum bemüht, dass sich die Elemente eines Agententhrillers auf der einen Seite und jene eines Dramas die Waage halten. Dabei setzen sie noch mehr auf vordergründige Action und atemlose Hetzjagden als in Staffel 1, während die wahre Power der Serie sich vor allem aus der komplizierten psychologischen Gemengelage der Haupt-Protagonisten untereinander entwickelt.
Psycho-Thriller "The Old Man" ist nach wie vor schönstes, klassisches Thriller-Serienmaterial mit einer ebenso spannenden wie diffizilen Psycho-Komponente, die der Serie erst ihren besonderen Sound verleiht. Und sie wird getragen von einer ganzen Riege herausragender Darsteller, allen voran der großartige Jeff Bridges als alter Ex-Agent, der sein letztes großes Gefecht bestreitet, sowie seine Tochter, dargestellt von Alia Shawkat, die erst in ihren Dreißigern erkennt, wie es um ihre Familiengeschichte bestellt ist.
Fazit Waren die Kritiken für "The Old Man" nach Staffel 1 noch einhellig begeistert, so fällt das Urteil der professionellen Kritiker ebenso wie jenes der Zuseher für Staffel 2 deutlich ambivalenter aus. Dennoch erhebt sich "The Old Man" ganz klar über den üblichen Serien-Horizont, bietet eine spannende, abwechslungsreiche Geschichte, großartige Schauspieler und die Aussicht auf kurzweilige Unterhaltung. Es sollte eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis Staffel 3 in Auftrag gegeben wird.
"The Old Man", Staffel 2, USA 2024, 8 Episoden à ca. 50 Minuten, ab 6. November auf Disney+