Kopfnüsse

Warum mich Kickls falscher Opa 960 Euro kosten könnte

Ein Verlag glaubt, dass auf Newsflix zu viel Kickl war. Auch die ÖVP findet, dass weniger Kickl besser wäre. Die SPÖ will gar keinen Kickl. Und der Bundespräsident entscheidet nächste Woche, wie viel Kickl Österreich zumutbar ist. Eine Bestandsaufnahme.

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat Karl Nehammer aufgegeben, jetzt richtet er einen Appel an die "vernünftigen Kräfte in der ÖVP"
FPÖ-Chef Herbert Kickl hat Karl Nehammer aufgegeben, jetzt richtet er einen Appel an die "vernünftigen Kräfte in der ÖVP"
Helmut Graf
Newsflix Kopfnüsse
Akt. Uhr
Teilen

Die ersten hauen schon ab. Okay, hört das Gemecker endlich auf.

Natürlich ist nicht spaßig, was da im Tiroler Sellraintal vor sich ging. Eine komplette Ziegenherde ist verschwunden, las ich dieser Tage mit Erstaunen. 17 Tiere, einfach weg, wie vom Erdboden verschluckt und das schon seit zwei Monaten. Ingrid Schlögl, die Ziegenbäuerin mit nunmehr fast ohne Ziegen, wird schon recht haben, wenn sie sagt: "Ich vermute, dass da etwas passiert ist."

Mit KI-Stimme: Warum mich Kickls falscher Opa 960 Euro kosten könnte

Was da passiert ist, nannte Moderator Stefan Gehrer in den ORF-Nachrichten ein "tierisches Aktenzeichen XY". Vielleicht wird das in der TV-Sendung sogar einmal zu einem Filmfall. Menschen – natürlich aber auch Ziegen –, die Wahrnehmung zu dem mysteriösen Vorfall haben, können anrufen. Ein Finderlohn würde die Bereitschaft dafür erhöhen, ich denke da an einen Geschenkkorb.

Sind Ziegen auf Instagram? Einige vielleicht sogar Ziegfluencer? Ich weiß es nicht, aber ein Aufruf in den sozialen Medien, ob jemandem 17 Ziegen untergekommen sind, blieb reaktionslos. Es ist nicht so, dass nach den Abgängigen nicht gesucht wurde, mitnichten. Ein Jäger schickte eine Wärmebilddrohne los, es gab eine Suchaktion und einen Appell im Radio und eben auf Social Media. Aber nichts!

So also schaut eine Ziege aus (der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass es sich um ein Symbolbild handelt)
So also schaut eine Ziege aus (der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass es sich um ein Symbolbild handelt)
iStock

Im August war die Herde aus Pfauenziegen und Braun-Schwarzen Ziegen untergetaucht. Nur ein Tier sei zurückgekehrt und das "ist total verstört gewesen", erinnert sich Ingrid Schlögl. Man muss dazusagen: Das war sogar noch vor den Nationalratswahlen.

Jetzt wird die Zeit langsam knapp. Es kommt bald der Schnee und die Ziegen haben keine Skipässe. Das kann heuer teuer werden, wie wir wissen. Unter 70 Euro für die Karte kommt man kaum weg, bei 17 Ziegen läppert sich das. Ein Familienrabatt lässt sich natürlich ausverhandeln, aber wie willst du beweisen, dass du miteinander verwandt bist? Da nutzt der Hinweis nicht viel, dass "Aktenzeichen XY" mit dir Größeres plant.

Es gibt viele wilde Vermutungen, was mit den Pfauenziegen und Braun-Schwarzen Ziegen passiert sein könnte. An einen Zugriff von Wölfen glaube ich nicht. Was sollen die mit 17 Ziegen anfangen, auch wenn ihr Fleisch gut für den Cholesterinspiegel sein soll?

Vielleicht löst sich aber alles in Wohlgefallen auf und es stellt sich heraus, dass sich nur die Festspiele Erl die Tiere ausgeborgt haben. Demnächst gelangt "Der Wolf und die sieben Geißlein" zur Aufführung, es gibt viel Applaus, die Ziegen verbeugen sich artig und alles ist wieder gut.

Der verhinderte Steigbügelhalter nach seinem Pressekonferenz-Ausritt gegen Kickl
Der verhinderte Steigbügelhalter nach seinem Pressekonferenz-Ausritt gegen Kickl
Sabine Hertel

Auch Karl Nehammer ist derzeit in Sorge, dass ihm Wackersteine im Magen zu liegen kommen könnten. Der Kanzler und ÖVP-Chef machte am Dienstag dieser Woche deutlich, dass er nicht mit dem Wolf tanzen will, eine Regierung mit Herbert Kickl also für ihn nicht in Frage kommt. Das hatte Nehammer zwar auch schon im Wahlkampf gesagt, aber in Österreich ist man immer am meisten überrascht, wenn das Angekündigte tatsächlich eintritt. Derartige Frechheiten lassen wir uns ungern bieten.

Der ÖVP-Kanzler und der FPÖ-Vorsitzende unterhielten sich 60 Minuten lang, der Unterhaltungswert der Unterhaltung blieb dem Vernehmen nach bescheiden. Kickl rückte mit einer Mappe, einer Punktation des künftigen Regierungsprogrammes und einem Stundenplan für Sondierungen im November an, Nehammer brachte nur eine grundsätzliche Abneigung mit. Gegen die Person Kickl, nicht gegen das Programm. Es schaut seinem sowieso ähnlich wie eine Ziege der anderen.

Er werde nicht der Steigbügelhalter für Kickl sein, sagte Nehammer nach der Unterhaltung ohne Unterhaltungswert. Der ehemalige Innenminister hatte den ehemaligen Innenminister diesmal ausgetrickst und war bereits eine Stunde nach Ende der Unterhaltung ohne Unterhaltungswert vor die Presse getreten.

"That's one small step for a man - one giant leap for mankind."
"That's one small step for a man - one giant leap for mankind."
Helmut Graf

Kickl folgte erst am Tag danach und kritisierte den Schnellschuss säuerlich. Er hatte strebsam eine Mappe für die Unterhaltung ohne Unterhaltungswert vorbereitet, aber es kam anders als er vermutlich gedacht hatte: Die Mappe konnte er verteilen, aber das Heft hat er diese Woche aus der Hand gegeben. Das Blatt hat sich gewendet.

Es wurde viel geredet in den letzten Tagen, im Auftrag des Bundespräsidenten und nebenher. Das waren keine leeren Kilometer. Also es waren natürlich schon leere Kilometer, inhaltsleere Kilometer, aber es wurde keine Zeit vergeudet, ich bin da anderer Meinung als viele.

Natürlich sind alle gamsig auf eine neue Regierung und die Probleme des Landes sind nicht so gelagert, dass Aufschub die meiste Schubkraft verspricht. Aber das halböffentliche Schaulaufen hat deutlich herausgearbeitet, wer wo steht. Wer mit wem kann, vor allem nicht kann. Wo ein schmaler Grat zu einer Regierung führen könnte und wo eine Sackgasse droht.

Kulturminister und Brillenträger Werner Kogler vertrieb sich diese Woche die Zeit mit der Eröffnung der Viennale und mit Gesprächen mit Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger
Kulturminister und Brillenträger Werner Kogler vertrieb sich diese Woche die Zeit mit der Eröffnung der Viennale und mit Gesprächen mit Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger
Picturedesk

Nun lädt Alexander van der Bellen zum Speed Dating. Am Montag hat er Herbert Kickl für 13.30 Uhr zu sich geladen, um 15 Uhr folgt Karl Nehammer, um 16.30 Uhr Andreas Babler. Zwischen den Terminen wird es wohl eine Pause geben, damit der eine Parteichef abziehen und der andere anrücken kann. Nicht dass die beiden am Weg von oder zum Maria-Theresien-Zimmer mit den Hörnern zusammenkrachen wie die Ziegenböcke.

Der Bundespräsident wird am Montag nach dem Speed Dating kein Statement abgeben, es ist also kein Auftrag zur Regierungsbildung zu erwarten. Erst frühestens Dienstag könnte es soweit sein. Meine Prognose bleibt aufrecht: Karl Nehammer wird sich als Erster versuchen dürfen.

Ob er eine Dreierkoalition mit der SPÖ und den NEOS zustande bringt? Möglich! Ob der Kraut-und-Rüben-Koalition der große Wurf gelingen wird? Zweifelhaft! Die inhaltlichen Schnittmengen sind überschaubar, wenn überhaupt vorhanden. Vielleicht besteht das Regierungsprogramm nur aus einem einzigen Satz: "Österreich ist ein schönes Land, der Rest wird sich finden".

Nehammer wollte nicht der Steigbügelhalter für Kickl sein, sondern lieber der Steigbügelhalter für sich selbst. Es kann sein, dass er am Ende fest im Sattel sitzt, aber ein totes Pferd reitet.

Vielsagend: Andreas Babler und Herbert Kickl (hier auf einem foto vom Wahlabend) hatten sich am Freitag wenig zu sagen
Vielsagend: Andreas Babler und Herbert Kickl (hier auf einem foto vom Wahlabend) hatten sich am Freitag wenig zu sagen
Picturedesk

Österreich ist ja oft zum Wiechern, trotzdem muss ich mit meiner Eulenspiegelei in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Sie hat nämlich einen Pferdefuß: Sie wird von der Realität gern eingeholt.

Vor einer Woche hatte ich mich in einer Kopfnuss über den Nationalrat lustig gemacht. Am 24. Oktober ist konstituierende Sitzung, die Plätze werden bezogen, aber wie eigentlich? Das fragte ich kokett. Werden da Sitze mit Handtüchern reserviert oder rennen alle los, sobald die Türen aufgesperrt werden? Nun stelle ich erstaunt fest: Das ist vielleicht wirklich so. Galoppierende Ziegenherden gibt es eventuell nicht nur im Tiroler Sellraintal.

Am Donnerstag fand die Präsidialkonferenz statt. Die drei Nationalratspräsidenten und die Klubobleute der fünf Parlamentsparteien trafen sich, um den Tag der Eröffnung zu planen. Das gelang einigermaßen, bis es darum ging, wer ab jetzt wo sitzen soll. Bisher war es so, dass die SPÖ ihre Plätze ganz links außen hatte und die ÖVP ganz rechts außen. Daneben saß die FPÖ, dann folgten NEOS und GRÜNE. Es gab 17 Plätze in der ersten Reihe, die sind sehr begehrt. Sieben fielen bisher der ÖVP zu, vier der SPÖ, drei der FPÖ, zwei den GRÜNEN, einen hatten die NEOS.

So schaut die Sitzverteilung im Nationalrat in der aktuellen Version aus
So schaut die Sitzverteilung im Nationalrat in der aktuellen Version aus
Parlament

Das ändert sich jetzt, die Wahl am 29. September hat einiges verschoben. Die Freiheitlichen brauchen nun mehr Platz, die Volkspartei weniger Sessel, also sollten die beiden Parteien die Sektoren tauschen. So weit der Plan. Die FPÖ-Mandatare sollten nach ganz rechts außen rutschen, oder ganz links außen, das hängt ja von der Perspektive ab, also von welcher Seite man draufschaut.

Nun ist die Erstellung von Sitzplänen schon in der Schule keine triviale Angelegenheit und das wird im Alter nicht besser. Vier Parteien fanden den Vorschlag okay. Aber die FPÖ will nicht dort sitzen, wo sie ab Donnerstag sitzen soll, sondern sie will dort sitzen, wo sie jetzt schon sitzt. In der "Präsidiale" konnte keine Einigung erzielt werden und weil keine Einigung über die Sitzordnung herstellbar war, gab es auch keine Einigung über die Sitzordnung in den Ausschüssen. "Ein Patt", würde der Bundespräsident grummeln.

Am Freitag wurden die Klubdirektoren damit beauftragt, eine Lösung für das Dilemma zu finden, aber das wird keine leichte Übung. In der Geschäftsordnung des Parlaments gibt es dafür keine Regelung. In Paragraph 9 steht lediglich: "Jeder Abgeordnete, dessen Wahlschein in der Parlamentsdirektion hinterlegt ist, hat für die Dauer der jeweiligen Gesetzgebungsperiode … Sitz und Stimme im Nationalrat." Für die "Stimme" gibt es auch im neuen Nationalrat Platz, aber wo ist Platz für den "Sitz"?

Das ist der Plan für die künftige Sitzordnung

Hier kommt der Nationalratspräsident ins Spiel. Er ist der Hausherr des Parlaments, die Handhabung der Geschäftsordnung fällt ihm zu. Deshalb konnte Wolfgang Sobotka auch einen goldenen Bösendorfer ordern. Das Parlament ist sein Reich und es gibt nicht wenige Leute vor Ort, die in den vergangenen Jahren den Eindruck hatten, dass Sobotka dies auch so sieht.

Die Aufgaben des Nationalratspräsidenten sind in Paragraph 13 der Geschäftsordnung geregelt und sie sind recht umfassend. Um es abzukürzen: Sobotka ist im Parlament zu allem befugt, was Gott nicht ausdrücklich verboten hat. Wenn sich also die Klubdirektoren nicht einigen können und sich die Klubobleute auch nicht einigen können, dann bestimmt der Präsident, wer wo sitzt.

Seit Samstag ist fix, dass die FPÖ den bisherigen Volksanwalt Walter Rosenkranz für das Amt des "Ersten" Nationalratspräsidenten nominiert, die ÖVP den langjährigen Abgeordneten Peter Haubner als Zweiten Nationalratspräsident vorschlägt. Wolfgang Sobotka aber kann in seiner vielleicht letzten Amtshandlung tatsächlich festlegen: "First come, first served". Dann laufen die Abgeordneten am 24. Oktober los, um die besten Plätze zu besetzen, oder um sie mit Handtüchern zu reservieren.

Sobotka kann theoretisch auch jeden hinsetzen, wo er mag, Freiheitliche in den Sektor der Grünen, auch Kickl neben Babler. Das wäre dann so wie beim Wiener Derby, wenn ein Rapidler im Austria-Fanbereich landet. Der Donnerstag könnte doch interessanter werden als zu vermuten war.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hat am Donnerstag seinen letzten Arbeitstag
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hat am Donnerstag seinen letzten Arbeitstag
Helmut Graf

Erlebe ich den Donnerstag noch live oder sitze ich da schon in Häfn? Ersatzfreiheitsstrafe, weil ich dem Land zu viel Kickl zugemutet hatte? Wohl nicht, aber am 2. Oktober ließ der Paul Zsolnay Verlag von einer Rechtsanwaltskanzlei Klage gegen den AHVV Verlag einbringen, also indirekt gegen Newsflix. Es geht formal gesehen um 31.960 Euro. Sogar um noch ein bisschen mehr, denn zum "Unterlassungsanspruch" (31.000 Euro) stoßen noch "Schadenersatz und angemessenes Entgelt" (960 Euro) und "Kosten" von 2.977,68 Euro.

Mitte April war eine Biographie über den FPÖ-Chef erschienen. Sie trug den Titel "Kickl und die Zerstörung Europas". Zwei Journalisten vom Profil haben sie verfasst, das gelang im ersten Anlauf nicht ganz fehlerfrei. "Die Großeltern mütterlicherseits wurden von uns verwechselt", mussten die beiden einbekennen. Weil der Großvater ein anderer Großvater war, stammte er nicht aus der Steiermark, arbeitete nicht bei einer Versicherung, war im Krieg nicht bei der Flak und ließ sich auch nicht von der Großmutter scheiden.

Die Irrtümer zogen sich nicht über das gesamte Buch, sondern betrafen zwei Absätze, aber über Kickls Bio hängt offenbar ein Fluch und den will der Paul Zsolnay Verlag nun gerichtlich austreiben lassen.

Biographie hin oder her: Der Griff nach der Macht könnte für Herbert Kickl erfolglos bleiben
Biographie hin oder her: Der Griff nach der Macht könnte für Herbert Kickl erfolglos bleiben
Helmut Graf

Ich hatte auf Newsflix über die "Zerstörung Europas" einen Artikel verfasst und dabei auch Zitate aus dem Buch verwendet. Ich finde nicht verschwenderisch viele, der Verlag schon. Er zog vor das Handelsgericht, der begehrte "Schadenersatzanspruch beträgt demnach EUR 800,00 zzggl USt, sohin EUR 960,00", steht in der Klage.

Kickl mag vielleicht nicht Kanzler werden, aber irgendwann einmal vielleicht wird am Handelsgericht ganz viel über ihn gesprochen werden und er hat dann deshalb Schluckauf. Das ist ja auch nicht nichts.

Bis es soweit ist, tröste ich mich mit der Lebensphilosophie von Sofia Polcanova. Die österreichische Tischtennisspielerin absolviert derzeit eine großartige Heim-EM in Linz. In den ORF-Sportnachrichten am Donnerstag legte sie die Gründe dafür offen: "Vorm ersten Match um 9.30 war ich schon wieder richtig, richtig nervös. Aber da hab' ich gedacht: 'Okay, scheiß dich nicht an!'"

Ich wünsche Ihnen einen Sonntag mit einer ebenso starken philosophischen Aura. So heißt das Jugendwort des Jahres, das wurde am Rande der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben. Aura (also Ausstrahlung) siegte knapp vor Talahon und Schere. Die Ziegen waren vermutlich zu spät dran mit ihrer Aura. Bis in einer kleinen Weile!

Mit KI-Stimme: "Stell Dir vor, es ist Regierung und keiner geht hin"

Alle Wahl-Kopfnüsse

Akt. Uhr
#Kopfnüsse
Newsletter
Werden Sie ein BesserWisser!
Wissen, was ist: Der Newsletter von Newsflix mit allen relevanten Themen des Tages und den Hintergründen dazu.