neues Gottschalk-Buch

"Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!" Oder nicht?

Deutschlands bekanntester Showmaster hat ein Buch geschrieben. Es steckt voller provokanter Thesen. Übers Anbaggern in TV-Shows, muslimische Weihnachten, Social Media. Was Thomas Gottschalk (74) vorgeworfen wird – und weshalb.

Thomas Gottschalk bei der Verleihung der 17. Goldenen Narrenschelle 2024 der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in Rust bei Freiburg
Thomas Gottschalk bei der Verleihung der 17. Goldenen Narrenschelle 2024 der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in Rust bei Freiburg
Picturedesk
Newsflix Redaktion
Akt. Uhr
Teilen

Er hat es schon wieder getan. Thomas Gottschalk, 74,  hat ein weiteres Buch geschrieben, es ist sein drittes und heißt "Ungefiltert. Bekenntnisse von einem, der den Mund nicht halten kann". Auf 320 Seiten greift der Säulenheilige der Samstagabend-Unterhaltung vergangener Tage, der einstige Sonny Boy des deutschen Fernsehens, darin einige auch gesellschaftspolitisch heiße Eisen an – und das deutsche Feuilleton bekommt auf einen Schlag kollektiv schnellen Puls.

Schlag den Gottschalk Das Buch ist zwar erst am 16. Oktober erschienen, doch die meinungsmachenden Blätter des Landes haben bereits Tage zuvor damit begonnen, sich auf "Tommy" einzuschießen, ihn als alternden, grantigen Ex-Star zu sehen, der mit dem Liebesentzug nach seinem "Wetten dass"-Aus nicht klargekommen ist. Und der besser den Mund halten sollte, wenn er nicht mehr versteht, wie die Welt heute läuft. Was ist hier passiert?

Missglückte Medienarbeit für sein Buch? Den Anfang nahm der mediale Shitstorm mit einem langen Interview im "Spiegel", das am 11. Oktober erschien, fünf Tage vor dem Release seines Buches. Darin sagte der einstige Medien-Liebling einige zumindest sehr missverständliche Dinge. Dass er in seinen "Wetten dass"-Shows Frauen immer nur "rein dienstlich" angefasst habe, wie "ein Schauspieler, der im Film küsst, weil es im Drehbuch steht". Oder dass er nicht wüsste, "was er an Kim Kardashian wertschätzen sollte".

TV-Auftritt "zum Fremdschämen" Am selben Abend saß Gottschalk in der Talkshow "Kölner Treff" im deutschen Fernsehen und nuschelte dort – es war deutlich wahrzunehmen, dass er bei vielen Worten ein Problem mit der Aussprache hatte – Dinge, die vielen Zuschauern und auch den anderen Gästen wie den Schauspielern Natalia Wörner oder Christoph Maria Herbst eher unverständlich waren. So verteidigte er etwa patzig und selbstgefällig, weshalb er auch weiterhin "Zigeunerschnitzel" sagen möchte, auch wenn das Wort "Zigeuner" eventuell Menschen vor den Kopf stoße. Und auch, dass er sich nicht daran störe, wenn ihn AfD-Sympathisanten gut fänden, kam in der Runde nicht gut an. Positive Medienarbeit für sein neues Buch sieht jedenfalls anders aus.

Missverständnisse Dabei wusste zu diesem Zeitpunkt noch kaum wer, was Gottschalk da überhaupt geschrieben hatte. Denn der Verlag hatte eine Sperrfrist für die Berichterstattung festgelegt und so durften auch jene Medien, die das Buch bereits vorab erhalten hatten, nicht darüber schreiben. Die Debatte in den Medien entzündete sich vor allem an Gottschalks Auftritten und daran, was er dabei selbst über den Inhalt seines Werkes ausplauderte. Und das passte nicht ins Bild, das Medien-Deutschland von Gottschalk bislang hatte.

Was steht wirklich im Buch? Wer Gottschalks Buch wirklich liest, kommt zu dem Schluss, dass es aus drei Teilen besteht: Die ersten sechs und die letzten vier Kapitel lesen sich, als wären sie vor allem zu dem Zweck geschrieben worden, um möglichst viel Medien-Randale und Widerspruch zu erzeugen. Gottschalk macht drin aus seinem Unwohlsein mit aktuellen medialen Strömungen kein Hehl und spricht auch Dinge an, die in Stammtisch-Runden gerne mit der Einleitung "das wird man doch wohl noch sagen dürfen …" thematisiert werden. An diesen Kapiteln – und hier an einigen wenigen Punkten – entzündet sich seither auch das mediale Sperrfeuer gegen den Entertainer.

Thomas Gottschalk bei der Talksendung "Kölner Treff" am 11. Oktober 2024 mit den weiteren Gästen Christoph Maria Herbst, Natalia Wörner, Cheyenne Ochsenknecht und Nino Sifkovits, Notfallmedizinerin Carola Holzner, den Moderatoren Susan Link und Micky Beisenherz und Marco Schreyl
Thomas Gottschalk bei der Talksendung "Kölner Treff" am 11. Oktober 2024 mit den weiteren Gästen Christoph Maria Herbst, Natalia Wörner, Cheyenne Ochsenknecht und Nino Sifkovits, Notfallmedizinerin Carola Holzner, den Moderatoren Susan Link und Micky Beisenherz und Marco Schreyl
Galuschka,Horst / Action Press / picturedesk.com

Opa erinnert sich an früher Die 18 Kapitel dazwischen lesen sich über weite Strecken wie  Erinnerungen an vergangene, bessere Zeiten. Gottschalk erzählt darin, unterteilt in diverse Themenbereiche, Anekdoten aus seinem Showmaster-Leben und würzt diese immer wieder mit Unverständnis und oft auch Unwillen darüber, wie sich manche Dinge inzwischen entwickelt haben. Das liest sich oft wirklich unterhaltsam, teilweise etwas langatmig, und man erfährt viele Anekdötchen über Stars von damals. Ein bisschen so, als würde Opa von früher erzählen und darüber granteln, was aus seiner Welt geworden ist. Aber es ist frei von spekulativen Provokationen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt Ob diese Kapitel-Gliederung reiner Zufall ist, oder ob schlaue Marketingmanager dahinter stecken, die befanden, dass man den doch etwas drögen Mittelteil des Buches mit ein paar knackigen Sagern "aufbereiten" muss, um das Gesamtwerk möglichst breit "verkaufen" zu können, sei dahingestellt. Sollte dem so gewesen sein, kann man nur sagen: Chapeau, es hat funktioniert. Denn ganz Deutschland spricht seit Tagen über Gottschalks Buch und seine Auftritte.

Beim TV-Talk in Köln ergriff Gottschalk ohne zu Fragen den Arm von Cheyenne Ochsenknecht – die fand das nur mäßig gut
Beim TV-Talk in Köln ergriff Gottschalk ohne zu Fragen den Arm von Cheyenne Ochsenknecht – die fand das nur mäßig gut
Screenshot

Und Gottschalk selbst? Der Showmaster a.D. schmunzelt – und hält sich zurück. Wahrscheinlich sieht er bereits die Tantiemen, die fließen werden, wenn sich das Buch nur annähernd so gut verkauft, wie es die mediale Aufmerksamkeit der letzten Tage erhoffen lässt. Und immerhin bekennt er selbst, dass er in derartigen Situationen über großen Langmut verfügt: "Es ist eine meiner diversen Schwächen (ich hielt es lange für eine Stärke), dass ich vieles nicht merke oder dass mir Dinge einfach wurscht sind, die mir nicht wurscht sein sollten." Was wirklich im Gottschalk-Buch steht, worüber sich halb Deutschland aufregt, hier alle Infos:

Gottschalk über das "Feindbild" Influencer:
Es ist eine der Passagen, in denen zu merken ist, wie Gottschalk mit den neuen Zeiten fremdelt. "Ich bin kein Coach, der Ihnen erklärt, wie Sie zu Glück und Erfolg im Leben finden, wobei das eine mit dem anderen nach meinem Dafürhalten wenig zu tun hat, und ich bin fest davon überzeugt, dass dies niemand auch nur halbwegs seriös von sich behaupten kann", schreibt er. "Die ganzen 'Motivatoren' und 'Influencer', die Ihnen erzählen, 'man kann alles erreichen, wenn man es nur will', wollen nur das eine: den eigenen Erfolg!"

Ob früher mehr Menschen schlichter waren
Es folgt der Versuch einer Erklärung, warum er so ist wie er ist: "Sie sollten sich bei der Lektüre dieses Buches wohlwollend die Blase vor Augen halten, aus der ich komme. Und damit meine ich (…) die Zeit meiner TV- und Werbekarriere, in der nicht nur die Einschaltquoten höher waren, als man das heute kennt, sondern auch die schlichten Gemüter einen höheren Bevölkerungsanteil darstellten, als man sich heute in den strengen Zeiten der ständigen Kontrolle durch Social Media vorstellen kann."

Ob man heute noch alles sagen darf
Er habe nicht in allen Ebenen den Anschluss behalten, schreibt Gottschalk. Er sei auch keiner von denen, sie sagen würden, früher sei alles besser gewesen. Und er renne auch nicht enttäuscht durch die Gegend und beklage sich ständig darüber, dass man "nichts mehr sagen darf". Man dürfe in einem freien Land nach wie vor alles sagen, was einem durch den Kopf geht, soweit es gesetzlich erlaubt ist. "Die Konsequenzen sind nur andere, und man ist nie mehr der Einzige, der etwas gesagt hat."

Gottschalk mit seiner zweiten Ehefrau Karina in einer Baden-Badener Pizzeria
Gottschalk mit seiner zweiten Ehefrau Karina in einer Baden-Badener Pizzeria
Schultes,Klaus / Action Press / picturedesk.com

Der Wandel der Medienlandschaft
Der Entertainer macht die gesellschaftliche Veränderung an der Bild-Zeitung fest. Bild und Gottschalk, das war jahrzehntelang eine Symbiose. Nun sieht er den Hebel nicht mehr. Früher habe die Bild zur "Grundausstattung jedes Handwerkers in Deutschland" gehört. "Im Jahr 2012 lag ihre Reichweite noch bei 12,77 Millionen Lesern, heute hat sie sich fast halbiert."

Wie er die Resonanz vorhergesagt hat
Gottschalk ist Medienprofi, er wusste, was mit dem Buch passieren wird. Es ist auch viel Koketterie dabei, wenn er die Kritik daran vorwegnehmen will. "Ich werde damit leben müssen, dass vieles, was ich in diesem Buche sage, aus dem Umfeld gerissen wird, in dem ich mich erkläre, und mir als weinerliche Bilanz eines älteren Mannes ausgelegt wird, der am Ende seiner Karriere steht und nichts begriffen hat". Er sehe diese Gefahr, trotzdem mache er sich "frohgemut ans Werk". Auf die Gefahr hin, dass "man Dinge, die es wert sind, diskutiert zu werden, erst gar nicht auszusprechen wagt, weil man Angst davor hat, missverstanden zu werden."

Sein Fremdeln mit der Generation Z
Es gebe "eine trotzige Fehde zwischen meiner Generation und dieser Generation Z, die gerade den Arbeitsmarkt umkrempelt", schreibt er. Er sei mit dem Grundsatz groß geworden, dass "Lehrjahre keine Herrenjahre" seien. "Die neue Generation ist jetzt am Ruder und schafft es locker, sich gleichzeitig über eine mögliche und für sie eher wahrscheinliche Altersarmut den Kopf zu zerbrechen und im selben Atemzug eine Senkung der Arbeitszeit zu fordern und entsprechend weniger Einsatz zu bieten."

Gottschalk in seiner Wahlheimat Los Angeles
Gottschalk in seiner Wahlheimat Los Angeles
ISEMANN,BERND / Action Press / picturedesk.com

Seine eigenen Lehrjahre
Ihm selbst sei es nie in den Sinn gekommen, "irgendwann ein Sabbatical einzuschieben", eine Auszeit, "die man sich heute gerne nimmt, um der Seele die Zeit zu geben, zu regenerieren und Geist und Körper wieder in Einklang zu bringen. Wir haben uns die innere Balance im 2CV zurecht geschaukelt und brauchten kein Yoga dazu." Es sind Passagen wie diese, die sich durch das gesamte Buch ziehen. Eine Mischung aus Unverständnis über andere Lebensentwürfe einer anderen Generation und auch eine gewisse Portion Verachtung dafür. Das alles verpackt in launige Zeilen.

Sein Bild von Männern und Machos
Wer sich heute Shows aus vergangenen Jahrzehnten anschaut, staunt, vor allem, was den Umgang mit Frauen betrifft. Gottschalk war klar, dass er sich dieses Themas annehmen muss, er nähert sich grundsätzlich, indem er Kategorien schafft. "Die Idioten, die das Nein einer Frau nicht so verstehen wollen, wie es gemeint ist, wird es immer geben", schreibt er. "Und die vom Testosteron gesteuerten Machos werden nicht aussterben, nur weil ein Teil der Menschheit achtsam unterwegs ist." Er selbst sieht sich nicht in der Schule. "Was eine frühe Fehlprogrammierung in mir verkorkst haben mag, haben die Erziehung und die spätere Lebenserfahrung mehr als aufgewogen."

Über den Anbagger-Vorwurf in seinen Shows
Nur "dienstlich berührt" habe er Frauen, sagte Gottschalk in einem "Spiegel"-Interview. Er griff Steffi Graf aufs Knie, betatschte die Spice Girl, befummelte Heidi Klum. Alles ganz unschuldig?  Die Spice Girls hätten doch selbst "If you wanna be my lover" gesungen, so Gottschalk zum "Spiegel". Im Buch schreibt er dazu: "Warum hätte ich Frauen vor Millionen von Zuschauern anbaggern sollen?" Es sei "ausgesprochen selten, dass sich ein Flirt aus einer Fernsehshow im wirklichen Leben fortsetzen lässt". Tja!

Weshalb er sich nicht mehr frei reden traut
Es war eine Szene, die im Nachgang für viel Gesprächsstoff sorgte. Am 25. November machte Gottschalk Schluss mit Wetten, dass..? In seiner Verabschiedung gab er als einen Grund an, dass er im Fernsehen nun anders reden müsse als zu Hause. Also nicht mehr frei Schnauze, sondern mit Maulkorb. Es laufe ihm "oft ein Schauer den Rücken herunter", wenn er im privaten Kreis etwas sage, schreibt er im Buch. Er gruselt sich vor der Vorstellung, "ich hätte das gerade im Fernsehen vor ein paar Millionen Zuschauern als Zeugen gesagt."

Die letzte "Wetten, dass …?"-Show am 25. November 2023
Die letzte "Wetten, dass …?"-Show am 25. November 2023
Dirk Zengel / dana press / picturedesk.com

Über sein Bauchgefühl
Nicht lange überlegen, einfach reden. Das war über viel Jahre das Erfolgskonzept von Gottschalk und seiner Show. Es gab viele Grenzüberschreitungen, sie fielen auf wenig öffentliche Resonanz. Dem Showmaster für Generationen ist das bewusst. "Ich habe stets ein gewisses Bauchgefühl für mich in Anspruch genommen, wenn ich nicht so genau wusste, wo es langging", schreibt er und wieder blitzt Unverständnis hervor. "Dieses Gefühl reichte mir, um meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, aber es ist mir irgendwo verloren gegangen."

Muslimische Weihnachten in der Kita
Nicht mehr über alles reden dürfen? Gottschalk nennt ein Beispiel aus seinem privaten Bereich und stellt fest: Gewisse Themen seien einfach grundsätzlich tabu. "Wenn die Weihnachtsfeier in der deutschen Kita meines Enkels nicht stattfinden kann, um muslimische Kinder nicht zu brüskieren, möchte ich zumindest gerne laut darüber diskutieren dürfen, ob und wie die Kinder Allahs und die Kinder des christlichen Gottes zusammen Weihnachten feiern sollten." Es könne ja auch umgekehrt ein muslimisches Fest gemeinsam gefeiert werden, schreibt er, aber: "Ich weiß, dass ich in diesem Themenbereich auf ganz dünnem Eis unterwegs bin."

Seinen Podcast mit Kumpel Mike Krüger
Die guten, alten Zeiten, sie sind noch nicht ganz weg. Mit Mike Krüger betreibt Gottschalk den Podcast "Die Supernasen", benannt nach dem gleichnamigen Klamaukfilm aus 1983. Der seichte Streifen und der Podcast, beides ist nicht politisch korrekt. "Ich erschrecke immer noch, wenn mir mein Gefasel dann am Morgen nach Erscheinen des Podcasts vom Frühstücksfernsehen auf nüchternen Magen im TV präsentiert wird", sagt Gottschalk selbst.

Mit seinem jahrzehntelangen Kumpel und Filmpartner Mike Krüger betreibt Gottschalk den Podcast "Die Supernasen"
Mit seinem jahrzehntelangen Kumpel und Filmpartner Mike Krüger betreibt Gottschalk den Podcast "Die Supernasen"
Gerhard Kampitsch / OTS

Seine Namensschwäche
Auch das zieht sich durch das Buch. Gottschalk sieht sich in vielem als Opfer. Seine Schwäche, sich Namen zu merken, werde ihm als Frauenfeindlichkeit ausgelegt, etwa wenn er den Namen einer Fußball-Nationalspielerin nicht richtig ausspreche. Sofort würde daraus "in den sozialen Medien eine Lawine" entstehen, Medien würden das befeuern. "Und wenn ich im Versuch, mich zu retten oder mich zumindest zu entschuldigen, nachträglich noch etwas zu dem Thema beitrage, bin ich automatisch auf der Verliererstraße."

Sein Ärger über zu wenig Widerspruch
Viele ältere Menschen würden "ab einem gewissen Alter unsichtbar werden", schreibt er. "Wir haben zur Gegenrede entweder keinen Mut oder keine Lust mehr. Ihm werde oft ausgerichtet: "Halt doch einfach die Klappe! Als wäre meine Zeit, mich öffentlich zu äußern, zu einem Zeitpunkt abgelaufen, den ich offensichtlich nicht mitbekommen habe."

Mit Co-Moderatorin Michelle Hunziker bei "Wetten, dass … ?"
Mit Co-Moderatorin Michelle Hunziker bei "Wetten, dass … ?"
Dirk Zengel / dana press / picturedesk.com

Seinen Instagram-Coach
Dieser sei Schweizer und kenne die Tücken von Gottschalks ungebremster Formulier-Lust, erklärt der Showmaster. Immer einer Meinung sei man deshalb aber noch lange nicht. "Als ich ihn bei einer Wanderung durch den Schwarzwald fragte, ob man den noch so nennen dürfe, oder ob 'Wood of Color' nicht angemessener wäre, riet er mir allen Ernstes, das Thema nicht anzusprechen." Für dumme Gags dieser Art habe das Netz keinerlei Verständnis, und die Community würde Gottschalk dafür zumindest im übertragenen Sinne verprügeln, musste sich der 74-Jährige von seinem Coach sagen lassen.

Weshalb er Follower schrecklich findet
Dass Musikfan Gottschalk einige Popstars und Bands, deren Musik er mag, verehrte und auch diversen Filmstars huldigte, ist kein Geheimnis. "Nie hätte ich jedoch geduldet, als Follower von irgendeinem von ihnen bezeichnet zu werden", stellt der Entertainer in seinem Buch klar. "Meine Generation folgte (…) dem Motto der Byrds, das sich in ihrem Songtitel 'Wasn't born to follow' zusammenfassen ließ. Unkritisch nachlaufen wollten wir niemandem." Denn das hätten die Eltern getan, als sie die Parolen der Nazis nicht nur nachplapperten, sondern diesen auch ins Verderben folgten. "Damit wollten wir nichts zu tun haben."

Kein Bock auf die Ochsenknechts
Und wieder Fremdeln mit der modernen Medien-Welt. Mit Celebrities wie "den Geissens" oder "den Ochsenknechts" könne er nur wenig anfangen, bekennt Thomas Gottschalk freimütig. "Dass solche Leute demnächst meine Kundschaft sein könnten, war meine Befürchtung, als ich mich vom 'großen Samstagabend' verabschiedete." Denn solche oder ähnliche Klientel würde er sich erst ergoogeln müssen, bevor er sie auf seiner Couch begrüße. Gottschalk: "Darauf hatte ich keinen Bock."

Gottschalk mit Verona Feldbusch – der Moderator galt als jemand, der ständig den Körperkontakt mit seinen weiblichen Gästen suchte
Gottschalk mit Verona Feldbusch – der Moderator galt als jemand, der ständig den Körperkontakt mit seinen weiblichen Gästen suchte
Stefan Kiefer / dpa / picturedesk.com

Sein Image als Frauenbetatscher
"Meine Unart, Frauen gedankenlos da anzufassen, wo ich sie gerade erwische, hat mir spätestens ab einem Zeitpunkt geschadet, ab dem sofort auf politische Korrektheit überprüft wurde, wie sich jemand in der Öffentlichkeit verhielt, und Personen, die sich nicht entsprechend benahmen, in die Ecke gestellt wurden", erinnert sich Gottschalk in seinem Buch. Mit zunehmendem Alter seien die Aufenthalte in dieser Ecke häufiger geworden – "da man mir meine Gedankenlosigkeit nicht mehr als jugendlichen Leichtsinn durchgehen ließ, sondern mir Bösartigkeit unterstellte". (…) Spätestens als man anfing, in ihm den "Vater des Herrenwitzes" zu sehen, sei es für Gottschalk auf seiner TV-Couch ungemütlich geworden und der Weg zum "alten weißen Mann" vorgegeben gewesen. "Ich hatte keine Chance mehr, rechtzeitig abzubiegen."

Weshalb er von Sprachzensur nichts hält
Dafür, dass Menschen allein aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft massives Unrecht, Diskriminierung, Gewalt oder sogar noch Schlimmeres angetan wurde, müsse man sich noch heute schämen, bekennt Gottschalk in seinem Buch. "Insofern kann ich es verstehen, dass von Diskriminierung und Rassismus bis heute und auch hier bei uns betroffene 'People of Color' ein Problem damit haben, wenn mit Schokolade überzogener süßer Eischnee auf einer Waffel 'Mohrenkopf' genannt wird", schreibt der 74-Jährige. (…) Gleichzeitig glaube er aber nicht so recht daran, dass es an Rassismus und der damit verbundenen Gewalt etwas ändere, wenn einzelne Wörter ersetzt und Bücher umgeschrieben würden. (…) "Wir sollten uns des historischen Hintergrunds mit allen Untaten bewusst sein und gegen Rassismus auftreten", so Gottschalk. "Dadurch würde sich etwas ändern. Aber was ändert sich durch oberflächliche Sprachkosmetik?"

Pierce Brosnans Abschied von James Bond
Thema Männerfreundschaft: Mit einem frustrierten Pierce Brosnan habe er auf Mallorca eine Nacht lang durchgezecht, als dieser gerade seine Rolle als James Bond verloren hatte, erinnert sich der Showmaster. Barbara Broccoli, die Produzentin der Filmreihe, hatte beschlossen, dass es Zeit für einen Wechsel sei, was der gebürtige Ire Brosnan nicht hatte kommen sehen. Gottschalk: "Und so wurde er von der Kündigung kalt erwischt. Inzwischen hat er mit seinem Status als Ex-007 seinen Frieden gemacht, lebt an der Broad Beach Road in Malibu oder in seinem Haus auf Hawaii und genießt sein Rentnerdasein, wie wir alle das irgendwann müssen."

1995 trat der Sänger Michel Jackson in Gottschalks Show auf
1995 trat der Sänger Michel Jackson in Gottschalks Show auf
A2902 Achim Scheidemann / dpa / picturedesk.com

Seine Hochachtung vor Richard Lugner
Dass Richard "Mörtel" Lugner (wie ihn Gottschalk nennt) sich jenseits der neunzig entschlossen hat, noch einmal in den Stand der Ehe zu treten, nennt der Entertainer "durchaus mutig". Leider hätte die Ehe keine drei Monate mehr gedauert, "bevor er im August 2024 die Betonkelle für immer aus der Hand legte", schreibt Gottschalk.

Das Böse in uns
Unsere Lernfähigkeit sieht Gottschalk nicht wahnsinnig gut entwickelt. Er schreibt: "Die Menschen in ihrer Gesamtheit sind nicht in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen." Weswegen die  Menschheit moralisch auch auf der Stelle trete und sich für alle Gemeinheiten, die sie sich gegenseitig angetan habe, in jeder Generation wieder Ausführende finden würden. Gottschalk: "Weder die Folterkeller der Inquisition noch die Rampe in Auschwitz wären heute unbesetzt oder unterbesetzt."

Seine Chance, ein Weltstar zu werden
Hollywood habe ihn gerufen, aber er habe die Chance verstreichen lassen, schreibt Gottschalk – und zwar, "weil mir schnell klar wurde, wie vergänglich ein schneller Ruhm ist, der sich nicht auf künstlerisches Können stützt" – eine doch etwas überraschende Selbsterkenntnis. Die beiden Disney-Bosse Michael Eisner und Jeffrey Katzenberg hätten ihn für einen Film engagieren wollen, Eisner habe sich sogar gemeinsam mit dem Hollywoodstar Michael Douglas bei der Ausländerbehörde für Gottschalks Greencard ins Zeug gelegt. Doch der Showmaster wusste, welches seine Leisten sind, und lehnte dankend ab.

1987 übernahm Thomas Gottschalk die Moderation der Samstagabend-Show "Wetten, dass …?" von ihre Erfinder und bisherigen Gastgeber Frank Elstner
1987 übernahm Thomas Gottschalk die Moderation der Samstagabend-Show "Wetten, dass …?" von ihre Erfinder und bisherigen Gastgeber Frank Elstner
Teutopress / SZ-Photo / picturedesk.com

Seine Meinung zum Gendern
Auch mit dem Thema Geschlechtszugehörigkeit fremdelt Thomas Gottschalk merklich – und macht daraus kein Hehl: "Ich halte aber sowohl das Gendern als auch die Möglichkeit, sein eigenes Geschlecht, einem Gefühl folgend, jederzeit anpassen zu können, für einen Schritt über das hinaus, was ich ansonsten als generell richtige Richtung bezeichnen würde." In Sachen Gleichberechtigung halte er das Gendern lediglich für einen "Nebenkriegsschauplatz", mit dem viele Menschen nichts anfangen könnten. Gottschalk: "Der Mehrzahl der Frauen hilft das auf diesem Weg keinen Millimeter weiter."

Deutsche "People of Color"
Es gebe nach wie vor Leute, die bei jeder Olympiamedaille, die ein dunkelhäutiger Sportler mit einem fremd klingenden Namen für Deutschland erkämpft hat, nachfragen, ob der oder die wirklich "für Deutschland" unterwegs gewesen sei. "Bis dieses Misstrauen gegen eine gefühlte Fremdartigkeit bei meiner Generation verschwunden ist, wird es noch dauern", schreibt der Entertainer. (…) Und weiter: "Ich gebe auch gerne zu, dass ich mich an Spielernamen wie Jamal Musiala ebenso noch gewöhnen muss wie an Deniz Undav."

Sein Blick auf die Zukunft
Gottschalk verweist auf die Kriegs- und Nachkriegsgeneration seiner Eltern und wie das Elend seinerzeit persönliche Probleme zu Problemchen habe schrumpfen lassen, denen kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde. "Wahrscheinlich geht es uns zu gut, und wir haben zu wenig andere Sorgen", so der 1950 geborene Gottschalk. "Deshalb arbeiten wir uns an Themen wie dem 'Gendern' ab und bezichtigen uns gegenseitig eines rüden Umgangs miteinander." Möglicherweise werde das für die nächste Generation schon wieder völlig unverständlich sein, weil sie ganz andere Sorgen hat.

Cover
Cover
Heyne Verlag

Thomas Gottschalk "Ungefiltert. Bekenntnisse von einem, der den Mund nicht halten kann", Heyne Verlag, € 25,50

Akt. Uhr
#Menschenwelt
Newsletter
Werden Sie ein BesserWisser!
Wissen, was ist: Der Newsletter von Newsflix mit allen relevanten Themen des Tages und den Hintergründen dazu.